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Veröffentliche Beiträge von “CBG Redaktion”

[Ticker] STICHWORT BAYER 04/2014 – TICKER

CBG Redaktion

AKTION & KRITIK

Erfolgreiche Jahrestagung
2014 fand die Jahrestagung der COORDINATION GEGEN BAYER-GEFAHREN (CBG) zum Thema „No Taxes – Die Steuerflucht großer Konzerne“ in einem etwas anderen Rahmen als gewohnt statt. Der Coordination war es nämlich gelungen, Sahra Wagenknecht von der Partei „Die Linke“ als Gastrednerin zu gewinnen, weshalb die CBG die Veranstaltung in den Bürgersaal der Düsseldorfer Arcaden verlegte. Und die Bundestagsabgeordnete enttäuschte die Erwartungen der 160 BesucherInnen nicht. Imposant schilderte sie die ganz legalen Steuertricks der Global Player, denen es gelingt, sich vornehmlich durch interne Geschäfte mit Waren, Krediten und Lizenzen so arm zu rechnen, dass – wie im Fall von IKEA – für den Fiskus gerade mal fünf Prozent vom Gewinn übrig bleiben. Axel Köhler-Schnura vom Vorstand der CBG skizzierte im Anschluss den größeren politischen Rahmen, der dieses Treiben überhaupt erst ermöglicht, und illustrierte schließlich am konkreten Beispiel „BAYER“ die gängigen Steuervermeidungsstrategien wie etwa diejenige, die BAYERs Finanz-Vorstand Werner Baumann „eine veränderte regionale Ergebnis-Verteilung“ nennt. Nach den Vorträgen entwickelte sich dann noch eine lebhafte Diskussion, so dass die BesucherInnen am Ende angeregt, ein bisschen klüger und hoffentlich motiviert zu einem Engagement gegen die Machenschaften von BAYER & Co. ihre Heimreise antraten.

CBG-Vortrag in Tutzing
Im August 2014 hatte die „Politische Akademie Tutzing“ die COORDINATION GEGEN BAYER-GEFAHREN (CBG) zu einem Vortrag eingeladen. CBG-Geschäftsführer Philipp Mimkes referierte im Rahmen des Seminars „Werte-Bildung im Chemie-Unterricht“ vor größtenteils promovierten ChemikerInnen zum Thema „Bewertung der Risiken der chemischen Industrie“. Über drei Stunden berichtete Mimkes über die Gefährdungspotenziale bei BAYER & Co. Aber auch danach erlahmte das Interesse nicht, so dass sich im Anschluss an den Beitrag noch eine intensive Diskussion entspann. Die Seminar-Leitung freute sich über den ganzen Input und bot der Coordination an, sie bei passender Gelegenheit wieder nach Tutzing zu holen.

Nobelpreis für Kailash Satyarthi
In diesem Jahr erhielt Kailash Satyarthi, der langjährige Vorsitzende des GLOBAL MARCH AGAINST CHILD LABOUR, für sein Engagement gegen die Kinderarbeit den Friedensnobelpreis. Die COORDINATION GEGEN BAYER-GEFAHREN (CBG) lernte den Inder 2003 durch eine Kooperation kennen. Sie gab in diesem Jahr gemeinsam mit dem GLOBAL MARCH und dem INDIA COMMITTEE OF THE NETHERLANDS eine Studie heraus, welche unter anderem das große Ausmaß von Kinderarbeit auf den Feldern eines Zulieferers von BAYER CROPSCIENCE dokumentierte. Auch den Offenen Brief an den damaligen BAYER-Chef Werner Wenning mit der Forderung, diese Praxis nicht länger zu dulden, unterschrieb die indische Initiative mit. So trug sie mit dazu bei, durch politischen Druck eine deutliche Verbesserung der Situation zu erreichen. Deshalb freute sich die CBG sehr über die Stockholmer Entscheidung und sandte Kailash Satyarthi herzliche Glückwünsche.

BUKO-Veranstaltung zu Uganda
Die BUKO Pharma Kampagne hat eine neue Studie zur Geschäftspraxis der drei Pharma-Riesen BAYER, BOEHRINGER und BAXTER in Uganda herausgegeben. Im Spätsommer 2014 kam mit Denis Kibira ein Mitwirkender an der Untersuchung aus Afrika nach Deutschland, um persönlich ein Bild von der Situation vor Ort zu geben. Am 6. September machte der Apotheker und Geschäftsführer der Initiative COALITION FOR HEALTH PROMOTION AND SOCIAL DEVELOPMENT in der Kölner Alten Feuerwache Station, und die COORDINATION GEGEN BAYER-GEFAHREN (CBG) trat aus gegebenem Anlass als Mitveranstalter auf. Von BAYER wusste Kibira nur wenig Gutes zu berichten. Der Leverkusener Multi bietet für die in Uganda am weitesten verbreiteten Gesundheitsstörungen kaum Arzneien an, weil er sich in Forschung & Entwicklung lieber auf die mehr Rendite versprechenden Mittel gegen westliche Zivilisationskrankheiten konzentriert. Zudem vermarktet der Konzern in dem Land viele umstrittene und deshalb als irrational eingestufte Pharmazeutika: 21 von 49 Medikamenten fallen unter diese Kategorie. Zu den als unentbehrlich erachteten Mitteln des Global Players hingegen hat die Bevölkerung wegen der hohen Preise kaum Zugang; sie finden sich zumeist nur in Privatkliniken und Privat-Apotheken.

ESSURE-Kampagne zeigt Wirkung
Bei ESSURE, BAYERs ohne Hormone auskommendes Mittel zur Sterilisation, handelt es sich um eine kleine Spirale, deren Kunststoff-Fasern für ein so großes Wachstum des Bindegewebes sorgen sollen, dass sich die Eileiter verschließen. Allzu oft jedoch bleibt die Spirale nicht an dem vorgesehenen Ort, sondern wandert im Körper umher und verursacht Risse an den Wänden innerer Organe, was zu lebensgefährlichen inneren Blutungen führen kann. Auch Hautausschläge, Kopfschmerzen, Übelkeit und Allergien zählen zu den Nebenwirkungen Darum zieht ESSURE viel Kritik auf sich. So hat in den USA die Aktivistin Erin Brockovich, die durch einen Hollywood-Film über ihr Umwelt-Engagement zu großer Popularität gelangte, eine Kampagne gegen das Medizin-Produkt initiiert. Ihre Landsmännin Michelle Garcia setzte das Thema sogar auf die Tagesordnung der letzten Hauptversammlung des Leverkusener Multis. Auch im Internet verbreitet sich der Protest. Die FACEBOOK-Gruppe „Essure Problems“ hat aktuell über 11.000 Mitglieder. Das alles zeigt Wirkung – die Umsätze entwickeln sich nicht so wie erhofft. Die genauen Zahlen wollte der Konzern dem Internet-Portal Fierce Medical Devices wohlweislich nicht nennen. Selbst bei der Investoren-Konferenz im Juli 2014 musste das Unternehmen eingestehen: „Es gibt ein paar Klagen in den sozialen Medien, aber die Dinge bessern sich.“

Protest gegen „Food Partnership“
Die bundesdeutsche Entwicklungshilfe-Politik setzt auf Kooperationen mit der Privatwirtschaft. So hat das „Bundesministerium für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung“ (BMZ) mit dem Leverkusener Multi, BASF, SYNGENTA und ca. 30 weiteren Konzernen die „German Food Partnership“ (GFP) gegründet (SWB 4/13). Staatliche Mittel fließen unter anderem in zwei Projekte mit BAYER-Beteiligung, die „Better Rice Initiative in Asia“ (BRIA) und die „Competitive African Rice Initiative“ (CARE). Diese dienen dem Agro-Riesen als Vehikel, um seinen nach einer agro-industriellen Produktionsweise verlangenden, nicht zur Wiederaussaat geeigneten Hybrid-Reis zu vermarkten. Am 15. Oktober 2014, dem Welternährungstag, protestierten die Initiativen OXFAM und FIAN gegen die GFP. Um die fatalen Auswirkungen des Joint Ventures zu illustrieren, ließen die Organisationen Doubles von Bundeskanzlerin Angela Merkel und Entwicklungshilfe-Minister Gerd Müller mit einer Riesen-Kugel, auf der die Namen von BAYER, BASF und MONSANTO prangten, Kleinbauern und Kleinbäuerinnen wegkegeln. „Mehr als die Hälfte aller weltweit Hungernden sind Kleinbäuerinnen und -bauern. Mit ihnen sollte die Bundesregierung gezielt zusammenarbeiten. Konzerne mit Steuergeldern zu fördern, ob direkt oder indirekt, macht niemanden satt außer die Konzerne selbst“, so David Hachfeld von OXFAM.

Mehr unabhängige Arznei-Forschung!
Der an der Universität Mainz tätige Mediziner Peter Galle hat in der Faz die zu große Abhängigkeit seiner Zunft von BAYER & Co. beklagt. So sei das Mitwirken von ÄrztInnen bei Arznei-Tests „von Abhängigkeiten und Vorbedingungen belastet, die einer objektiven Wissensvermehrung im Wege stehen können“, schreibt Galle und nennt als Beispiel die „Anpassung des Studien-Designs auf eine Effekt-Maximierung“. Zudem verhindert die Ausrichtung der Konzerne auf profitable Medikamente seiner Meinung nach die Entwicklung von Präparaten für kleinere PatientInnen-Gruppen. Angesichts der zu geringen Ausstattung der Universitätskliniken und zu kleiner Fördersummen der „Deutschen Forschungsgemeinschaft“ fordert er die Politik zu mehr Investitionen in unabhängige Pharma-Forschung auf. Und auch den Pillen-Riesen verlangt er einen Obolus zu dieser ab.

