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BAYER streicht 5.500 Jobs

CBG Redaktion

Kapital & Arbeit

Halbjahresbilanz: Arbeitsplatzvernichtung über Plan

Anfang August 2024 legte der BAYER-Konzern seine Halbjahres-Bilanz vor. Stolz präsentierte er dabei den Erfolg seines Rationalisierungsprogramms: Die Vernichtung von rund 5.500 Arbeitsplätzen binnen eines Jahres. Die neue-sten Geschäftszahlen konnten die AktionärInnen allerdings weniger erfreuen.

Von Jan Pehrke

„[W]ir kommen schneller voran, als ich erwartet habe“, sagte BAYER-Chef Bill Anderson am 6. August 2024 bei der Präsentation der Halbjahresbilanz zum Stand der Dinge in Sachen „Arbeitsplatzvernichtung“. Das von ihm eingeführte und in Wortnebel à la „Bürokratie beseitigen“, „Strukturen verschlanken“ und „Entscheidungsprozesse beschleunigen“ gehüllte Organisationsmodell „Dynamic Shared Ownership“ (DSO) erwies sich als ein knallhartes Rationalisierungsprogramm. Ca. 5.500 Stellen fielen dem DSO seit August 2023 zum Opfer. Das Einspar-Potenzial beziffert der Konzern auf zwei Milliarden Euro ab 2026.

Kurz vor dem Termin zur Vorstellung der Halbjahresbilanz hatte der Leverkusener Multi die Zügel noch einmal angezogen. Er kündigte eine Reihe von Maßnahmen an, um „einen schnellen Austritt aus dem Unternehmen zu incentivieren“. So streicht der Global Player Beschäftigten, die auf die Abfindungsangebote nicht eingehen und ihren Platz nicht schnell genug räumen, die Boni. Darüber hinaus droht er mit Arbeitszeitverkürzungen inklusive Entgeltkürzungen. „Beschäftigte, deren Stelle entfallen ist, konzentrieren sich fortan ganz auf die Suche nach einer adäquaten neuen Beschäftigung außerhalb von BAYER beziehungsweise die dafür nötige Weiterqualifizierung. Da sie in dieser Phase keinen aktiven Beitrag für den Unternehmenserfolg leisten, sind sie von etwaigen Bonus-Zahlungen ausgenommen“, erklärte ein Sprecher des Agro-Riesen. Und nach dem 6. August machte die Aktiengesellschaft unverdrossen weiter. Sie baute in Basel, wo die Sparte „Consumer Health“ ihren Sitz hat, 150 der insgesamt 1.000 Arbeitsplätze ab. Dementsprechend geht innerhalb der Belegschaft die Angst um. „Im Konzern ist die Verunsicherung groß, Einladungen aus der Personalabteilung sind gefürchtet“, berichtete die Rheinische Post.

Gewinn: -16,5 Prozent

Mit den Zahlen zum Geschäftsverlauf konnte BAYER dagegen bei den Aktionär-Innen nicht punkten. Trotz eines schwach verbesserten Umsatzes brach der Gewinn drastisch ein. Gegenüber dem 2. Quartal 2023 sank dieser – vor Sondereinflüssen – um 16,5 Prozent auf 2,1 Milliarden Euro. Der Konzern macht dafür wenig erhellend „einen nachteiligen Produkt-Mix“ sowie negative Währungseffekte vor allem im Pharma-Bereich und höhere Rückstellungen für ManagerInnen-Boni verantwortlich.

Im Arznei-Segment stieg der Umsatz zwar um 4,5 Prozent auf 4,6 Milliarden Euro, dennoch schrumpfte der Gewinn um 4,1 Prozent auf 1,3 Milliarden Euro. Mehreinnahmen bei dem Krebs-Therapeutikum NUBEQA, dem Nieren-Präparat KERENDIA, dem Augen-Medikament EYLEA, dem Langzeit-Kontrazeptivum MIRENA, ASPIRIN CARDIO und den Röntgenkontrastmitteln standen Mindereinnahmen beim Topseller – dem Gerinnungshemmer XARELTO – gegenüber. Da dessen Patente ablaufen, steigt die Konkurrenz durch Nachahmer-Produkte. Dem „generischen Wettbewerbsdruck“ ausgesetzt, spülte XARELTO rund 100 Millionen Euro weniger in die Kassen.

Mehr Umsatz, weniger Gewinn – so stellte sich die Situation auch in der Sparte mit den frei verkäuflichen Medikamenten dar. Ein Plus von 5,3 Prozent stand einem Minus von 6,3 Prozent gegenüber. Als Gründe führte der Konzern neben Sondereinflüssen im Jahr 2023 durch Verkäufe kleinerer Marken Kostensteigerungen und negative Währungseffekte sowie höhere PR-Investitionen zur Markt-Einführung des Magenmittels IBEROGAST in den USA an. Als profit-steigernde Maßnahme bei „Consumer Health“ kündigte Anderson die Zusammenlegung der beiden Abteilungen „Forschung & Entwicklung“ und „Marketing“ an. Die WissenschaftlerInnen sind also künftig noch mehr dazu angehalten, bei ihren Experimenten nach Mitteln zu suchen, die viel Profit versprechen.

