Vor hundert Jahren wurde Reichskanzler Theobald von Bethmann Hollweg zum Rücktritt gezwungen. Die von dem BAYER-Chef Carl Duisberg zusammen mit der Obersten Heeresleitung entfesselte Treibjagd hatte Erfolg. Damit war jede Aussicht auf einen Verständigungsfrieden im Ersten Weltkrieg zunichte gemacht
Von Otto Köhler
Zwölf Jahre sind nun schon vergangen, seit der renommierte Verlag C. H. Beck in Tatgemeinschaft mit dem nicht weniger angesehenen Strukturhistoriker Hans-Ulrich Wehler geschichtsamtlich festgelegt hatte, was heute vor hundert Jahren geschah und was Friedrich Meinecke, der „führende Repräsentant der deutschen Geschichtswissenschaft” (Gerhard A. Ritter) als „Militärrevolution” völlig falsch erlebt haben muss. Damals, 2005, ging es darum, dass bei Beck die in halb Europa gedruckte „Kurze Geschichte der Demokratie” des Althistorikers Luciano Canfora nicht verlegt werden durfte. Unter anderem deshalb, weil Canfora unter Berufung auf Meinecke schrieb, dass Reichskanzler Theobald von Bethmann Hollweg durch einen „staatsstreichähnlichen Akt abgesetzt” wurde. Beck-Cheflektor Dr. Detlef Felken stellte in einer an alle großen Feuilleton-Redaktionen verteilten Fehlerliste fest, es sei „falsch”, dass des Reichskanzlers Absetzung 1917 einem Staatsstreich nahegekommen sei. Und Professor Dr. Wehler bekräftigte: „Die Absetzung von Bethmann-Hollweg sic hat nichts mit einem Staatsstreich zu tun.” Nichts?
Weg mit Schöffen und Gerichten
Für Geheimrat Carl Duisberg, den Generaldirektor von BAYER & Co. in Leverkusen und Gründer der später bis nach Auschwitz ausgreifenden INTERESSENGEMEINSCHAFT FARBEN, begann das Jahr 1917 mit allerlei Arbeit. Wichtig war zunächst einmal, mit der Justiz aufzuräumen. Und da kam Duisberg ein Aufruf des Verlegers und „Schriftleiters” der Deutschen Juristen-Zeitung, Dr. Otto Liebmann, gerade recht. Der hatte sich an eine „Anzahl hervorragender Männer” gewandt, sie sollten unter der Überschrift „ein dringendes Gebot” für eine „Einschränkung der Rechtspflege auf das Notwendigste” eintreten. Das kam Carl Duisberg sehr gelegen. „Ihr Mahnwort an die Justiz und an das deutsche Volk – ein dringendes Gebot – es kommt zur rechten Zeit, am rechten Ort.” Denn, so formulierte es Duisberg: „Das Friedensangebot, selbst wenn es von unseren Feinden angenommen wird, zwingt uns zum energischen” – und für BAYER profitablen – „Wettrüsten, erst recht aber, wenn es leider vergeblich gewesen ist. Dann heißt es, zum letzten Schlag, zum entscheidenden Sieg alles einzusetzen für unseres Volkes Existenz, für Deutschlands Ehre. Dann hinweg mit Klagen und Prozessen, mit Schöffen und Schwurgerichten.”
Dieser Aufruf machte sich gut in Deutschlands führender Juristenzeitung, die pünktlich 1933 vom Verlag C. H. Beck arisiert wurde, der wiederum Carl Schmitt („Der Führer schützt das Recht”, 1934) als Herausgeber einsetzte. Duisberg hatte allerdings banale Motive für seine Forderung, Klagen, Prozesse und Gerichte hinwegzufegen.
Bitter hatte er sich in der Vergangenheit bei Oberstleutnant Max Bauer – seinem Vertrauten in Paul von Hindenburgs und Erich Ludendorffs Oberster Heeresleitung, mit dem er seine Rüstungs- und Giftgasgeschäfte abwickelte – über den Kriegsminister Adolf Wild von Hohenborn beklagt: „Wir wurden gebremst, wenn wir uns weiter betätigen wollten, wir wurden verärgert und in die Schranken des bureaukratischen, geschäftsordnungsmäßigen Betriebes zurückgewiesen, wir wurden geschimpft und gescholten, wenn wir uns rührten und regten und aus dem gewohnten Gleise heraustraten. Anstelle dankbarer Anerkennung, wie wir sie erwarten konnten, und wie sie zeitweise auch gewährt wurde, trat die übliche, nie Lob, aber wohl Tadel zeigende Amtsmiene, trat Krittelei und Nörgelei und von der Reichstagsmehrheit gewünschte Knauserei.”