DUOGYNON: Kritik an BAYER
Der hormonelle Schwangerschaftstest DUOGYNON der heute zu BAYER gehörenden Firma SCHERING hat ab den 1950er Jahren zu tausenden Todgeburten geführt. Darüber hinaus kamen unzählige Kinder mit schweren Missbildungen zur Welt. Der Lehrer Andre Sommer forderte den Leverkusener Multi deshalb stellvertretend für andere Betroffene auf, ihm Einblick in die DUOGYNON-Akten zu gewähren. So wollte er feststellen, welche Kenntnis der Konzern von der verheerenden Wirkung des Mittels hatte, um dann Schadensersatz-Ansprüche prüfen zu können. Der Pharma-Riese weigerte sich allerdings, und auch per Klage erreichte Sommer keine Öffnung der Archive. Der Leiter des „Bundesinstitutes für Arzneimittel und Medizinprodukte“, Walter Schwerdtfeger, kritisiert die Haltung des Unternehmens. Auf die Frage der WirtschaftsWoche: „Ist es nachvollziehbar, dass BAYER die Akten zu einem Hormon-Präparat nicht herausrückt, das etliche Patienten geschädigt haben soll?“, gibt der Biologe eine klare Antwort. „Es dürfte für BAYER schwer werden, die Akten dauerhaft zurückzuhalten. Grundsätzlich müssen die Unternehmen anerkennen, dass die Öffentlichkeit einen Anspruch auf solche Daten hat“, so Schwerdtfeger.

KAPITAL & ARBEIT

BAYER stößt Kunststoff-Sparte ab
Jahrelang hatten die Finanzmärkte den Leverkusener Multi mit der Forderung konfrontiert, sich von seiner Kunststoff-Sparte BAYER MATERIAL SCIENCE (BMS) zu trennen und auch konkrete Maßnahmen ergriffen, um den Konzern zum Verkauf zu bewegen. So belegten sie Aktien von Mischkonzernen wie BAYER mit einem Konglomeratsabschlag. Aber erst jetzt, da der Einfluss von Finanzinvestoren wie BLACKROCK auf den Global Player so groß ist wie nie, gab er dem Druck nach und kündigte an, BMS an die Börse bringen zu wollen (siehe SWB 4/14). Die IG BERGBAU, CHEMIE, ENERGIE versuchte, dagegen vorzugehen, musste sich aber geschlagen geben. „Die durch uns kritisierte Abkehr von der Drei-Säulen-Strategie ist durch die Arbeitnehmer-Vertreter im Aufsichtsrat, trotz intensivster Beratungen, nicht zu verhindern gewesen“, erklärten die GewerkschaftsvertreterInnen. Das Management hatte angekündigt, den Bereich sonst finanziell auszuhungern. Ein klarer Fall von Erpressung also. Dabei hatte die Belegschaft in der Vergangenheit viele Opfer gebracht, um das Geschäftsfeld im Unternehmensverbund halten zu können. Über 2.000 Beschäftigte verloren ihren Arbeitsplatz, der Rest musste eine untertarifliche Bezahlung, das Streichen von Bonus-Zahlungen und immer neue Rationalisierungsprogramme über sich ergehen lassen. Alles umsonst, wie sich jetzt herausstellt.

BLACKROCK schreibt BAYER & Co.
BLACKROCK ist der weltweit größte Finanzinvestor und besitzt von fast allen Global Playern Aktien (siehe SWB 4/14). An BAYER hält er rund 30 Prozent der Geschäftsanteile. Seine Einfluss macht BLACKROCK-Chef Laurence Fink unter anderem durch an die Vorstandschefs „seiner“ Unternehmen adressierte Briefe geltend. Im März 2014 erhielten der Leverkusener Multi und die anderen Konzerne ein Schreiben, in dem Fink gnädigerweise konzedierte, auf schnelles Geld durch kurzfristrige Anlage-Strategien verzichten zu wollen. Aktien-Rückkäufe und Verschuldungen zwecks Dividenden-Erhöhungen anstelle von Investitionen in die Zukunft seien deshalb nicht in seinem Sinne, bedeutete der US-Amerikaner den ManagerInnen. Im Gegenzug verlangte er von den Bossen aber, ihm für eine mehr auf längerfristiges Wachstum angelegte Firmen-Politik gut ausgearbeitete Business-Pläne mit überprüfbaren Zielvorgaben vorzulegen, „um das geduldige Kapital anzuziehen, das sie haben wollen“.

4,83 Millionen für Dekkers
Im Geschäftsjahr 2013 strich BAYER-Chef Marijn Dekkers ein Salär von 4,83 Millionen Euro ein. Dazu kommen noch Pensionszusagen in Höhe von 677.000 Euro. Seine drei Vorstandskollegen verdienten zusammen 8,7 Millionen Euro und ein „Ruhegeld“ von 594.000 Euro.

BAYER kann nicht forschen
„BAYER ist ein Innovationsunternehmen von Weltrang“ tönte der Vorstandsvorsitzende Marijn Dekkers 2013 auf der Hauptversammlung des Konzerns. Tatsächlich aber hat das Unternehmen mit der Forschung so seine liebe Mühe. „Wir sind gut in der Entwicklung, aber nicht so gut in der Forschung“, gesteht Forschungsvorstand Kemal Malik ein. Darum arbeitet der Global Player seit einigen Jahren verstärkt mit Hochschulen und anderen wissenschaftlichen Einrichtungen zusammen. 2012 existierten allein im Pharma-Bereich 326 solcher Kooperationen.

Ein Kind der Großchemie
Seit Januar 2014 hat Frank Löllgen den Vorsitz des Nordrhein-Bezirkes der IG BERGBAU, CHEMIE, ENERGIE (IG BCE) inne und ist damit auch für BAYER zuständig. Löllgen kennt den Leverkusener Multi sehr gut. Er hat dort eine Ausbildung zum Chemie-Laboranten gemacht und seinen Förderer, den heutigen IG-BCE-Vorsitzenden Michael Vassiliadis, kennengelernt. Eine besonders kritische Haltung hat der 52-Jährige zum Global Player nicht. Zu seiner 2011 erfolgten Berufung zum Leverkusener Bezirksleiter der Chemie-Gewerkschaft sagt er rückblickend: „Ich bin ein Kind der Großchemie. Dieses Gebiet mit BAYER zu übernehmen, war eine Auszeichnung.“

Betriebsrat muss putzen
Zwischen der IG BERGBAU, CHEMIE, ENERGIE (IG BCE) und alternativen Gewerkschaftsgruppen wie dem BELEGSCHAFTSTEAM gab es in der Vergangenheit öfters Konflikte. „Wir brauchen in der Opposition keine Opposition“, meinte etwa der heutige Betriebsratsvorsitzende des Leverkusener BAYER-Werkes, Oliver Zühlke, als das BELEGSCHAFTSTEAM und die KOLLEGINNEN UND KOLLEGEN FÜR EINE DURCHSCHAUBARE BETRIEBSRATSARBEIT bei den Betriebsratswahlen 2010 einer Personen- statt Gruppenliste nicht zustimmen mochten, weil die Organisationen befürchteten, dabei ihre Kenntlichkeit zu verlieren. Diese Animositäten könnten jetzt zu einer Auseinandersetzung beigetragen haben, die bis vor das Arbeitsgericht ging. Ein BELEGSCHAFTSTEAM-Betriebsratsmitglied hatte dort gegen BAYER und den Betriebsrat geklagt, weil er nach der Wahl seinen Status als freigestellter Beschäftigten-Vertreter verloren hatte und trotz 40-jähriger Betriebszugehörigkeit plötzlich „als bestbezahlte Putzfrau bei BAYER“ arbeiten musste. Zühlke gab zwar formale Fehler bei der Personalausschuss-Entscheidung auf Aberkennung der Freistellung zu, erklärte sie aber trotzdem für rechtmäßig. Die Richterin forderte die drei Parteien auf, eine außergerichtliche Einigung bei einem Streitschlichtungsgremium zu suchen.

