07. März 2013, PAN Germany
Verbot hoch bienengefährlicher Neonikotinoide durchsetzen
Am 31.1.13 empfahl die EU Kommission, den Einsatz der hoch bienengefährlichen Insektizid-Wirkstoffe Clothianidin und Imidacloprid der BAYER CropScience sowie Thiamethoxam von SYNGENTA in bienenattraktiven Kulturpflanzen ab dem 1. Juli 2013 für zwei Jahre zu verbieten und erarbeitete einen entsprechenden Vorschlag zur Abstimmung durch die Mitgliedstaaten (1). Doch die ursprünglich für den 25.2.13 geplante Abstimmung über den Vorschlag der EU Kommission durch die Mitgliedstaaten wurde auf den 14.3.13 vertagt. PAN Germany fordert Bundesagrarministerin Aigner auf, den Vorschlag der Kommission zu unterstützen. Aus Sicht von PAN Germany ist das zeitlich befristete Verbot der drei hoch bienengefährlichen Pestizid-Wirkstoffe ein wichtiger erster gemeinschaftlicher Schritt, dem weitere folgen müssen, um Bienen besser vor den negativen Auswirkungen der Pestizide zu schützen.
Die Pestizidindustrie macht Druck
Der Druck auf die Kommission ist groß, vor allem von Seiten der Pestizidhersteller, die die Wettbewerbsfähigkeit der europäischen Landwirtschaft und Arbeitsplätze gefährdet sehen und unterstellen, dem Vorschlag der Kommission fehle die wissenschaftliche Basis. Syngenta bezeichnet den Vorschlag als unangemessen und politisch motiviert; Bayer CropScience kritisiert die „allzu konservative Auslegung des Vorsorgeprinzips durch die EU-Kommission“. (2,3). Mit einer von der Industrie finanzierten Studie zum sozio-ökonomischen und ökologischen Wert der Beizung mit Neonikotinoiden hat das Humboldt Forum for Food and Agriculture e.V. versucht, die Sorge vor massiven Ertrags- und Gewinneinbußen zu schüren (4). PAN Europe hat die Studie unter die Lupe genommen und erhebliche Defizite bezüglich Datengrundlage, Annahmen und Transparenz aufgedeckt (5). Unter anderem prognostiziert die Studie Ertragseinbußen durch den Verzicht auf Neonikotinoiden in Beizmitteln von 40%. Dem hält PAN entgegen, dass selbst bei einem vollständigen Verzicht auf alle chemisch-synthetischen Pestizide, wie bei der Umstellung auf kontrolliert ökologische Bewirtschaftung, die durchschnittlichen Ertragseinbußen in Europa bei nur 20% liegen. Erfahrungen aus Italien, wo seit drei Anbaujahren Mais der ohne Neonikotinoid-Beizung ausgebracht wird, zeigen, dass die Erträge stabil blieben, bei gleichzeitiger Erholung der Bienenvölker.
Wo bleibt die Zustimmung des BMELV?
Das Bundesministerium für Ernährung, Landwirtschaft und Verbraucherschutz (BMELV) wünscht nach eigenen Angaben ein „europaweit einheitliches Vorgehen auf wissenschaftlicher Basis“ beim Schutz der Bienen. So steht es in der Presseerklärung „Deutschland unterstützt EU-Kommission beim Bienen-Schutz“ des Bundeslandwirtschaftsministeriums vom 1.2.13 (6). Diese geforderte Basis hat die Europäische Behörde für Lebensmittelsicherheit (EFSA) geliefert (7). Das EFSA Panel on Plant Protection Products and their Residues (PPR) prüfte im vergangenen Jahr die gängige Risikoanalyse im Zulassungsverfahren und stellte gravierende Defizite im Bereich Bienenschutz fest. Die Wissenschaftler kritisierten u.a. die Vernachlässigung von Langzeituntersuchungen, die fehlende Differenzierung nach Bienenarten mit unterschiedlichen Verhaltensweisen, Expositionsrisiken und Empfindlichkeiten und das außer Acht lassen von Expositionspfaden (8).
Doch obgleich das BMELV in der o.g. Presseerklärung schreibt „Deutschland unterstützt das Vorhaben der Europäischen Kommission, den Schutz der Bienen im Zusammenhang mit der Anwendung von Pflanzenschutzmitteln zu verstärken“, sucht man vergeblich nach einer eindeutigen Zustimmung des BMELV zu den Vorschlägen der Kommission. Vielmehr wird hervorgehoben, dass Deutschland „bereits frühzeitig“ Maßnahmen zum Schutz von Bienen und anderer Bestäuber vor Neonikotinoiden ergriffen hat und verweist auf Abdrift-mindernde Geräte und das Verbot von Neonikotinoid-Beizungen von Mais und Getreidesaatgut. Dass diese Maßnahmen erst nach der Massenvergiftungen von über 11.500 Bienenvölkern durch das Neonikotinoid Clothianidin ergriffen wurden und keinesfalls als „frühzeitig“ zu bezeichnen sind, erwähnt die Presseinformation des BMELV nicht.
