Rede von Axel Köhler-Schnura
Meine Damen und Herren, guten Tag,
mein Name ist Axel Köhler-Schnura. Ich bin ehrenamtlich im Vorstand der Coordination gegen BAYER-Gefahren. Auch bin ich Gründungsmitglied des Dachverbandes der Kritischen Aktionärinnen und Aktionäre. Ich spreche für eigene und ca. 40 Tsd. von uns vertretene Aktien.
Wie diejenigen AktionärInnen unter Ihnen wissen, die schon länger an diesen HVs teilnehmen, stehe ich nun seit fast 30 Jahren als Kritischer Aktionär hier an diesem Mikrofon und thematisiere die politischen, sozialen, ökologischen und anderen Kehrseiten der BAYER-Geschäftstätigkeit. Sicher nicht zur Erbauung der GroßaktionärInnen und der Verantwortlichen im Konzern, die all das lieber unerwähnt lassen wollen.
Und so ist es nicht verwunderlich, dass der neue Vorstandsvorsitzende, Herr Dekkers, heute vormittag versucht hat, die von uns gestellten kritischen Gegenanträge abzuqualifizieren. Was mich jedoch wundert, das ist, dass er für seine Stellungnahme noch nicht einmal eigene Worte gefunden hat, sondern Buchstabe für Buchstabe die gleichen polemischen Leerformeln seiner Vorgänger in den letzten 10 Jahren benutzt hat. Damit ist Ihr Versuch, Herr Dekkers, die faktengestützten Gegenanträge zu entkräften, kläglich gescheitert. (Die Gegenanträge der Coordination gegen BAYER-Gefahren zur BAYER-Hauptversammlung, finden sich auf der Homepage des BAYER-Konzerns unter http://www.hv2011.bayer.de/de/gegenantraege.aspx /Download).
Meine Damen und Herren,
Sie werden auch heute wieder auf Grund der zahlreichen Redebeiträge hier sehen, dass die von Kritischen AktionärInnen und auch von mir gestellten Gegenanträge sehr wohl begründet sind und Gewicht haben.
Meine Damen und Herren,
im vergangenen Jahr habe ich von dieser Stelle aus gewarnt, dass Herr Dekkers „den Umbau des BAYER-Konzerns hin zu einer der großen internationalen Profit-Maschinen noch brachialer voran treiben wird als das bis dahin bereits der Fall war.“ Und heute, ein Jahr danach sehen wir, wie richtig diese Warnung war:
> Bereits unmittelbar nach der Amtsübernahme als Vorstandsvorsitzender haben Herr Dekkers den sozialen Kahlschlag eingeleitet: 4.500 Arbeitsplätze sollen an den alten BAYER-Standorten vernichtet werden.
> Zugleich fährt der Konzern in geradezu asozialer Weise seine Steuer-Verpflichtungen gegenüber der Gesellschaft – bei steigenden Gewinnen wohlgemerkt – auf ein kaum noch erwähnenswertes Minimum herunter.
111 Tsd. Beschäftigte hat BAYER zur Zeit. Vor 20 Jahren waren es mit 171 Tsd. noch fast 60 Prozent mehr. Und nun soll die Beschäftigtenzahl nochmals um 4 Prozent sinken. Selbst sicherheitsrelevante Bereiche werden von den ständigen Stellenstreichungen nicht ausgespart. Und in den USA und anderswo werden bevorzugt Fabriken mit organisierter Arbeiterschaft geschlossen. Lag zugleich der Umsatz 1990 bei 21 Milliarden Euro so hat er sich bis heute um fast 70 Prozent auf 35 Milliarden Euro gesteigert. Das alles geht auf die Knochen der Beschäftigten.
Herr Dekkers, wie sieht es mit der Arbeitsverdichtung aus? Bitte erzählen Sie uns etwas zu den Überstunden? Und zur „Arbeitsproduktivität“. Wie entwickelt sich diese pro Beschäftigten und pro Arbeitsstunde etwa im Zehnjahresvergleich?