IG BCE vs. VAA
In der Chemie-Industrie wächst der Anteil der Beschäftigten mit hohen Bildungsabschlüssen, während der Anteil der weniger gut qualifizierten Betriebsangehörigen sinkt. Deshalb machen sich die IG BERGBAU, CHEMIE, ENERGIE (IG BCE) und der „Verband angestellter Akademiker und leitender Angestellter in der chemischen Industrie“ (VAA) zunehmend Konkurrenz. Die IG BCE versucht, in die Domäne des eher rechts von ihr stehenden VAA einzudringen. So machte sich ihr Vorsitzender Michael Vassiliadis jüngst die sonst vornehmlich in bürgerlichen Kreisen kursierende Forderung nach Abschaffung der kalten Progression, also des möglichen Auffressens einer Lohn-Erhöhung durch eine steuerliche Mehrbelastung, zu Eigen, was ihm allerdings Kritik von vielen GewerkschaftskollegInnen eintrug. DGB-Chef und BAYER-Aufsichtsrat Reiner Hoffmann trägt diese Strategie jedoch mit und betont: „Wir wollen nicht mehr nur mit Mindestlohn und Prekariat identifiziert werden.“ Der VAA indes hat es auch nicht mehr nur auf Belegschaftsmitglieder aus den Top-Etagen abgesehen und sammelt eifrig Betriebsratssitze. So haben VAAlerInnen an den BAYER-Standorten Berlin, Frankfurt und Bergkamen Mandate errungen. Vasiliadis kritisierte das Vorgehen des Verbandes in einem Brief an VAA-Hauptgeschäftsführer Gerhard Kronisch scharf. „Für uns ist irritierend, in welchem Umfang der VAA mit eigenen Listen bei den zurückliegenden Betriebsratswahlen außerhalb seiner Stamm-Klientel angetreten ist“, ereiferte er sich.

ERSTE & DRITTE WELT

Bienenkiller in kleinen Dosen
BAYERs Insektizid THUNDER enthält den für das weltweite Bienensterben mitverantwortlichen Wirkstoff Imidacloprid. In Afrika will der Konzern dieses Mittel jetzt für weniger als einen Dollar auch in Mini-Packungen anbieten, um sich den Markt für Kleinbauern und -bäuerinnen besser zu erschließen. Für die bedrohte Insekten-Art bedeutet das nichts Gutes.

IG FARBEN & HEUTE

Gedenkort für Euthanasie-Opfer
Die vom Leverkusener Multi mitgegründeten IG FARBEN haben nicht nur das Zyklon B für die Vergasung der Juden im „Dritten Reich“ geliefert. Der Mörder-Konzern hatte auch für die Euthanasie, der mehr als 100.000 behinderte oder psychisch kranke Menschen zum Opfer fielen, den passenden Rohstoff im Angebot. Er stellte für die „Aktion T4“ – benannt nach der Berliner Adresse des Planungszentrums für den Massenmord, das sich in der Tiergartenstr. 4 befand – das Kohlenmonoxid zur Verfügung. Im November 2011 entschied der Bundestag, in würdigerer Form als bisher an die „Aktion T4“-Toten zu erinnern und einen Gedenk- und Informationsort an der Tiergartenstraße zu errichten. Am 2. September 2014 fand die feierliche Eröffnung im Beisein des Berliner Bürgermeisters Klaus Wowereit und der Kulturstaatsministerin Monika Grütters statt.

Platz nach Norbert Wollheim benannt
Im Jahr 2001 ging das Frankfurter IG-FARBEN-Haus in den Besitz der „Johann Wolfgang von Goethe-Universität“ über. Seit dieser Zeit traten Studierende und Lehrende dafür ein, die mahnende Erinnerung an den von BAYER mitgegründeten Mörderkonzern wachzuhalten, indem die Hochschule den ehemaligen IG-Zwangsarbeiter Norbert Wollheim ehrt. Die Leitung wehrte sich aber erfolgreich dagegen, den zentralen Platz auf dem Gelände nach dem Mann zu benennen, der durch seinen 1951 begonnenen Musterprozess Entschädigungszahlungen für die SklavenarbeiterInnen den Weg ebnete. Stattdessen errichtete sie mit dem „Norbert Wollheim Memorial“ eine Gedenkstätte für ihn (siehe SWB 1/09). Die Studenten und Studentilannen erhielten ihre Forderung jedoch aufrecht und gaben der Alma Mater etwa 2009 im Zuge des damaligen Bildungsstreits symbolisch den Namen „Norbert Wollheim Universität“. Und ihre Beharrlichkeit zahlte sich aus. Überlebenden-Gruppen, das „Fritz-Bauer-Institut“ und die „Jewish Claim Conference schlossen sich den Studierenden an, und 2014 gab die Universitätsleitung schließlich nach: Sie entschied sich, als Adresse fortan nicht mehr „Grüneburg-Platz 1“, sondern „Norbert-Wollheim-Platz 1“ zu führen.

POLITIK & EINFLUSS

TTIP: BAYER antichambriert
Bei den Verhandlungen zum Freihandelsabkommen der EU mit den USA diktieren die Multis den PolitikerInnen die Agenda. Allein von Anfang 2012 bis April 2013 fanden 130 Treffen der VerhandlerInnen mit Konzern-VertreterInnen oder Unternehmensverbänden in Sachen „TTIP“ statt. Diejenigen Lobby-Organisationen, denen BAYER angehört, sprachen nach Recherchen des CORPORATE EUROPE OBSERVATORY besonders oft vor. „Business Europe“, der europäische Chemie-Verband CEFIC, der „US Chamber of Commerce“ und der „Bundesverband der deutschen Industrie“ – diese Lobby-Vereinigungen hatten die meisten Gesprächstermine mit der „Generaldirektion Handel“ der EU. Dabei dürften auch solche „Handelshemmnisse“ auf der Tagesordnung gestanden haben, die dem Leverkusener Multi besonders im Wege stehen wie etwa strenge Sicherheitsauflagen für Genpflanzen, Pestizide und andere Chemikalien.

BAYER sponsert RepublikanerInnen
Im Jahr der Wahlen zum US-Kongress spendete BAYER bis zum Oktober 2014 über 325.000 Dollar an PolitikerInnen. RepublikanerInnen, die für das Repräsentantenhaus kandidierten, erhielten 158.000 Dollar vom Konzern, ihre demokratischen KonkurrentInnen 55.000 Dollar. Republikanische SenatsaspirantInnen bedachte der Pharma-Riese mit 53.000 Dollar, ihre demokratischen Pendants mit 33.000 Dollar.

Auf der Bilderberg-Gästeliste
Bei der jährlich stattfindenden Bilderberg-Konferenz handelt es sich um eine Zusammenkunft hochrangiger PolitikerInnen und WirtschaftsmanagerInnen aus den Industrie-Nationen. 1980 stand der damalige BAYER-Chef Herbert Grunewald auf der Gästeliste und 2004 das ehemalige BAYER-Aufsichtsratsmitglied Jürgen Weber.

Gentech-Kampagne in Argentinien
Argentinien ist das Land mit der weltweit drittgrößten Anbaufläche für Genpflanzen. Um das Reservoir noch ein wenig besser ausschöpfen zu können, ist ein neues Gesetz in Planung, „das von der Industrie entwickelt und vom Landwirtschaftsminister akzeptiert wurde“, wie das „U.S. Department of Agriculture“ mit bemerkenswerter Offenheit festhält. BAYER und den anderen in der „Argentine Seed Association“ organisierten Unternehmen geht es dabei vordringlich darum, die Zulassungsverfahren zu beschleunigen. Umweltgruppen haben jedoch eine Kampagne gegen das Vorhaben organisiert. Darum sah sich der US-amerikanische „Foreign Agriculture Service“ (FAS), der vor Ort in Buenos Aires ein Büro unterhält, gezwungen, ebenfalls Aktivitäten zu entfalten. Unter anderem plant der FAS PR-Maßnahmen für die Risiko-Technologie wie Workshops, Konferenzen mit argentinischen MinisterInnen, WissenschaftlerInnen und Medien-VertreterInnen sowie Kooperationen mit Universitäten und VerbraucherInnen-Organisationen.

BAYER-freundliche EEG-„Reform“
Immer wieder hatten BAYER & Co. in der Vergangenheit über die hohen Strom-Kosten geklagt, die ihnen das „Erneuerbare-Energien-Gesetzes“ (EEG) durch die Förderung von Windkraft & Co. angeblich beschert. Dabei gewährte das Paragraphen-Werk energie-intensiven Betrieben großzügige Rabatte, für welche die Privathaushalte aufzukommen hatten. Für diese stieg die Strom-Rechnung seit 2008 um 38 Prozent, während diejenige der Konzerne in dem Zeitraum sogar um ein Prozent niedriger ausfiel. Die ungleiche Lasten-Verteilung brachte das ganze EEG in Verruf, weshalb schon Schwarz-Gelb eine „Reform“ begann, welche die Große Koalition unter der Ägide von Wirtschaftsminister Sigmar Gabriel (SPD) dann abschloss. Der Vize-Kanzler drosselte den Ausbau der Erneuerbaren Energien und schaffte es gleichzeitig, die von Brüssel als unerlaubte Subventionen angesehenen Industrie-Privilegien größtenteils beizubehalten. Nur ein kleines Entgegenkommen forderte er dafür von den Unternehmen. Der Sozialdemokrat plante, ihnen auch für die Energie, die sie in ihren eigenen Kraftwerken produzieren, einen Beitrag zur Ökostrom-Förderung abzuverlangen. Aber sofort brach ein Sturm der Entrüstung los. Der Leverkusener Multi, der fast 60 Prozent seines Energie-Bedarfs selber deckt, warnte: „Unsere KWK (Kraft/Wärme-Koppelung, Anm. SWB)-Anlagen würden sich, sollten diese Pläne umgesetzt werden, nicht mehr wirtschaftlich betreiben lassen, sowohl die bestehenden als auch die neuen.“ Pflichtschuldig machte sich Gabriel sogleich ans „Nachbessern“. Das Gesetz, das am 1. August 2014 in Kraft trat, lässt – vorerst bis 2017 – Altanlagen verschont und macht nur neu errichtete abgabepflichtig, wobei es BAYER & Co. dafür aber noch Ausgleichszahlungen gewährt. Sogar die Faz musste sich über diese Zugeständnisse wundern: „Noch vor Wochen hätte niemand damit gerechnet, dass Betriebe bei der Ökosteuer-Reform fast ungeschoren davonkommen.“

Ordnungsruf von Dekkers
BAYER-Chef Marijn Dekkers hat mal wieder das angeblich innovationsfeindliche Klima in der Bundesrepublik kritisiert. „Unsere industrielle Basis beginnt zu bröckeln“, warnte er in der Faz. Zu geringe Forschungsausgaben, zu hohe Energie-Kosten, zu wenig naturwissenschaftlicher Unterricht in den Schulen und eine angeblich nicht immer sachgerechte Bewertung neuer Produkte durch die Politik – all das gefährdet seiner Meinung nach die Zukunft des Standortes Deutschland.