Besonders heilig waren Duisberg die Kriegsprofite, deren gerichtliche Untersuchung er fürchten musste. Dem in einem Schreiben des Kriegsministeriums geäußerten Begehren, die an Rüstungsaufträgen wild verdienende Industrie solle sich in die Bücher gucken lassen, begegnete er mit verständlicher Wut. Auf dieses Verlangen gebe es, schrieb er im Brief an Bauer, „keine Antwort als die von der gesamten Industrie beschlossene Ablehnung dieses Eindringens in die tiefsten Geheimnisse unserer Privatwirtschaft, um entweder die Schwachen, Ängstlichen und nicht auf der Höhe ihrer Leistungsfähigkeit Stehenden zu falschen Mitteilungen zu veranlassen oder den Tüchtigen, Starken und Aufrichtigen aus den Einzelheiten ihrer Preisaufstellung einen Strick zu drehen”.
Doch den wollte er sich nicht drehen lassen. Darum forderte er fürs neue Jahr 1917: „Hinweg mit Klagen und Prozessen, mit Schöffen und Schwurgerichten.” Der Kriegsminister von Hohenborn war nun weg. Jetzt galt es im neuen Jahr, den mit den Forderungen der Militärs nicht ganz kompatiblen Reichskanzler Theobald von Bethmann Hollweg aus dem Amt zu jagen. Der hatte zwar von Anfang an den Krieg ordentlich mitgemacht und befriedigende Kriegsziele entwickelt, aber jetzt – die Siege blieben aus – machte der Zivilist schlapp und setzte auf einen „Verständigungsfrieden”. Das konnte weder der Heeresleitung noch der Rüstungsindustrie recht sein, die beide solide vom Krieg genährt wurden.
Männer aus Stahl
Und so fand sich Carl Duisberg am Sonnabend, den 13. Januar 1917 – genau sechs Monate, bevor Bethmann Hollweg zurückgetreten wurde – im Düsseldorfer Industrie-Club wie schon im Vorjahr mit einer „Tischrede” vor den deutschen Schwerindustriellen und Generälen wieder. Ihm war bekannt: „Im Schützengraben kämpfen zwar Gebildete und Ungebildete, Arme und Reiche nebeneinander. Aber die Masse daselbst wird repräsentiert durch die Unterschicht. Da nun die Friedensbewegung von seiten der Sozialdemokratie” – „Friedensflennerei” hatte er so was gerade genannt – „hier in intensivster Weise betrieben worden war, musste man darauf Rücksicht nehmen.” Es sei ja ohnedies klar gewesen, „dass ein solches Angebot beim Gegner keinen Erfolg haben könnte”. „Bravo” ertönte es da von den Tischen. „Jetzt sind hoffentlich die Freunde des ewigen Friedens endgültig davon überzeugt, dass es wirklich um Sein oder Nichtsein eines jeden von uns geht.” – „Sehr richtig” lautete die Antwort aus dem Saal.
Nun sollte es wirklich möglich sein, die „fehlende Einigkeit” des deutschen Volkes wiederherzustellen, wie sie 1914 bestand: „Jetzt könnte ein starker energischer Mann an der Spitze der deutschen Reichsleitung stehend, dies mit Leichtigkeit machen.” Der rechte Moment sei schon verpasst: „Es fehlt eben dem deutschen Volke eine solche Bismarck-Natur.”
Aber da gibt es noch Hindenburg. Und den „ungehemmten U-Bootkrieg” gegen Amerika und seine Schiffe. Keine Furcht vor einer Kriegserklärung aus den Vereinigten Staaten! Lebhafter Beifall. „Jeder, der in Amerika war, weiß, dass dort nur Ellenbogen und Revolverpolitik hilft sic!.”
