Ein tiefer und erschreckender Einblick in die Arbeitswelt bei BAYER: ein kranker Mitarbeiter wurde im Auftrag der Firma von Detektiven überwacht und sollte schließlich sogar die fünfstelligen Observierungskosten übernehmen.
18. Juli 2015
Überwachter Bayer-Mitarbeiter erreicht Vergleich
Leverkusen. Ein von Bayer Technology Services nach einer Detektiv-Observation fristlos gekündigter Mitarbeiter bekommt nun eine Abfindung und muss die Detektei nicht bezahlen. Man einigte sich vor Gericht auf einen Vergleich und ein gutes Zeugnis.
Einen erfolgreichen Vergleich konnte gestern ein zunächst fristlos gekündigter junger Mann mit der Bayer-Tochterfirma Technology Services vor dem Arbeitsgericht erzielen. Sein ehemaliger Arbeitgeber hatte dem 33-Jährigen vorgeworfen, er habe sich krank gestellt und sei in der Zeit einer Nebenbeschäftigung als Sicherheitsberater nachgegangen. Bayer hatte den krankgeschriebenen Mann fünf Tage lang von einer Detektei observieren lassen.
Nicht nur gegen seinen „Rauswurf“ wehrte sich der seit 1999 in psychiatrischer Behandlung befindliche Mann. Bayer Technology Services verlangte von ihm zudem, dass er die Observierungskosten in Höhe von 16 700 Euro selbst zahlen sollte.
Von alledem blieb beim gestrigen Vergleich nichts übrig: Bayer nimmt seine Vorwürfe gegen den ehemaligen Beschäftigten zurück, kündigt ihm fristgerecht wegen betrieblicher Gründe und stellt ein qualifiziertes Zeugnis mit der Note gut aus. Zudem bekommt der Mann eine Abfindung von 52 000 Euro: Diesen Inhalt des Vergleiches hielt das Gericht fest, wobei Bayer aber noch eine zweiwöchige Einspruchsfrist bis zum Monatsende wahrnehmen kann. Der junge Mann und die Vertreter von Bayer Technology Services saßen sich nicht zum ersten Mal im Arbeitsgericht gegenüber. Im April hatte es, bereits einen Termin gegeben, der aber geplatzt war. Einer der beiden Laienrichter der Kammer arbeitet bei Currenta, weshalb der Rechtsbeistand des Klägers die Kammer wegen Befangenheit ablehnte (wir berichteten). Nun trat eine neue Zusammensetzung in Aktion – allerdings drohte auch dieser Termin zu scheitern. Denn der Bericht der Detektei erschien der Kammer fraglich, ob er für eine Beweisführung überhaupt verwertbar sei. Genaue Zeiten, genaue Benennung von Zeugen forderte der Vorsitzende Richter ein. Und er gab zu bedenken, dass der Detektiv den Mann immer nur bis vor die Gebäude habe observieren können, aber nie im Haus dabei gewesen sei.
Während der Kläger angab, er habe Freunde besucht und teilweise ohne Bezahlung in Sicherheitsfragen beraten, werteten die Detektei und sein Arbeitgeber dies als einen unerlaubten, nicht angemeldeten Nebenerwerb und die Täuschung über seinen Krankheitszustand. Es sehe in diesem Fall aber nicht nach „einer aus dem Hut gezauberten Krankheit aus“, sagte der Vorsitzende Richter.
Denn Klinikberichte konnten dem Gericht belegen, das er seit Jahren krank und in Behandlung ist. Gegenüber unserer Zeitung hatte er geäußert, er sei in der Firma gemobbt worden, was seine Krankheit noch verschlimmert habe. Im April wollte er noch nach seiner Genesung eine mögliche Rückkehr an den Arbeitsplatz erreichen. Davon war dann gestern nur noch sehr bedingt die Rede: „Vielleicht mit einem neuen Vorgesetzten… “, meinte sein Rechtsbeistand. Nach einer Beratungspause war von einer Rückkehr keine Rede mehr.