Ordnungsruf von Wenning
Kaum ein Monat vergeht ohne ein Lamento des Leverkusener Multis über die hohen Energie-Kosten (s. o.), obwohl die Politik dem Unternehmen viel niedrigere Tarife als den Privathaushalten beschert hat. Der BAYER-Aufsichtsratschef Werner Wenning ging jetzt sogar so weit, eine neue Hartz-Runde zu fordern, um die angeblich so horrenden Strom-Rechnungen der Konzerne volkswirtschaftlich zu kompensieren. „Ich mache mir große Sorgen, dass wir bald an einem Punkt angelangt sind, wo wir eine Agenda 2025 brauchen, also harte Einschnitte, damit wir im internationalen Wettbewerb nicht zurückfallen“, so Wenning.

Blesner weiht BAYER-Center ein
Im September 2014 reiste Peter Bleser, Staatssekretär im Bundeslandwirtschaftsministerium, nach China, um „neue Export-Möglichkeiten für deutsche Agrar-Produkte auszuloten“. Während seines Aufenthalts weihte er gemeinsam mit dem stellvertretenden chinesischen Landwirtschaftsminister Niu Dun auch ein BAYER-Schulungscenter in der Nähe von Nanking ein, in dem der Leverkusener Multi bei den FarmerInnen künftig für sein Saatgut und seine Pestizide werben will. „Ich sehe in dem neuen Informationszentrum eine große Chance, das vorhandene Fachwissen über eine erfolgreiche und nachhaltige Erzeugung an die chinesische Landwirte weiterzugeben“, sagte Bleser zur Eröffnung.

Duin spricht Grußwort
Zu der Veranstaltung „Standpunkt am Standort: Motor und Partner für Innovation – Pharma-Industrie in NRW“, welche die IG BERGBAU, CHEMIE, ENERGIE am 31.10.2014 in Monheim mit dem von BAYER gegründeten „Verband der Forschenden Arzneimittel-Hersteller“ und der Biotech-Firma UCB co-managte, sprach der nordrhein-westfälische Wirtschaftsminister Garrelt Duin (SPD) ein Grußwort.

Gabriel für BAYER & Co. in China
Wirtschaftsminister Sigmar Gabriel (SPD) betätigte sich im April 2014 auf seiner China-Reise als Chef-Lobbyist von BAYER & Co. So forderte er seine Gesprächspartner in Peking auf, den Unternehmen einen besseren Rechtsrahmen im Allgemeinen und einen besseren Patentschutz im Besonderen zu gewähren. Auch bei den Ausschreibungen mahnte er Veränderungen im Sinne bundesdeutscher Firmen an. Zudem stufte er den Technologie-Transfer als Zugangsvoraussetzung für den chinesischen Markt ebenso sehr als Handelshemmnis ein wie die in manchen Branchen bestehende Auflage für ausländische Konzerne, mit einheimischen Partnern Joint Ventures eingehen zu müssen.

Neues Gesetz für IT-Sicherheit
Der Leverkusener Multi registriert des öfteren Attacken auf sein Computer-Netz. 2012 etwa gab es einen Hacker-Angriff aus China mit dem Ziel, Industrie-Spionage zu betreiben. Zuvor schon musste er sich des Computer-Virus’ Stuxnet erwehren. Auch die politische HackerInnen-Gruppe „Anonymus“ störte schon die digitalen Betriebsabläufe. Anderen Konzernen ergeht es ähnlich. Deshalb plant die Bundesregierung ein IT-Sicherheitsgesetz. Sie will eine Meldepflicht für die Opfer von Cybercrimes einführen und dem Bundeskriminalamt mehr Kompetenzen verleihen. Zudem plant die Große Koalition, die entsprechenden Abteilungen von BKA, Verfassungsschutz und „Bundesamt für Sicherheit in der Informationstechnik“ mit mehr Personal auszustatten.

Dekkers neuer VCI-Präsident
BAYER-Chef Marijn Dekkers ist neuer Vorsitzender des „Verbandes der Chemischen Industrie“ (VCI). Im September 2014 hat er das Amt für die nächsten zwei Jahre übernommen.

Dekkers reist nach Russland
BAYER & Co. machten vor der Ukraine-Krise gute Geschäfte in Russland. Auf 750 Millionen Euro belief sich 2013 der Umsatz des Leverkusener Multis, wozu vor allem die Pharma-Sparte beitrug. Weil der Konzern auf dem Pillen-Markt mit jährlichen Steigerungsraten von acht bis neun Prozent und bis 2017 mit Gesamterträgen auf dem russischen Markt in Höhe von 1,3 Milliarden Euro rechnete, baute er seine Präsenz in dem Land stark aus. Die Diskussion um Wirtschaftssanktionen im Frühjahr 2014 alarmierte das Unternehmen deshalb. „Ich hoffe, dass die Situation diplomatisch gelöst werden kann“, ließ sich der Vorstandsvorsitzende Marijn Dekkers damals vernehmen. Seine Hoffnung erfüllte sich nicht, die Strafmaßnahmen kamen. Ob er jetzt auch zu den Firmen-Bossen gehört, die Angela Merkel laut Spiegel mittels ständiger Anrufe drängen, für eine Lockerung der Handelsbeschränkungen einzutreten, ist nicht bekannt. Auf jeden Fall gehörte Dekkers aber der Wirtschaftsdelegation an, die im Oktober 2014 auf Einladung des russischen Premierministers Dmitri Medwedew zu einer Zusammenkunft ausländischer Investoren geflogen war. Das Kanzleramt war über diese Reise-Diplomatie not amused. „Was wir am wenigsten brauchen, ist eine Nebenaußenpolitik der Konzerne“, so ein Berliner Spitzen-Beamter.

Eine neue „Lex BAYER“
Über die marode Leverkusener Autobahn-Brücke dürfen keine schweren LKWs mehr fahren. Zum BAYER-Gelände müssen sie deshalb einen Umweg von ca. 20 Kilometern in Kauf nehmen. Ernst Grigat, bei der 60-prozentigen BAYER-Tochter CURRENTA für die Chem-„Parks“ in Leverkusen und Dormagen verantwortlich, verfällt aus diesem Grund schon in Weltuntergangsstimmung. „Wenn nicht schnellstmöglich Abhilfe geschaffen wird, fürchten wir, dass die Industrie verlagert wird. Damit ist das langsame Sterben der chemischen Industrie in Deutschland vorprogrammiert.“ Und die apokalyptischen Töne zeigen Wirkung. Der nordrhein-westfälische Bauminister Michael Groschek (SPD) kündigte einen Neubau an. Und damit alles ganz schnell geht, will der Sozialdemokrat sogar das Fernstraßen-Gesetz ändern und durch eine sogenannte „Lex Leverkusen“ den BürgerInnen-Willen außen vor halten. Nach den Plänen des Politikers sollen etwaige Einsprüche in die Zuständigkeit des Bundesverwaltungsgerichts fallen und damit nur noch über eine Instanz gehen. Einen Zeitgewinn von bis zu anderthalb Jahren verspricht sich der Minister davon. „Wir können es uns nicht leisten, durch Klagewellen das Risiko einer Vollsperrung einzugehen“, so Groschek.

Kritik an EU-Aktienrechtreform
Die EU plant in einer neuen Richtlinie umfangreiche Aktienrechtsveränderungen. Sie will künftig die AktionärInnen alle drei Jahre über die ManagerInnen-Gehälter abstimmen lassen und dabei die Verhältnismäßigkeit in Bezug auf die sonst in den Unternehmen gezahlten Entgelte gewahrt wissen. Zudem beabsichtigt Brüssel, den AnteilseignerInnen ein Mitsprache-Recht zu verschaffen, wenn ein Konzern mit seinen eigenen Teil-Gesellschaften oder seinen GroßaktionärInnen Geschäfte abzuschließen gedenkt. Darüber hinaus sieht der Entwurf vor, Pensionsfonds und anderen institutionellen Anleger ebenso zu mehr Transparenz zu verpflichten wie die manchmal von ihnen angeheuerten StimmrechtsberaterInnen. Erwartungsgemäß laufen BAYER & Co. Sturm gegen das Vorhaben.