Im Agrar-Geschäft ging ein geringfügig gestiegener Umsatz (+1,1 Prozent) sogar mit einem Gewinn-Rückgang von 27,7 Prozent einher, was der Multi mit einem „nachteiligen Produkt-Mix“ erklärte. Glyphosat gereichte hier allerdings nicht zum Nachteil. Das umstrittene Herbizid verkaufte sich nämlich ausgesprochen gut. Von 486 Millionen Euro im 2. Halbjahr 2023 erhöhte sich der Umsatz auf 685 Millionen Euro im 2. Halbjahr 2024.

 Früher hatte sich BAYER stets massiv dagegen gesträubt, solche Zahlen preiszugeben. Über die Gründe für den Bewusstseinswandel lässt sich nur spekulieren. Vielleicht will der Konzern auf diese Art die Bedeutung des allerlei juristischen Anfeindungen ausgesetzten Pestizids hervorheben und so eine System-Relevanz reklamieren. Bei einem Vortrag im „Executives‘ Club of Chicago“ hatte Bill Anderson das wie folgt versucht: „Wenn Glyphosat aus dem landwirtschaftlichen System entfernt würde, dürften die Lebensmittel-Kosten für eine durchschnittliche vierköpfige Familie in den USA nach Schätzungen um mehr als 40 Prozent steigen.“ Sogar die Welternährung sei ohne Glyphosat in Gefahr, so der BAYER-Chef.

Bei den anderen Anti-Unkrautmitteln lief es dagegen deutlich schlechter. „Umsatz-Rückgänge in allen Regionen“, beklagt der Konzern. Weniger Absatz verzeichnete er auch bei den Fungiziden. Nur die Insektizide legten zu. Ein gemischtes Bild ergab sich bei den Gen-Pflanzen. Während die Soja-Gewächse für einen Zuwachs sorgten, nahm der Global Player mit seinem Labor-Mais weniger ein. „Es ist kein Geheimnis, dass der Agrar-Markt eine Herausforderung darstellt. Das haben wir auch zu spüren bekommen“, resümierte Anderson. Und auf bessere Aussichten für die Cropscience-Sparte konnte er auch nicht verweisen: „Für das zweite Halbjahr gehen wir davon aus, dass das starke Wachstum im Kerngeschäft durch deutliche Mengen-Rückgänge bei Glyphosat gedämpft wird.“

Die Rechtskomplexe

Fester Bestandteil einer jeden Bilanzpressekonferenz von BAYER sind nunmehr bereits seit Jahren die „Rechtskomplexe“ – aus gegebenem Anlass: Die kurz nach der MONSANTO-Übernahme beginnende Serie von Schadensersatz-Prozessen in Sachen „Glyphosat“ mit ihren millionen-schweren Urteilen zu Lasten des Konzerns hat die Aktie des Unternehmens zu einem bis heute anhaltenden Tiefflug ansetzen lassen. Die teuren Rechtsstreitigkeiten haben dann auch zum Arbeitsplatzvernichtungsprogramm des Konzerns geführt – schon das zweite seit 2018.

Auch die Schulden rühren größtenteils vom Großeinkauf her. Diese verringerten sich binnen der letzten drei Monate etwas auf nunmehr 36,8 Milliarden Euro. „Mittelzuflüsse aus der operativen Geschäftstätigkeit“ gibt der Quartalsbericht als Grund dafür an. Die fast komplette Streichung der Dividende hatte das Geld dafür in die Kassen gespült. Wegen der rechtlichen Risiken und Nebenwirkungen von Glyphosat erwarten BLACKROCK & Co. stets Stellungnahmen des Vorstands zum juristischen Stand der Dinge. Anderson versuchte am 6. August zu beruhigen, indem er sowohl bei Glyphosat als auch bei der Ewigkeitschemikalie PCB auf jüngste Gerichtsentscheidungen zu Gunsten des Global Players verwies.

Der Berg der Klagen schrumpfte dadurch jedoch nicht. Den US-amerikanischen Gerichten liegen immer noch rund 60.000 vor. Um „diesen Rechtskomplex im Sinne unseres Unternehmens und unserer Kunden abzuschließen“, konzentriert sich BAYER im Moment offensichtlich ganz auf die Lancierung neuer Pestizid-Gesetze in den USA und den Versuch, mit dem Supreme Court das oberste Gericht des Landes das letzte Wort in Sachen „Glyphosat“ sprechen zu lassen (siehe S. 24 ff.). „Wenn es im Gerichtssaal wirklich um Wissenschaft geht, gewinnen wir“, bemühte Anderson sich, Optimismus zu verbreiten.

Ansonsten fiel der Blick in die Zukunft an diesem Tag nicht übertrieben positiv aus. Der Agro-Riese bekundete, trotz der schlechten Zahlen an seiner – im Mai 2024 allerdings bereits nach unten korrigierten – Prognose festzuhalten. 10,2 bis 10,8 Milliarden Euro will der Multi 2024 an Gewinn einfahren, obwohl er die gesamtwirtschaftliche Lage eher düster einschätzt. „Basierend auf den Daten des Internationalen Wirtschaftsfonds (IWF) erwarten wir für das Jahr 2024 weiterhin ein unterdurchschnittliches globales Wachstum im niedrigen einstelligen Prozentbereich. Die Inflationsrisiken dürften zunehmen, ebenso wie die Handelsspannungen und die politische Unsicherheit, was zu längerfristig höheren Zinssätzen führen könnte“, so das Unternehmen. ⎜

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