Im Geschäftsbericht verkündet BAYER für das aktuelle Jahr einen Gewinn von sage und schreibe 20,2 Prozent des Umsatzes. Entsprechend der auf 7,5 Mrd. Euro gestiegenen Gewinne sollen den AktionärInnen heute 1,2 Mrd. Euro ausgeschüttet werden. Dazu muss man wissen: Die AktionräInnen halten zusammen ein Kapital von 2,1 Mrd. Euro. Damit beträgt die Ausschüttung 57 Prozent. Das ist nicht anders als unanständig zu bezeichnen.
Insbesondere, wenn zugleich die von BAYER gezahlten Steuern auf ein lächerliches Minimum sinken: Lagen die Ertragssteuern und damit der Beitrag zum Gemeinwohl zwischen 1997 und 2000 noch bei umgerechnet rund einer Milliarde Euro jährlich, so fielen sie 2009 auf 511 Millionen Euro und wurden nun weiter auf 411 Millionen Euro reduziert. Das ist gerade einmal ein Drittel der Dividendensumme! Der Konzern entzieht sich derart gezielt seiner Verantwortung für die Allgemeinheit. Zu Lasten der arbeitenden Bevölkerung, die über steigende Steuern und Abgaben die Zeche zahlen muss. Steuern von 411 Mio. Euro decken – das wird auf den ersten Blick deutlich – noch nicht einmal die durch den Konzern hervorgerufenen gesellschaftlichen Kosten der Infrastruktur, Verwaltung, Kontrolle etc..
Nun sagten Sie Herr Dekkers heute morgen in Ihrer Stellungnahme zu unseren Gegenanträgen: Steuern würden nicht von Ihnen, sondern vom Gesetzgeber beschlossen.
Herr Dekkers, das ist lächerlich! – Und ich sage Ihnen auch wieso: Wir alle hier im Saal erinnern uns noch allzu gut daran, wie vor einigen Jahren bekannt wurde, dass der BAYER-Finanz-Experte Heribert Zitzelberger im Bundesfinanzministerium die Steuergesetze geschrieben hat, die nicht nur BAYER goldene Bilanzen bescherten. Und im übrigen, Herr Dekkers, ist es doch für jedes Kleinkind inzwischen klar, dass Steuergesetze von den Konzernen gemacht werden und nicht vom „Gesetzgeber“.
Meine Fragen also: Wann beenden Sie diese geradezu asoziale Bereicherung der AktionärInnen zu Lasten der Allgemeinheit?
Meine Damen und Herren,
wir erlebten seit der letzten BAYER-Hauptversammlung neben vielen verheerenden Desastern und schrecklichen Unfällen aller Art zwei Menschheitskatastrophen, die den Planeten in wirklich dramatischer Weise weiter an den Rand des Kollaps getrieben haben: Die Explosion der Deepwater Horizon und die Kernschmelze in Fukushima. Beides geschah in Verantwortung zweier großer Konzerne, alles geschah vor dem Hintergrund von Shareholder Value, Konzernprofiten und Goldenen Bilanzen.
Ich weiß, dass ich hier an einem BAYER-Mikrofon stehe und die genannten Katastrophen von anderen Konzernen zu verantworten sind. Aber was hier angesprochen werden muss, das ist, dass BAYER gleich mehrere durchaus vergleichbare Menschheitskatastrophen „in der Pipeline“ hat – wie es so schön in Konzerndenglisch heißt; und dass, wenn kein Kurwechsel vollzogen wird, es nur eine Frage der Zeit ist, bis sie in gleicher Weise über die Welt hereinbrechen wie Fukushima und Deepwater Horizon. Gemeint sind die Gentechnik und die Nanotechnologie. Und gemeint ist die gleich mehrfache Verantwortung des BAYER-Konzerns für das seit nunmehr fast zwei Jahrzehnte andauernde Bienensterben.