Juncker rudert zurück
Der Leverkusener Multi betrachtet Medikamente als ganz normale Wirtschaftsgüter. Dem wollte der neue EU-Kommissionspräsident Jean-Claude Juncker folgen. Beim Zuschnitt der neuen Kommissionen plante er, dem Gesundheitskommissar die Zuständigkeit für die Zulassung von Arzneien und Medizinprodukten zu entziehen und den Bereich unter die Verantwortung der neuen Industrie-Kommissarin Elzbieta Bienkowska zu stellen. Erst nach massiven Protesten ließ der Luxemburger von seinem Vorhaben ab. Dagegen gelang es ihm, das bisher eigenständige Klima-Ressort aufzulösen und es mit dem Energie-Ressort zu verbinden – schlechte Aussichten also für eine engagierte Politik zur Reduzierung des Kohlendioxid-Ausstoßes.

PROPAGANDA & MEDIEN

COLOSS betet Bienen gesund
Der Leverkusener Multi weigert sich weiterhin beharrlich, die Mitverantwortung seiner Pestizide GAUCHO und PONCHO am weltweiten Bienensterben einzuräumen. Ja, der Konzern weigert sich sogar, den Fakt als solchen anzuerkennen. „Europäische Honigbienen sind gesünder, als in vielen Medienberichten behauptet“, vermeldete das Unternehmen jüngst und berief sich dabei auf „das unabhängige Honigbienen-Forschungsnetzwerk COLOSS“. Mit der Unabhängigkeit des Forschungskolosses ist es allerdings nicht so weit her. Er zählt BAYER nämlich zu seinen „Event Partnern“ und scheint unter Wissenschaft auch primär Krisen-Kommunikation zu verstehen. So befasste sich eine „training school“, an welcher auch Manuel Trischler vom „Bee Care Center“ des Pharma-Riesen teilnahm, hauptsächlich mit der Frage, wie angeblich unangemessenen Beiträgen von ForscherInnen zum Bienensterben zu begegnen sei. Das der Universität Bern angegliederte Institut machte bei den Unternehmen Defizite im PR-Bereich aus und empfahl ihnen Nachhilfe-Stunden in Öffentlichkeitsarbeit.

Bienen-Kümmerer BAYER
Der Leverkusener Multi steht wegen seiner bienenschädigenden Pestizide GAUCHO und PONCHO, welche die EU bis vorerst 2015 aus dem Verkehr gezogen hat, in der Kritik. Darum verstärkt der Konzern seine PR-Aktivitäten (s. o.) Wo das Unternehmen nicht schlicht versucht, die Fakten abzustreiten, da inszeniert es sich als Bienenkümmerer. Der Global Player fördert nicht nur das Anlegen von Ackerrand-Streifen mit pollen-reichen Blütenpflanzen sowie von Bienenweiden und gründet „Bee Care Center“, sondern unterstützt auch Forschungsvorhaben zum Erhalt der Bienengesundheit. So spendet er der kanadischen „University of Guelph“ 750.000 Dollar für den Aufbau eines Insekten-Gesundheitszentrums.

Neue Gentech-Kampagne
Im Februar 2014 haben BAYER & Co. eine neue PR-Kampagne für die grüne Gentechnik gestartet. „Growing Voices“ lautet der Markenname der Unternehmung, denn sie will den „lauter werdenden Stimmen, die ein Umdenken der EU in puncto ‚Gen-Pflanzen’ anmahnen“, Ausdruck verleihen. Die Auftakt-Veranstaltung fand im Brüsseler Hotel „Renaissance“ statt und brachte „Gesundes Essen – die unerzählte Geschichte der Gen-Pflanzen“ zu Gehör. Den „Science Fiction“-Stoff führten sich unter anderem damalige Angehörige der Europäischen Kommission und des EU-Parlaments, EU-BeamtInnen, UmweltpolitikerInnen, EmissärInnen von Forschungseinrichtungen – und natürlich Abgesandte der Agro-Multis zu Gemüte. Allein von BAYER waren neun VertreterInnen anwesend.

Wissenschaftliche Gentech-PR
Mit vereinten Kräften wollen die „Bill & Melinda Gates Foundation“ und BAYER, MONSANTO & Co. die Gentechnik-Debatte „entpolarisieren“. Zu diesem Behufe hat die Stiftung der Cornell Universität nicht weniger als 5,6 Millionen Dollar zur Verfügung gestellt. Als Partner der PR-Kampagne mit wissenschaftlichem Antlitz namens „Alliance for Science“ fungiert der vom Leverkusener Multi und anderen Agro-Riesen unterstützte Lobby-Verein „International Service for the Acquisition of Agri-biotech Applications“ (ISAAA).

Gentech-Studie: CRIIGEN steigt aus
Im Juli 2013 hat das französische Gesundheitsministerium eine Studie über Gentech-Risiken in Auftrag gegeben. Ihr ist allerdings ein „Dialog-Forum“ angeschlossen, in dem VertreterInnen von BAYER, MONSANTO und LIMAGRAIN sitzen. Darum hat die unabhängige Wissenschaftsorganisation CRIIGEN ihren Ausstieg aus dem Projekt verkündet. „Wir können nicht mit Leuten zusammenarbeiten, die Lobbying-Taktiken benutzen, um ihre Produkte zu vermarkten und deren Akzeptanz zu erhöhen, ohne jene genauer zu untersuchen und ohne Transparenz walten zu lassen“, heißt es in der Begründung.

BAYER sponsert den „Weltthrombose-Tag“
Die „International Society on Thrombosis and Haemostasis“ hat den 13. Oktober zum „Weltthrombose-Tag“ erklärt, um stärker auf die mit den Blutgefäß-Verschlüssen einhergehenden Lebensgefahren aufmerksam zu machen. Der Leverkusener Multi gehört zu den Sponsoren der Veranstaltung, womit der Bock zum Gärtner wird. Thrombo-Embolien gehören nämlich zu den häufigsten Nebenwirkungen seiner Verhütungspillen aus der YASMIN-Familie. Allein die US-amerikanische Gesundheitsbehörde FDA registrierte bisher 190 Sterbefälle.

BAYER erklärt Nebenwirkungen
XARELTO, YASMIN, BETAFERON, MIRENA, ESSURE – die Liste der BAYER-Medikamente, die wegen ihrer Risiken und Nebenwirkungen in der Kritik stehen, wird immer länger. Das bleibt auch in der Belegschaft nicht unbemerkt, weshalb sich der Leverkusener Multi in seiner Beschäftigten-Zeitung direkt gezwungen sah, auf die Problematik einzugehen. Da der Konzern es auch als Aufgabe seiner Angestellten erachtet, „zu Themen Stellung zu nehmen, die in der Gesellschaft kontrovers diskutiert werden“, will direkt ihnen künftig in einer Serie Argumente für solche Gelegenheiten an die Hand geben. Nach dem Motto „Jedes Ding hat zwei Seiten“ erklärt der Leverkusener Multi Nebenwirkungen erst einmal zu einer Naturgegebenheit. Aber natürlich hat er nach eigenen Aussage im Sinne seiner Mission „Science For A Better Life“ ein Interesse daran, diese in – natürlich ganz unabhängigen – Studien aufzuspüren und setzt angeblich auch seinen halben Forschungsetat dafür ein. Fortbildungsveranstaltungen für MedizinerInnen und Hotlines dienen ebenfalls bloß diesem Zweck – die Märchenstunde will gar kein Ende nehmen.

BAYER kauft Museum
Am Standort Lubbock hat der Leverkusener Multi das „American Museum of Agriculture“ in Beschlag genommen. Es benannte sich zu Ehren des neuen Sponsors nicht nur in „BAYER Museum of Agriculture“ um, sondern veränderte auch den Charakter seiner Dauerausstellung. Die Schau widmet sich jetzt nicht mehr so stark der Geschichte der Landwirtschaft und verlagert den Schwerpunkt stattdessen auf die Zukunft. Zur Freude des Konzern-Sprechers Lee Rivenbark illustrieren viele Exponate den BAYER-Slogan „Science for A Better Life“. Und das ganze Haus gilt ihm nun als „Leuchtturm für Wissenschaft und Innovation auf dem Gebiet ‚Landwirtschaft’“, denn: „Innovation ist das, worum es BAYER geht“.

TIERE & ARZNEIEN

Mehr BAYTRIL in den Tierställen
Der massenhafte Einsatz von Antibiotika in der Massentierhaltung führt zur Entwicklung resistenter Krankheitserreger. Gelangen diese in den menschlichen Organismus, so können MedizinerInnen oftmals nichts mehr gegen die Keime ausrichten. Im Fall von BAYERs BAYTRIL ist diese Gefahr besonders groß. Der Leverkusener Multi bietet nämlich für den Humanmedizin-Bereich mit CIPROBAY ebenfalls ein Medikament aus der Gruppe der Fluorchinolone an, das sogar den Status eines Reserve-Antibiotikas für besonders schwierig zu behandelnde Infektionen besitzt. Und die Gefährdung nimmt zu: 2013 stieg – bei insgesamt fallenden Zahlen (1.452 gegenüber 1.619 Tonnen) – die Menge der verschriebenen Fluorchinolone von zehn auf 13 Tonnen (siehe auch SWB 4/14). Und was wie eine kleine Umschichtung bei insgesamt rückläufiger Tendenz anmutet, bedeutet wegen unterschiedlicher Dosierungsvorschriften in Wirklichkeit jedoch eine Ausweitung der Antibiotika-Zone. Während eine Tonne des Alt-Antibiotikums Tetracyclin gerade einmal für 39.000 Mastschweine langt, vermögen die LandwirtInnen mit einer Tonne BAYTRIL nämlich 2,2 Millionen Tiere zu versorgen! Das Verbraucherschutzministerium verschleiert diesen Tatbestand allerdings bewusst und verkauft „Gesamtmenge im Jahr 2013 weiter gesunken“ als Erfolgsmeldung.