„Beim Militär gilt die Norm: Wenn einem Führer der Auftrag zuteil wird, und er führt ihn nicht mit Erfolg durch, ob er schuld hat oder nicht, so muss er gehen.” – „Sehr Richtig”-Rufe der Industriellen verzeichnet hier das Protokoll, alle wussten, dass Hindenburg und Ludendorff damit nicht gemeint sind. Duisberg fuhr fort: „Meine Herren, wenn nun auch in der Zivilverwaltung” – er meinte die Reichsregierung unter Bethmann Hollweg – „derselbe Grundsatz Geltung hätte, und ich hoffe, er wird einmal durchgeführt werden, dann erst wird der Spruch wirklich in Erfüllung gehen, den ein hochstehender Mann im Deutschen Reich geprägt hat: ‚Dem Tüchtigen die Bahn frei!’” Dann aber müssten „die Untüchtigen” – jeder der Industriellen verstand: Bethmann Hollweg und seine Leute – gehen, „sonst ist kein Platz für den Tüchtigen vorhanden” – für Hindenburg. Und deshalb, befahl Duisberg, „hoffe ich zuversichtlich, dass militärische Rücksichten und Grundsätze hier Platz greifen”. Den BAYER-Chef übermannte es: „Und wenn dann Männer aus Stahl nicht nur im Schützengraben, sondern an der obersten Stelle stehen, wenn dann nicht nur Glacéhandschuhpolitik, sondern Faustpolitik getrieben wird, wenn es dann zu Friedensverhandlungen kommt, brauchen wir um die Friedensziele gar keine Sorge zu haben” – ein deutsches Europa mit Siedlungsraum im Osten und in Afrika. Und Duisberg versprach der versammelten Industrie: „Sie können sich darauf verlassen, wenn Hindenburg und Ludendorff auch hierbei mitwirken, gibt es einen glänzenden Frieden für unser deutsches Vaterland.”
Und Duisberg kommandiert, wo es keiner Anweisung mehr bedarf: „In diesem Sinne bitte ich Sie, aufzustehen und zu rufen: ‚Unser deutsches Vaterland, es lebe hoch, hoch, hoch!’” Das Redeprotokoll des Industrieklubs vermerkt: „Die Versammlung stimmt begeistert ein.”
Gut drei Wochen später, am 6. Februar 1917 in München, setzte der BAYER-Chef als ehemaliger Vorsitzender des Vorstandsrates des Deutschen Museums seine Agitation gegen den Reichskanzler in Gegenwart Seiner Majestät König Ludwig III. und zahlreicher Wirtschaftsgranden fort. Er forderte eine Militärdiktatur in der Form, dass „eine starke, das allgemeine Vertrauen besitzende Persönlichkeit an die Spitze der Reichsleitung treten” müsse, die „eine einigende und fortreißende Kraft” besäße, um „uns in dem ungeheuren Kampf zum Sieg zu führen” – jeder verstand: Hindenburg soll anstelle von Bethmann Hollweg das Deutsche Reich regieren. Und nebenbei – auch das gehört dazu – verkündete Geheimrat Dr. Carl Duisberg als Vorstandsratsvorsitzender, dass „Frau Geheimrat Duisberg, Leverkusen, für die Stiftung eines Flügels” zum lebenslänglichen Mitglied des Deutschen Museums ernannt sei – die Deutschen blieben auch im Zeichen des vom Herrn Gemahl hochprofitabel belieferten Gaskrieges ein Kulturvolk.
Das Deutsche Museum war das Vorspiel. 19 Tage später treten 32 Industrielle und Militärs – der Kaiser liegt nach einer Bruchopera¬tion seit Tagen im Bett – im Berliner Adlon-Hotel zur Vorarbeit für den Putsch gegen Bethmann Hollweg an. Die Anführer sind Carl Duisberg, der bis in den Tod Hindenburg treu bleibt, und der Großindustrielle Emil Kirdorf, der es später mehr mit Hitler hält und dafür von diesem 1938 ein Staatsbegräbnis spendiert bekommt.
Auf Gewalt eingestellt
Gustav Stresemann hatte bei der Hotelleitung den Kaisersaal bestellt – für einen Vortrag über die „chemische Industrie”. Das war durchaus korrekt. Denn schon in der Einladung hieß es: „Mehr denn je ist es unsere vaterländische Pflicht, die Entlassung Bethmann Hollwegs zu verlangen.” Duisberg erklärt an diesem 25. Februar 1917 im Kaisersaal, er handle „im Einverständnis von Ludendorff und Hindenburg”. Er entwarf in seiner Rede ein Programm, das in Briefen an den Kaiser und an Ludendorff niedergelegt wurde. Darin hieß es: „Wenn es zum Gegensatz käme, entweder Hindenburg oder Bethmann, die Beseitigung Bethmanns wäre sicher (…) Wir sind ganz auf Krieg und Gewalt eingestellt, und das Beste wäre, wenn diese Sachlage auch äußerlich zum Ausdruck käme, dass der Marschall auch Kanzler wäre … Wenn der Marschall im Felde siegt, siegt auch der Kanzler in der ‚Politik’. Denn jetzt ist ‚Politik’ gleich Krieg und Krieg gleich ‚Politik’”.
