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Bienensterben

CBG Redaktion

6. Juli 2008

Der Erfolg liegt vor den Fluglöchern

2003 besuchte uns eine Gruppe von französischen Imkern und Wissenschaftlern in Donaueschingen. Sie berichteten uns von den Bienenverlusten mit neuartigen Symptomen dort. Sie erklärten uns, dass mit Hilfe einiger engagierter Wissenschaftler die Wirkstoffe Imidacloprid von Bayer und Fipronil von BASF als Hauptursache ermittelt worden waren.
Unsere französischen Imkerkollegen versuchten daraufhin ein Verbot dieser Produkte als Pflanzenschutzmittel für Bienenweidepflanzen zu erreichen und zogen dafür vor Gericht. Sie versuchten gleichzeitig, uns in Deutschland auf die Gefahren dieser Produkte aufmerksam zu machen und hofften auch, dass wir bei den deutschen Konzernen etwas bewegen könnten.
Die deutschen Bienenwissenschaftler vertraten die Auffassung, dass diese Produkte vor der Zulassung sorgfältig getestet wurden und zeigten wenig Verständnis für die französischen Probleme damit.
Im Dezember 2003 veröffentlichten sie eine Stellungnahme, in der darauf verwiesen wurde, dass seit 1998 an mehreren deutschen Bieneninstituten, umfangreiche und z.T. mehrjährige Untersuchungen der Bienengefährlichkeit der fraglichen Wirkstoffe durchgeführt wurden, ohne dass sich dabei Hinweise auf Bienenschäden ergeben hätten. Jeglichen Verdacht einer Nähe zur chemischen Industrie wies man weit von sich.
In unserer damaligen Naivität setzten wir uns für ein Treffen der französischen und deutschen Fachleute ein, in der Hoffnung, dass unsere Wissenschaftler die Ergebnisse ihrer französischen Kollegen dadurch besser verstehen würden und man sich dann für die Interessen der Imker stärker einsetzen würde.
Dieses Treffen fand am 28.01. 2004 statt und war ein Fiasko. Man konnte sich nicht einmal auf ein gemeinsames Protokoll einigen. Die deutschen Wissenschaftler erklärten, dass die französischen Ergebnisse nicht glaubwürdig seien, und dies obwohl die Arbeiten in den angesehensten internationalen Fachmagazinen „peer reviewed“ veröffentlicht worden waren und später auch vor Gericht Bestand hatten.
Die Hersteller Bayer und BASF waren offensichtlich über unsere Kontakte nach Frankreich informiert und mussten nun befürchten, dass wir in Deutschland auch auf Verbote ihrer Produkte drängen würden.
Eine von den europäischen Imkervertretern anberaumte Sondersitzung der Arbeitsgruppe Honig zum Thema „Verbote von Planzenschutzmitteln in Frankreich“ lies die Chemieindustrie einfach durch die COPA kurzfristig absagen.
Man griff nun zu den bewährten Methoden, um auf Zeit zu spielen. Hier war der deutsche Bauernverband gerne behilflich und betätigte sich von nun an als Gastgeber für einen „Runden Tisch“, der einen Dialog von Imkern, Wissenschaftlern, Landwirten und Behörden ermöglichen sollte.
Zudem fanden sich bei Bayer, BASF und Syngenta nun plötzlich beträchtliche Summen, um durch ein möglichst lang angelegtes Projekt eine umfassende Ursachenforschung zu finanzieren. Die Bienenwissenschaftler waren sofort begeistert von der Idee und auch die Imkerverbände meinten, sich so einer Großzügigkeit nicht entziehen zu können.
Tatsächlich zeigte sich schon in der Planungsphase die eigentliche Zielrichtung des Projekts:
Das Budget für die Untersuchungen auf Pflanzenschutzmittelrückstände war genau Null.
In den Folgejahren funktionierte das Projekt trotz gelegentlichen Aufbegehrens rebellischer Berufsimkervertreter im großen und ganzen wie von den Geldgebern gewünscht. Die Öffentlichkeit und die Politik versetzte man in den Glauben, dass das Problem des Bienensterbens in besten wissenschaftlichen Händen sei. Die Bienenwissenschaftler waren langfristig an die Leine gelegt, obwohl dies nach der bisherigen Erfahrung vermutlich gar nicht notwendig war.
Die Industrie hatte die Vergabe der Mittel natürlich so organisiert, dass der Geldhahn jederzeit bei unbequemem Verlauf des Projekts zugedreht werden konnte. Man brauchte, wenn notwendig, nur darauf hinzuweisen, dass man eine weitere Finanzierung möglicherweise intern nicht weiter vertreten könne.
Der besondere Erfolg des Bienenmonitorings bestand darin, in Deutschland ähnliche Verbote wie in Frankreich zu verhindern und auch durch gebetsmühlenartiges Wiederholen der These „Varroa + X“ das Zulassungsklima für neue Pflanzenschutzmittel freundlich gestimmt zu halten.
Während die Gerichtsverfahren der Imker in Frankreich erhebliche Mängel in den dortigen Zulassungsverfahren offen legten und dazu führten, dass neue Mittel nun deutlich sorgfältiger geprüft werden, zog man in Deutschland aus den Erfahrungen im Nachbarland keinerlei Lehren.
Dies lässt sich sehr schön aus einem Beispiel aus dem vergangen Jahr belegen:
In Frankreich und Deutschland wurde die Zulassung eines neuen Wirkstoffes unter Vorlage der gleichen Untersuchgsergebnisse zur Bienengefährlichkeit beantragt.
Die französische Zulassungsbehörde AFSSA verwarf die dem Antrag beigefügten Daten als unzureichend und verweigerte die Zulassung. Daraufhin reichte Bayer ausgerechnet die Ergebnisse des deutschen Bienenmonitorings nach, um die Behörde von der Unbedenklichkeit des Mittels für Bienen zu überzeugen.
Die AFSSA fällte ein vernichtendes Urteil über die wissenschaftliche Qualität dieses Materials und verweigerte wiederum die Zulassung.
Ganz anders in Deutschland, wo man ohne Probleme die Zulassungshürden passierte.
So kam es, dass ein Produkt, welches in Frankreich aus Gründen des Bienenschutzes nicht genehmigungsfähig war, in Deutschland nicht nur zugelassen, sondern in einigen Regionen wie dem Rheingraben sogar als Quarantänemaßnahme gegen den Maiswurzelbohrer vorgeschrieben wurde.
Der Wirkstoff in unserem Beispiel ist Clothianidin für die Anwendung als Beizmittel beim Mais unter den Marken PONCHO bzw. PONCHO PRO.
Das deutsche Bienenmonitoring war also ein voller Erfolg für die Industrie – ein Erfolg, der jetzt tausendfach vor den Fluglöchern unserer Bienenstöcke liegt.

Autor: Walter Haefeker, Präsident der European Professional Beekeepers Association (Europäischer Berufsimkerbund) und Vorstandsmitglied im Deutschen Berufsimkerbund
http://www.umweltruf.de/news/111/new…3?nummer=14407