TIERE & VERSUCHE

Zweifel an Tierversuchen
172.287 Tierversuche hat der Leverkusener Multi 2013 durchgeführt bzw. durchführen lassen – 1.690 mehr als 2012. Eine neue Studie der WissenschaftlerInnen Pandora Pound und Michael B. Bracken bewertet die Sinnhaftigkeit solcher Tests kritisch. Angesichts hunderter am „Tier-Modell“ erprobter Medikamente, die am „Mensch-Modell“ versagten, zweifelt ihre im British Medical Journal veröffentlichte Untersuchung die Übertragbarkeit der Ergebnisse an. Zudem bescheinigt die Expertise den mit Ratten, Mäusen und anderen Lebewesen unternommenen Experimenten eine mangelhafte Qualität, was die ProbandInnen der nachfolgenden klinischen Prüfungen unnötigen Risiken aussetze. „Die aktuelle Studie zeigt erneut, dass der von manchen Kreisen gebetsmühlenartig behauptete Nutzen von Tierversuchen keinerlei Fundament hat“, konstatiert Silke Bitz von ÄRZTE GEGEN TIERVERSUCHE.

DRUGS & PILLS

USA: Alarmierende XARELTO-Zahlen
Auch in den Vereinigten Staaten wächst die Besorgnis über die Risiken und Nebenwirkungen, die von BAYERs neuem Gerinnungshemmer XARELTO ausgehen. 680 Meldungen über unerwünschte Effekte des Präparats mit dem Wirkstoff Rivaroxaban erhielt die Gesundheitsbehörde FDA allein im ersten Quartal 2013 – 152 mehr als zu dem Konkurrenz-Medikament PRADAXA.

Nierenerkrankungen durch BETAFERON
BAYERs „Multiple Sklerose“-Präparat BETAFERON kann Nierenschädigungen hervorrufen. Eine entsprechende Warnung veröffentlichte das „Bundesinstitut für Arzneimittel und Medizinprodukte“ (BfArM) im August 2014 (siehe auch SWB 4/14). Damit erschöpfen sich die Gegen-Anzeigen des Gentech-Präparats allerdings bei Weitem nicht. 186 Meldungen über „unerwünschte Arznei-Effekte“ hat das BfArM allein im Jahr 2013 erhalten. Dazu zählen unter anderem temporäre Spastiken, Schmerz-Attacken, Verstopfung und Müdigkeit. Und im Gegensatz zu den Nebenwirkungen bleiben die Wirkungen des Mittels spärlich. Dem MS-Ratgeber der „Universitätsklinik Hamburg-Eppendorf“ zufolge sind BETAFERON und andere Substanzen auf Interferon-Basis nur bei 16 Prozent der frisch Erkrankten imstande, einen zweiten Schub zu verhindern, bei fünf von sechs PatientInnen hingegen zeigen sie keinen Nutzen.

ASPIRIN gegen Krebs?

Immer wieder erscheinen Studien, die BAYERs ASPIRIN eine vorbeugende Wirkung gegen Krebs bescheinigen. Diese weisen jedoch meist Mängel auf. Entweder können die WissenschaftlerInnen sich nur auf äußerst beschränktes Daten-Material stützen oder sie haben Kontakte zum BAYER-Konzern. Dies ist auch bei der Arbeit von Jack Cuzick und seinem Team der Fall, die zahlreiche Untersuchungen zum Thema ausgewertet haben und dem „Tausendsassa“ einen prophylaktischen Effekt bescheinigen. Cuzick gehört nämlich zum Beraterstab des Pharma-Riesen, und auch viele seiner MitarbeiterInnen standen oder stehen noch auf der Gehaltsliste des Unternehmens.

BAYERs Endometriose-Coup
Bei der Endometriose handelt es sich um eine gutartige Wucherung der Gebärmutter-Schleimhaut. Besonders während des Monatszyklusses verursacht das sich außerhalb der Gebärmutter-Höhle befindliche Gewebe Schmerzen. Zu deren Behandlung haben Frauen-ÄrztInnen früher die Verhütungspillen VALETTE oder CHLORMADINON der BAYER-Tochter JENAPHARM verschrieben. 2010 aber brachte der Leverkusener Multi mit VISANNE ein speziell für diese Krankheit zugelassenes Präparat auf den Markt. Die Produktion der beiden anderen Mittel stellte er ein, damit sie der Neuheit keine Konkurrenz machen – das Unternehmen verlangt für VISANNE nämlich rund das Fünffache des Preises von CHLORMADINON. Den höheren Kosten entspricht noch nicht einmal keine höhere Wirksamkeit. Die Arznei konzentriert sich lediglich auf die Symptom-Linderung. Zudem basiert die Zulassung auf einer dünnen Daten-Lage, die Kohorte bei der Sicherheitsanalyse umfasste nur 300 Frauen. Darum betrachten das industrie-unabhängige arznei-telegramm und das „Bundesinstitut für Arzneimittel und Medizinprodukte“ VISANNE auch bloß als Mittel der 2. Wahl. Ähnlich wie bei VISANNE war der Pharma-Riese in Tateinheit mit SANOFI jüngst auch im Fall von Alemtuzumab vorgegangen. Als die Konzerne die Zulassung für die Indikation „Multiple Sklerose“ erhielten, zogen sie die Arznei umgehend als Mittel zur Behandlung der chronisch-lymphatischen Leukämie“ vom Markt zurück, weil das neue Anwendungsgebiet mehr Profite verspricht (SWB 1/14).

Frankreich: MELIANE-Umsatz sinkt
2006 hatte die Französin Marion Larat nach der Einnahme des BAYER-Verhütungsmittels MELIANE einen Schlaganfall erlitten. Sechs Jahre später entschloss sie sich, den Pharma-Riesen auf Schadensersatz zu verklagen. Das damit verbundene Medien-Echo machte die Öffentlichkeit erstmals auf die mit den Kontrazeptiva der dritten und vierten Generation verbundenen Risiken aufmerksam. Die damalige Gesundheitsministerin Marisol Touraine reagierte umgehend. Sie wies die Krankenkassen an, die Kosten für MELIANE & Co. nicht mehr zu übernehmen. Und das zunehmend kritische Klima hatte Folgen: Bis Ende 2013 büßten die Mittel 60 Prozent ihres Umsatzes ein.

Kein NEXAVAR bei Brustkrebs
BAYERs NEXAVAR mit dem Wirkstoff Sorafenib hat bislang eine Zulassung bei den Indikationen „fortgeschrittener Nierenkrebs“ und „fortgeschrittener Leberkrebs“. Der Leverkusener Multi setzt jedoch alles daran, das Anwendungsspektrum zu erweitern. Ein Versuch, das Mittel zusammen mit Capecitabin bei solchen Patientinnen mit fortgeschrittenen Brustkrebs-Arten zur Anwendung zu bringen, bei denen andere Medikamente versagt hatten, scheiterte jetzt allerdings. „Wir sind enttäuscht, dass die Studie keine Verbesserung des progressionsfreien Überlebens bei Patienten mit fortgeschrittenem Brustkrebs zeigen konnte“, sagte der BAYER-Manager Jörg Möller. Zuvor war schon ein anderer Ansatz zur Therapie von Brustkrebs ohne Erfolg geblieben. Auch bei einer bestimmten Art von Leber-, bei Haut- und Bauchspeicheldrüsenkrebs hatte NEXAVAR bereits versagt.

NICE nicht nice zu XOFIGO
Das britische „National Institute for Health and Care Excellence“ (NICE) hat eine Kosten/Nutzen-Analyse von BAYERs Strahlentherapie-Medikament XOFIGO (siehe auch PRODUKTION & SICHERHEIT) durchgeführt und der Arznei kein gutes Zeugnis ausgestellt. Deshalb finanziert der „National Health Service“ die Behandlung mit dem Pharmazeutikum nicht, das bei der Prostatakrebs-Art CRPC zum Einsatz kommt, wenn eine Hormon-Behandlung erfolglos geblieben ist und sich zudem noch Metastasen im Knochen gebildet haben. Der Leverkusener Multi habe zu dem Mittel keine Dokumente vorgelegt, die seine Überlegenheit gegenüber vergleichbaren Arznei-Therapien demonstrieren könnten, so die Behörde. „Wir müssen zuversichtlich sein, dass die Vorteile die beträchtlichen Kosten rechtfertigen“, sagte NICE-Chef Andrew Dillon angesichts des Preises von 30.000 Euro für eine einzige Anwendung des Präparats, das den PatientInnen bei den Klinischen Tests nur zu einem ca. drei Monate längeren Leben verhalf.