Hindenburg-Biograph Wolfram Pyta glaubt: „Die Reaktion des Kaisers auf die Adlon-Versammlung offenbart indes den” – nun ja, das wird sich noch zeigen – „geringen Einfluss schwerindustrieller Interessen: Wilhelm II. reagierte erbost, wobei sich sein Zorn nicht nur gegen die teilnehmenden Industriellen richtete, denen er ‚Hochverrat’ vorwarf. Seine Wut über deren Einmischung in seine allerhöchsten Befugnisse gipfelt” – und das zu schreiben, daran konnte ihn weder ein Detlef Felken noch ein Hans-Ulrich Wehler hindern, denn Pyta wurde nicht von Beck, sondern von Siedler verlegt – „in dem Satz: ‚Das ganze Gebaren würde Mich berechtigen, die Teilnehmer an der Versammlung ohne Weiteres verhaften und nach Spandau bringen zu lassen’”. Geringer Einfluss? Wilhelm Zwo kapituliert am 17. Juli 1917 vor dem militärisch-industriellen Putsch, indem er Bethmann Hollweg, der eigentlich sein Vertrauen genießt, zwingt, seinen Rücktritt einzureichen. Sorgfältig abgestimmt mit Duisbergs Adlon-Auftritt am 25. Februar hatte dessen Freund, der Oberstleutnant Bauer, eine Denkschrift „Bemerkungen über den Reichskanzler” für Ludendorff ausgearbeitet, die der Reichsregierung vorwirft: „1. Sie hat versäumt, die Hilfsmittel des Landes rechtzeitig auf den Krieg einzustellen, und gefährdet jetzt den Ausgang des Kampfes. 2. Sie hat im Inneren verfahrene Verhältnisse geschaffen.” Und dies habe, das spricht Duisberg aus dem Herzen, zu einer bedenklichen Aufwärtsentwicklung der Löhne und zu weitgehenden politischen Forderungen geführt. Der Vorwurf gegen Bethmann Hollweg: „Statt durch starkes Zugreifen und Belehrung Ordnung zu schaffen und das Volk über seine Pflichten aufzuklären, hat sich die Regierung von den Kreisen leiten und treiben lassen, die schon im Frieden als eine Gefahr für Staat und Monarchie erkannt waren”. Anfang Juli tauchte Oberstleutnant Bauer in Berlin auf und verbreitete unter den Politikern: Hindenburg und Ludendorff hätten den Kaiser gewarnt, sie könnten nicht länger mit Bethmann zusammenarbeiten: der oder sie müssten zurücktreten. Erst als ihre Drohung durch Bauers gezielte Indiskretion in ganz Berlin verbreitet war, setzten Hindenburg und Ludendorff dem Kaiser mit einem telegraphischen Abschiedsgesuch, das sie schon am Vortag dem Kriegsminister zur Kenntnis gegeben hatten, die Pistole auf die Brust.
Der Kaiser im Krieg ohne Oberste Heeresleitung? Wilhelm musste kapitulieren und Bethmann Hollweg anweisen, seinen Rücktritt einzureichen. Duisberg und die Generale, sie hatten gesiegt, sie hatten dem Monarchen ihren Willen aufgezwungen.
Auf den Arsch gefallen
Pünktlich am 30. Januar 2017 – man hat Stil – stellte der Verlag C. H. Beck zusammen mit der Gerda-Henkel-Stiftung, die „herausragende geisteswissenschaftliche Forschungsleistungen” fördert, ein „Opus magnum” vor: „Carl Duisberg. 1861–1935. Anatomie eines Industriellen” von Werner Plumpe. Für diesen Vorsitzenden des „Wissenschaftlichen Beirats der Gesellschaft für Unternehmensgeschichte“ (GUG), die 1976 zur Abwehr „ideologisch befrachteter Historiker” gegründet wurde, ist klar, dass Duisberg in diese Angelegenheit, die man nicht mal staatsstreichartig nennen darf, nur so hineingestolpert ist.