Herr Dekkers, auch zum Bienensterben haben Sie heute morgen Stellung genommen. Und ich muss sagen, in ausgesprochen verantwortungsloser Weise. Denn Sie haben die Verantwortung des Konzerns schlichtweg geleugnet.
Ich möchte mit Ihnen, Herr Dekkers, nicht in einen müsigenWissenschaftsstreit eintreten. Gleichwohl möchte ich die Vereinten Nationen als hoffentlich auch von Ihnen unumstritten anerkannte Autorität zitieren. Die UN nennen drei Gründe für das bedrohliche Bienensterben: Pestizide, Industrialisierung der Landwirtschaft und Parasiten. Und nun kommt es: Auf allen drei Gebieten trägt der Konzern die maßgebliche Verantwortung:
> Als Weltmarktführer übergießt BAYER die Welt seit rund hundert Jahren mit jährlich Millionen und Abermillionen Tonnen von Pestiziden.
> Als führender Agro-Konzern treibt BAYER die Industrialisierung der Landwirtschaft seit der gleichen Zeit in brutalstmöglicher Weise bis in den hintersten Winkel des Planeten voran.
> Und schließlich hat BAYER mit Pestiziden und industrialisierter Landwirtschaft dafür gesorgt, dass die Bienen derart vergiftet und geschwächt sind, dass sie den ökologisch ganz normalen Parasiten nicht mehr standhalten können.
Und so sterben die Bienenvölker von Asien und Afrika bis nach Europa, von Amerika bis nach Australien. Immer rascher, immer umfangreicher.
Wobei BAYER sich trotz aller weltweiten und massiven Proteste in beispielloser Unverschämtheit weigert – im Namen der Profite natürlich – die unmittelbar ursächlichen Pestizide wie Gaucho und Poncho vom Markt zu nehmen und seine Agrarstrategie endlich zu ökologisieren. Sie Herr Dekkers, haben da heute wieder ein beschämendes Beispiel dafür gegeben.
Meine Damen und Herren,
auch wenn die Bienen nur kleine Mitbewohner unseres Planeten sind – ohne sie können wir einpacken. Sie sind nämlich maßgeblich verantwortlich für die Bestäubung der Pflanzenwelt und damit für die weltweite Lebensmittelproduktion. Ohne Bienen keine Lebensmittel – so einfach ist das. Und wenn der kritische Punkt überschritten ist, dann haben wir eine BAYER-verursachte Menschheitskatastrophe!
Deshalb meine Fragen:
Herr Dekkers, wann nehmen sie die von Ihnen produzierten und vertriebenen Bienengifte vom Markt? Wann ökologisieren Sie ihren agrarwirtschaftlichen Bereich?
Meine Damen und Herren,
ich könnte hier noch sehr viel über Ihre Verantwortung als AktionärInnen und verantwortliche Manager dieses Konzerns für Umweltzerstörung, Ruin menschlicher Gesundheit bis hin zum Tod, Ausbeutung, Krieg usw. sprechen – allein die Regularien dieser Versammlung erlauben es nicht.
Und so komme ich zu meinen bzw. unseren Anträgen. Die folgenden Gegenanträge zu den Anträgen des Vorstands stellen mit mir die Coordination gegen BAYER-Gefahren, der Dachverband der Kritischen AktionärInnen und viele AktionärInnen, die mich bzw. uns beauftragt haben.
Zunächst zum Gewinnantrag:
Wir beantragen die Kürzung der Dividende von 1,50 Euro auf 10 Cent je Aktie. Die frei werdenden Milliarden sollen verwendet werden
> für Erhalt und Schaffung sicherer Arbeitsplätze und für die Zahlung sozial gerechter Löhne;
> für einen Fonds zum angemessenen Ausgleich von Schäden, die infolge der Geschäftstätigkeit an Mensch und Umwelt eingetreten sind;
> für den umfassenden ökologischen und sozialen Umbau des Konzerns ohne doppelte Standards.