Weitere Zulassungen für ADEMPAS
Bei der Arznei ADEMPAS handelt es sich um ein Mittel zur Behandlung der beiden Lungenhochdruck-Krankheiten CTEPH und PAH. Der Wirkstoff Riociguat soll in der Lunge die Bildung eines Enzyms stimulieren, das für eine Erweiterung der Blutgefäße sorgt und so die Sauerstoff-Aufnahme verbessert. Nachdem BAYER in den USA bereits die Zulassung für das Medikament erhalten hat, erteilte dem Präparat nun auch die Europäische Arzneimittel-Agentur EMA grünes Licht. Japan hat bisher nur eine Genehmigung für das Anwendungsgebiet „CTEPH“ erteilt, ein Antrag für die Indikation „PAH“ ist noch in Bearbeitung. Wie üblich, hat der Leverkusener Multi jedoch noch viele weitere Therapie-Felder wie z. B. „die Nieren-Protektion und die Herz-Insuffizienz“ im Auge und will Millionen mit ADEMPAS machen. Das industrie-unabhängige Fach-Magazin Arzneimittelbrief hingegen kann die Euphorie des Pharma-Riesen nicht ganz teilen. Obwohl es sich bei Riociguat um eine „innovative Substanz“ handle, deren therapeutischer Mechanismus „neu und interessant“ erscheine, seien die in der Literatur beschriebenen Effekte nur „marginal“, dämpft die Publikation die Erwartungen, die BAYER nicht zuletzt durch das Öffnen der „Marketing-Schleuse“ geschürt habe.

Test the East
Die Pillen-Riesen lagern immer mehr Arznei-Tests in ärmere Länder aus. Dort winken günstigere Preise, ein großes Reservoir an ProbandInnen und eine mangelhafte Aufsicht. Die Folge: Immer wieder kommt es zu Todesfällen. So starben 2011 in Indien 20 Menschen bei Erprobungen von BAYER-Medikamenten. Die COORDINATION GEGEN BAYER-GEFAHREN machte diesen Skandal öffentlich, und der Leverkusener Multi reagierte – er schaute sich nach anderen Nationen um. Neben China hat es ihm momentan besonders Russland angetan. 90 – teils noch laufende, teils schon abgeschlossene – Medikamenten-Erprobungen des Global Players in dem Staat weist die Datenbank „ClinicalTrials“ aus. Das CLINICIAL TRIALS CENTER oder andere Auftragsfirmen prüften für den Konzern dort unter anderem die Spirale MIRENA, das Krebsmittel NEXAVAR, den Gerinnungshemmer XARELTO und das „Multiple Sklerose“-Präparat BETAFERON. Nach einem Bericht der Zeit bietet das Land unschlagbare Standort-Vorteile. ProbandInnen bemühen sich selbstständig um eine Teilnahme an den Tests, weil ihnen die Medikamente sonst nicht zur Verfügung stehen, und bleiben auch bei der Stange. Dass ihnen das Recht zusteht, einen Medikamenten-Versuch abzubrechen, erfahren sie oft nicht, und eine Ethik-Kommission, welche über alles wacht, existiert ebenfalls nur selten. „Die besteht in Russland häufig nur auf dem Papier“, sagt Alexander Globenko vom CLINICIAL TRIALS CENTER und berichtet zudem von MedizinerInnen, die Nebenwirkungen nicht protokollieren. Sogar die Existenz von Phantom-Studien mit erfundenen TeilnehmerInnen räumt er ein. Das „Bundesinstitut für Arzneimittel und Medizinprodukte“ (BfArM) weiß um diese Zustände. „Auffällig glatt“ erscheinen einer BfArM-Mitarbeiterin laut Zeit die Ergebnisse bisweilen. Selbst der von BAYER gegründete „Verband der forschenden Arzneimittel-Hersteller“ hält die russischen Verhältnisse der Zeitung zufolge für besorgniserregend. Das dürfte den Leverkusener Multi jedoch vorerst nicht von seinem Tun abhalten.

Zweifelhafte Testosteron-Studie
Mit großer Anstrengung arbeitet der Leverkusener Multi daran, die „Männergesundheit“ als neues Geschäftsfeld zu etablieren und seinen Potenzpillen und Hormon-Präparaten neue und nur selten zweckdienliche Anwendungsmöglichkeiten zu erschließen. Zu diesem Behufe hat der Pharma-Riese die Krankheit „Testosteron-Mangel“ erfunden und sie zu „männlichen Wechseljahresstörungen“ erhoben, um NEBIDO und andere Hormone an den Mann bringen zu können. Die passenden Studien liefert BAYER dazu auch. So präsentierte der Pharma-Riese in Sofia auf einem medizinischen Kongress zum Thema „Fettleibigkeit“ eine Untersuchung, wonach eine Testosteronersatz-Therapie zu Gewichtsverlusten inklusive besserer Blutzucker- und Blutdruck-Werte führt. Allerdings hält die Expertise wissenschaftlichen Kriterien kaum stand: Sie stützt sich auf gerade einmal 46 Probanden. Richtige Studien kommen zu ganz anderen Ergebnissen. So fand eine ForscherInnen-Gruppe um Jared L. Moss von der Universität Knoxville heraus, dass die Testosteron-Spritzen die Zeugungsfähigkeit beeinträchtigen. Zudem beobachteten die WissenschaftlerInnen Schrumpfungen des Hodengewebes und Samenzellen-Missbildungen. Damit fügten sie der langen Liste von Risiken und Nebenwirkungen der Mittel wie Herzinfarkt, Prostata-Krebs, Harntrakt-Schädigungen, Brust-Wachstum, Bluthochdruck, Ödeme, Blutverdickung und Leberschäden noch einige weitere Einträge hinzu.

Arznei-Ausgaben steigen um 3,2 Prozent
Im Jahr 2013 erhöhten sich die Ausgaben der Krankenkassen für Medikamente im Vergleich zu 2012 um 3,2 Prozent auf 32,1 Milliarden Euro. Das geht aus den Zahlen des „Arzneiverordnungsreports 2014“ hervor. Der Herausgeber, der Pharmakologe Ulrich Schwabe, macht dafür die hohen Preise für Pharmazeutika im Allgemeinen und für patentgeschützte Medikamente im Besonderen verantwortlich. Der Leverkusener Multi hat daran einen gehörigen Anteil. So verlangt er für sein nicht eben wirkungsvolles Krebsmittel NEXAVAR über 58.000 Euro im Jahr. Eigentlich sollte das Arzneimittel-Neuverordnungsgesetz (AMNOG) von 2011 hier Abhilfe schaffen, denn nach diesem Paragrafen-Werk müssen die Pharma-Firmen mit ihren Arzneien ein Verfahren durchlaufen, das Kosten und Nutzen der Präparate bewertet, und sich anschließend mit den Krankenkassen auf einen Erstattungsbetrag einigen. Jährliche Einsparungen in Höhe von zwei Milliarden Euro erwarteten die PolitikerInnen von der Regelung. Die Hoffnung trog jedoch; 2013 wurden es lediglich 150 Millionen Euro. Die schwarz-gelbe Koalition war nämlich von ihren Plänen abgerückt, alle Medikamente einer Revision zu unterziehen und beschränkte sich auf neue Präparate. Zudem fallen die Abschläge äußerst mager aus. Für BAYERs Gentech-Präparat EYLEA zur Behandlung der feuchten Makula-Degeneration – einer Augenerkrankung, die zur Blindheit führen kann – betrugen sie trotz des Prüfurteils „Kein Zusatznutzen“ gerade mal 7,6 Prozent. Von 1.136 auf 1.050 Euro hatte der Pharma-Riese den Apotheken-Verkaufspreis zu senken.

PESTIZIDE & HAUSHALTSGIFTE

CDU und SPD verharmlosen GAUCHO
BAYERs Pestizide GAUCHO (Wirkstoff: Imidacloprid) und PONCHO (Wirkstoff: Clothianidin) sind mitverantwortlich für das weltweite Bienensterben. Deshalb hat die EU ihnen 2013 für vorerst zwei Jahre die Zulassung entzogen. Die Bundesregierung jedoch verharmlost die Gefahr dieser zur Gruppe der Neonicotinoide zählenden Ackergifte. In ihrer Antwort auf eine Kleine Anfrage der Grünen bezweifelt sie die Aussagekraft der meisten Untersuchungen zur Gefährlichkeit dieser Mittel und beruft sich dabei auf das bundeseigene Julius-Kühn-Institut. So bezeichnen Merkel & Co. etwa das Studien-Design als mangelhaft. Zudem zweifeln sie die Übertragbarkeit der Labor-Ergebnisse auf Freiland-Bedingungen an. Darum hält die Große Koalition es im Einklang mit BAYER & Co. auch für richtig, sich bei der Suche nach den Ursachen für die Dezimierung der Bienenvölker weiter hauptsächlich auf die Varroa-Milbe zu konzentrieren.

GAUCHO-Alternative SIVANTO?
Ab 2015 will BAYER das Pestizid Flupyradifuron (Produktname: SIVANTO) als Alternative zu Imidacloprid (GAUCHO) vermarkten, dem die EU wegen seiner bienenschädigenden Wirkung 2013 für vorerst zwei Jahre die Zulassung entzogen hat. Flupyradifuron gehört zwar nicht wie Imidacloprid zur Gruppe der Neonicotinoide, sondern zu den Butenoliden, es ähnelt den Neonicotinoiden aber in seiner Funktionsweise. Wie diese wirkt das Flupyradifuron systemisch, also gegen eine Vielzahl von Schadinsekten, und wie diese blockiert es bei den Tieren die Reiz-Weiterleitung an den Nervenbahnen. Deshalb bestehen Zweifel daran, ob der Stoff wirklich so „bienenfreundlich“ ist, wie der Leverkusener Multi behauptet.