Er hatte mit der Adlon-Gesellschaft eigentlich gar nichts zu tun, er wollte sie doch nur durch starke Worte vom Handeln abhalten. GUG-Plumpe: „Carl Duisberg nahm an der Versammlung teil, hielt eine längere Rede – und, da Teile davon” – so ein Pech – „den Behörden, vor allem aber der Öffentlichkeit umgehend bekannt wurden, erschien (!) er über Nacht (!) als Kopf einer ‚Kanzler-Fronde’, der sich nun erheblicher Kritik aus allen Teilen des Reichs ausgesetzt sah. Der Kaiser war über die Adlon-Versammlung sichtlich verärgert (…)”
Plumpe: „Am eigentlichen Sturz Bethmann Hollwegs war Duisberg nur noch mittelbar beteiligt.” Beweis: Er war an diesem Tag gar nicht in Berlin, wie ein Brief von ihm belegt: „Im entscheidenden Augenblick rutschte ich aber auf der Treppe aus und fiel derartig auf die bessere Hälfte meines Körpers, dass der Arzt den Teil wenigstens eine Nacht lang auf Eis legen ließ.” Zwar hätte er am nächsten Tag noch fahren können, aber er betrachtete seinen Fall auf den Arsch als ein „Zeichen des Himmels”, es lieber nicht zu tun, sondern „die Uhr, die ich mitaufgezogen, ruhig ablaufen zu lassen”.
Letztes Mysterium des Kapitals
Dass er im Auftrag gehandelt hatte, darüber legte Duisberg am 26. Juni 1931 in einem Brief an Hitler-Freund Kirdorf – vielleicht ungewollt – ein umfassendes Geständnis ab: „Ich habe mit Ihnen zu den größten Gegnern des Reichskanzlers v. Bethmann Hollweg gehört, habe ihn bekämpft, wo ich konnte (…)”. Ja, er, Duisberg, habe „im Auftrag des früheren Generalfeldmarschalls und jetzigen Reichspräsidenten v. Hindenburg, als sein Versuch in Pless, ihn (Bethmann Hollweg, O. K.) beim Kaiser zu Fall zu bringen, missglückt war, dann beim König von Bayern einen direkten Angriff gegen ihn unternommen”. Im Auftrag Hindenburgs – also eine zivil-militärische Zusammenarbeit beim Putsch gegen den Reichskanzler.
Auf dem Schutzumschlag des Opus magnum legt der Verlagskonzern C. H. Beck sein Bekenntnis ab: „Anhand des Lebenswegs des Carl Duisberg, des Begründers der modernen chemischen Industrie, beleuchtet Werner Plumpe dieses letzte Mysterium unseres Wirtschaftssystems”. Richtig, nämlich wie Krieg, Gasmord, Rüstungsprofit, Militärdiktatur und beginnender Faschismus sich in einer vorbildhaften Unternehmerfigur zusammenfügen.
Duisberg starb am 19. März 1935. Plumpe vermerkt: „Dabei war Hitlers Telegramm an Johanna Duisberg eher nichtssagend.“ So kann man das wirklich nicht sagen. Der Führer im Telegramm-Wortlaut: „Die deutsche Chemie verliert in ihm einen ihrer ersten Pioniere und einen erfolgreichen Führer, die deutsche Wirtschaft einen ihrer großen Organisatoren. Sein Name wird in Deutschland in Ehren weiterleben.”
Doch Adolf Hitler hat sich da getäuscht, und das betrübt den Unternehmensforschungsvorsitzenden sehr. Am Ende des Kapitels über Duisbergs „Tod und Nachleben” klagt Plumpe: „(…) und jüngst war die Coordination gegen Bayer-Gefahren, ein Zusammenschluss u. a. kritischer Aktionäre, mit ihrer Kampagne, die nach Carl Duisberg benannten Straßen und Schulen in Deutschland umbenennen zu lassen, zumindest in Dortmund erfolgreich. Anderswo laufen Verfahren, und es ist keineswegs sicher, wie sie ausgehen.”
Dieser Artikel erschien zuerst in der jungen Welt. Das Stichwort BAYER druckte ihn mit freundlicher Genehmigung des Autors und der Zeitung nach.