PAN Germany hat Bundeslandwirtschaftsministerin Aigner in einem offenen Brief dazu aufgerufen, dem Kommissionvorschlag am 14.3.13 zuzustimmen (9). Das von der EU Kommission vorgeschlagene, wenn auch befristete Verbot, wäre ein erster Schritt, Bienen vor weiteren Vergiftungen besser zu schützen. Vielleicht lassen sich bestehende Ungenauigkeiten bei der Ausarbeitung des Kommissionsvorschlags noch schließen. Insbesondere sollte der Fokus auf dem Schutz von Wild- und Honigbienen liegen, hier springt der Entwurf noch zwischen „Honigbienen“ und „Bienen“ hin und her. Doch gerade vor dem Hintergrund der besonderen Empfindlichkeit von Wildbienen, ihrer Gefährdung und ihrer gerade wieder bestätigten großen Bestäubungs- und somit Ökosystemleistung (10), ist es wichtig, die Wildbienen mit einzuschließen. Auch die Frage, was genau eine für Bienen „attraktive Kulturpflanze“ ist, sollte zwingend im Dialog mit Berufsimkern und Wildbienenexperten geklärt werden. Denn die Attraktivität hängt nicht nur vom Pollen- und Nektarwert der Pflanze ab, auch etwa das Vorhandensein von Honigtau kann einen Bestand für Bienen attraktiv machen.
Hoch bienengefährliche Neonikotinoide in deutschen Pestizidprodukten
21 Pestizid-Handelsprodukte mit Imidacloprid, 6 mit Clothianidin und 7 mit Thiamethoxam sind derzeit in Deutschland regulär zugelassen (11). Angewendet werden sie in fast allen Kulturen: Tabak, Apfel, Wein, Zierpflanzen, Gemüse, Futter- und Zuckerrüben, Kartoffeln und Raps. Ausgenommen ist derzeit lediglich die Anwendung in Getreide und Maisbeizen. Fast flächendeckend ist der Einsatz in der Saatgutbehandlung von Raps, Futter- und Zuckerrüben.
Wirkungsweise der Neonikotinoide
In der Pflanze gelangen die Neonikotinoiden Wirkstoffe aufgrund ihrer systemischen Eigenschaft mit den Pflanzensäften in alle Pflanzenteile und Neuzuwächse. Dadurch lassen sich die Wirkstoffe in Blättern, im Nektar, im Pollen und im Guttationswasser nachweisen. Einmal in der Biene angekommen, wirken Neonikotinoide als Nervengifte. Sie blockieren im Insekt wichtige Rezeptoren im Hirn. Bei höheren Konzentrationen kann dies akut zum Tod der Insekten führen, bei geringeren Dosierungen werden überlebenswichtige Funktionen gestört, wie die Fähigkeit zu riechen oder sich zu orientieren. Auch die Anfälligkeit gegenüber anderen Stressoren wie geringe Futterqualität oder Krankheiten steigt, wenn die Tiere gleichzeitig niedrigen Konzentrationen von Neonikotinoiden ausgesetzt sind (12).
Aus Sicht von PAN gibt es ausreichend Evidenz, dass über das nun von der EU Kommission geforderte befristete Verbot von Clothianidin, Imidacloprid und Thiamethoxam hinaus, Neonikotinoide zukünftig generell und dauerhaft verboten werden sollen.
(Susan Haffmans, PAN Germany)
Anmerkungen
(1) http:www.agaca.coop/docs/Draft%20regulation%20restriction%20neonicotinoids.doc%5B1%5D.pdf
(2) http:www.proplanta.de/Agrar-Nachrichten/Pflanze/Syngenta-EU-Vorschlag-Bienenschutz_article1359795657.html
(3) http:agrar.bayer.de/Bayer_CropScience_lehnt_Vorschlag_der_EU_Kommission_entschieden_ab.cms
(4) http:www.hffa.info/files/wp_1_13_1.pdf
(5) http:www.pan-europe.info/News/PR/130305.html
(6) http:www.bmelv.de/SharedDocs/Pressemitteilungen/2013/040-AI-Bienen.html
(7) http:www.efsa.europa.eu/en/search/doc/3066.pdf; http:www.efsa.europa.eu/en/search/doc/3067.pdf;
http:www.efsa.europa.eu/en/search/doc/3068.pdf
(8) PAN Germany Pestizid-Brief Juli/August 2012 online unter http:www.pan-germany.org/deu/ news-1203.html
(9) http:www.pan-germany.org/download/Offener_Brief_Aigner_1303.pdf
(10) http:science.orf.at/stories/1713544/
(11) Pestizide Online Datenbank des BVL https:portal.bvl.bund.de/psm/jsp/ Abruf am 28.2.2013
(12) PAN Germany (2012): Bienen, Hummeln & Co – Bedeutung, Gefährdung & Schutz.
http:www.pan-germany.org/download/biodiversitaet/Bestaeuber_Info_2011.pdf