> und schließlich für die Zahlung von Wiedergutmachungen für die Verbrechen von BAYER und des von BAYER mitbetriebenen IG FARBEN-Zusammenschlusses an die Opfer bzw. deren Angehörige und Nachkommen.
Es sei wie jedes Jahr angemerkt, daß wir durchaus auch den völligen Verzicht auf jede Dividendenausschüttung im Sinne der erläuterten Sozial-, Menschenrechts- und Ökologie-Leistungen beantragen würden, doch nach der Lage der Gesetze ist das nicht möglich.
Meine Damen und Herren,
wir stellen weiterhin die Anträge, den Vorstand nicht zu entlasten und auch dem Aufsichtsrat die Entlastung zu verweigern. Wir begründen diese Nicht-Entlastungen damit, dass beide Gremien ihrer Verantwortung im dargelegten Sinne in keiner Weise gerecht wurden und uns zudem hier im Saal in die Irre führen. Ich bedauere es sehr, dass auch die GewerkschaftsvertreterInnen im Aufsichtsrat kein besseres Bild abgeben. Noch nicht einmal hinsichtlich des Schutzes und der Sicherung angemessener Arbeitsbedingungen.
Und an dieser Stelle noch drei letzte Fragen: Weshalb wird eigentlich die Dokumentation der Abstimmungsergebnisse von HV zu HV immer kürzer? Weshalb werden die Enthaltungen nicht sauber dokumentiert? Weshalb werden auf der Internetseite nicht die Abstimmungsergebnisse mindestens für die letzten beiden Dekaden mitgeteilt?
Meine Damen und Herren,
ich wende mich zuvorderst an die Kleinaktionäre und Kleinaktionärinnen hier im Saal. Wenngleich ich weiß, dass wir immer wieder auch von größeren und sogar veritablen GroßaktionärInnen unterstützt werden.
Meine Damen und Herren,
bitte lassen Sie sich nicht von Geld und Dividende leiten. Sie tragen als AktionärInnen Verantwortung für die gesellschaftlichen Folgen der Tätigkeit dieses Konzerns. Stimmen Sie deshalb bitte mit uns bei ALLEN Anträgen mit NEIN. Stärken Sie so mit ihren Aktien das wichtige Signal für soziale Sicherung, Umweltschutz und Menschenrechte.
Meine Damen und Herren,
sollten Sie die HV vorzeitig verlassen, aber dennoch mit uns stimmen wollen, so lassen Sie bitte Ihre Aktien nicht von BAYER unten am Ausgang vertreten, sondern von uns. Lassen Sie sich auch nicht von BAYER-Mitarbeitern bedrängen, die Ihnen die Stimmrechte abfordern, wenn Sie den Saal verlassen. Es ist Ihr gutes Recht, uns Ihre Stimmrechte zu übertragen. Sie finden uns hier vorne, von Ihnen aus gesehen links.
Vielen Dank.
Antwort des Vorstandsvorsitzenden
(auszugsweise, zitiert nach Erinnerung)
Herr Köhler-Schnura, Ihre pauschalen Vorwürfe zeigen, dass Sie etwas gegen soziale Marktwirtschaft, Pressefreiheit und Demokratie haben. Es zeigt ihre kommunistische Gesinnung, die sich grundsätzlich von unserer Haltung unterscheidet. Zudem habe ich mir sagen lassen, ich bin neu im Unternehmen und war bei vorherigen Hauptversammlungen nicht dabei, dass Sie Ihre Vorwürfe schon oft vorgetragen haben. Im übrigen wiederhole ich: Steuergesetzgebung wird nicht von uns, sondern vom Gesetzgeber gemacht. Dass Sie BAYER in die Nähe von Atom-Katastrophen rücken, zeigt wie Sie die Realität verkennen.