Brasilien: Verbot von GLYPHOS?
Wie El Salvador (siehe Ticker 3/14) plant nun auch Brasilien das Verbot von besonders gesundheitsschädlichen Pestiziden. Auf der Schwarzen Liste befinden sich mit Parathion-Methyl und Glyphosat auch zwei Wirkstoffe, die BAYER im Angebot hat. Parathion-Methyl kommt in ME 605 Spritzpulver zum Einsatz, und Glyphosat in GLYPHOS und USTINEX G. Zudem verkauft der Leverkusener Multi Glyphosat noch in Kombination mit CREDENZ und anderen gegen das Ackergift immun gemachten Genpflanzen.

Protest gegen Öko-Verordnung der EU
Die EU plant, strengere Pestizid-Grenzwerte für den ökologischen Landbau zu erlassen. Die betreffenden LandwirtInnen wenden sich allerdings gegen die Regelung. Da durch angrenzende Felder von Bauern und Bäuerinnen, die mit konventionellen Methoden arbeiten, auch Chemikalien auf ihre Äcker gelangen, fürchten sie, die neuen Limits nicht einhalten zu können.

BAYER erwirbt Herbizide
Der Leverkusener Multi hat von DUPONT Herbizide erworben, die im „Land-Management“, also nicht auf Äckern, sondern in Wäldern, auf Weide-Flächen, Industrie-Arealen oder Bahn-Gleisen zum Einsatz kommen (siehe auch PESTIZIDE & HAUSHALTSGIFTE). Rund 30 Anti-Unkrautmittel umfasst das DUPONT-Sortiment. Dazu gehören Produkte wie PERSPECTIVE (Wirkstoffe: Aminocyclopyrachlor und Chlorsulfuron), ESPLANADE (Wirkstoff: Indaziflam), STREAMLINE (Wirkstoffe: Aminocyclopyrachlor und Metsulfuronmethyl), ESCORT (Wirkstoff: Metsulfuronmethyl) und Oust (Wirkstoff: Sulfometuronmethyl).

PFLANZEN & SAATEN

BAYER kauft GRANAR
BAYER hat das Sojasaatgut-Geschäft des paraguayischen Unternehmens GRANAR erworben (siehe auch IMPERIUM & WELTMACHT).

Feldversuche mit Zuckerrübe
Der Leverkusener Multi und KWS kündigen Feldversuche mit einer gemeinsam entwickelten Zuckerrüben-Art an, deren Erbgut eine natürliche und durch Züchtung verstärkte Enzym-Veränderung aufweist. Auf diese Weise übersteht die Labor-Frucht eine Behandlung mit solchen Anti-Unkrautmitteln, welche die Acetolactat-Synthese stören, unbeschadet. Allerdings überstehen auch immer mehr Wildpflanzen die Behandlung mit diesen so genannten ALS-Hemmern wie BAYERs ATTRIBUT (Wirkstoff: Propoxycarbazone) unbeschadet, weshalb die neue Rübe schon bald ziemlich alt aussehen könnte.

GENE & KLONE

Immer mehr Bt-Resistenzen
BAYER & Co. bauen in ihre Laborfrüchte gern das Gift-Gen des Bacillus thuringiensis (Bt) ein, um Schadinsekten zu töten. Der Leverkusener Multi setzt besonders bei SURPASS und anderen Baumwoll-Pflanzen auf den Bazillus. Die Schadinsekten können sich jedoch immer besser auf ihn einstellen. In einer von Juliano Ricardo Farias und seinem Team durchgeführten Untersuchung gelang es dem Heerwurm schon binnen dreier Jahre, eine Resistenz gegen den Bt herauszubilden. Zudem trotzen vielerorts bereits der Baumwollkapselbohrer, die Baumwollkapseleule, die Kohlschabe, die Aschgraue Höckereule, der Eulenfalter und die „Busseola fusca“-Raupe der Substanz.

Import-Zulassung für Gentech-Mais?
Die EU-Gremien befinden zur Zeit über eine Import-Zulassung für BAYERs Gentech-Mais T25. Die Lebensmittelbehörde EFSA hat der Laborfrucht bereits eine Unbedenklichkeitsbescheinigung ausgestellt, obwohl sie gentechnisch auf eine Behandlung mit dem gesundheitsgefährdenden Pestizid Glufosinat geeicht ist. Darum konnte sich das „Standing Committee on the Food Chain and Animal Health“ auch nicht auf ein positives Votums einigen. Zweimal kam es zum Patt, wobei die Bundesrepublik sich jeweils der Stimme enthielt. Jetzt obliegt der Europäischen Kommission die Entscheidung. Die Pflanze reiste derweil schon mal illegal ein. 2011 entdeckte das niedersächsische Umweltministerium bei einer Untersuchung Spuren von T25 in konventionellem Mais-Saatgut aus Ungarn.

Kennzeichnungspflicht in Vermont
Seit einiger Zeit gibt es in US-amerikanischen Bundesstaaten Initiativen zur Einführung einer Kennzeichnungspflicht für gentechnisch veränderte Lebensmittel. BAYER & Co. investieren viel Geld, um diese Vorhaben zu Fall zu bringen und können leider schon Erfolge verbuchen. In Washington und Kalifornien scheiterte ein BürgerInnen-Begehren bereits. In Vermont allerdings muss die Gentech-Industrie Farbe bekennen. Der Bundesstaat erließ ein Kennzeichnungsgesetz, das jedoch einige Lücken aufweist, wie KritikerInnen monieren. Maine und Connecticut taten es Vermont gleich, wollen das Paragrafen-Werk jedoch erst in Kraft setzen, wenn mindestens vier weitere Staaten folgen.

Stammzellen: Der Hype ist vorbei
„Die Möglichkeiten sind grenzenlos“, schwärmte im Jahr 2001 BAYERs damaliger Chef-Pharmazeut Wolfgang Hartwig über die Stammzellen. Aus ihnen wollten die GenforscherInnen des Konzerns zahlreiche Zelltypen oder Gewebe-Arten entwickeln. 2008 haben sie in Japan ein Patent (siehe Ticker 3/08) für eine Technik zur Produktion von „Induzierten Pluripotenten Stammzellen“ (IPS) angemeldet, eine Stammzellen-Art, welche die ForscherInnen durch eine „Rückprogrammierung“ normaler Körperzellen erzeugen, was die Abtötung von Embryos erspart. Aber die Möglichkeiten dieser Gentechnik sind rasch an Grenzen gestoßen. Deshalb hat sich Ernüchterung eingestellt. „BAYER ist auf dem Gebiet der Stammzell-Forschung derzeit nicht aktiv“, heißt es jetzt lapidar. Thomas Eschenhagen, der Direktor des Instituts für Experimentelle Pharmakologie am Universitätsklinikum Hamburg-Eppendorf, bezeichnet den Wirbel um die Stammzellen im Nachhinein als Beispiel für „kurzfristige Sensationsforschung“. „Die waren vor 15 Jahren der große Hype. Alle sind auf diese Welle aufgesprungen, aber viele dieser Versprechen haben sich als falsch oder übertrieben herausgestellt. Also ist die Forscher-Karawane weitergezogen“, sagte er in einem taz-Interview. Eschenhagen hingegen forscht weiter an der Herstellung von künstlichem Herz-Gewebe aus Stammzellen.

Neue EYLEA-Zulassung
Wann immer die Aufsichtsbehörden einer Arznei des Leverkusener Multis für ein bestimmtes Anwendungsgebiet die Genehmigung erteilen, versucht dieser, grünes Licht für weitere Indikationen zu erhalten. So verfährt er auch im Falle des Gentech-Augenpräparats EYLEA. Zunächst nur zur Behandlung der altersbedingten feuchten Makula-Degeneration – einer Augenerkrankung, die zur Blindheit führen kann – zugelassen, können es MedizinerInnen seit einiger Zeit auch zur Behandlung der Folgen eines Zentralvenen-Verschlusses der Netzhaut verschreiben. Und jetzt dürfen sie es zusätzlich zur Therapie der von der Zuckerkrankheit hervorgerufenen Makula-Degeneration einsetzen. Zudem stimmten die japanischen Aufsichtsbehörden bereits einer Verwendung bei der „choroidalen Neovaskularisation“, einer Gewebe-Wucherung am Seh-Organ, zu. Als Augen-Allheilmittel kommt der gemeinsam mit der Firma REGENERON entwickelte EYLEA-Wirkstoff Aflibercept aber nicht in Betracht. In den Tests, die zur ersten Zulassung führten, demonstrierte er nämlich lediglich seine Nicht-Unterlegenheit gegenüber Ranibizumab. Überdies traten während der Erprobungen zahlreiche Nebenwirkungen wie Bindehaut-Blutungen, grauer Star, Augenschmerzen, Glaskörper-Trübungen und Erhöhung des Augeninnendrucks auf.

EYLEA: Es geht auch billiger
Nach einer Untersuchung der Cochrane Collaboration, einem Netzwerk von ÄrztInnen, WissenschaftlerInnen und PatientInnen-VertreterInnen, wirkt das ROCHE-Krebsmedikament AVASTIN genauso gut zur Behandlung der feuchten Makula-Degeneration – einer Augenerkrankung, die zur Blindheit führen kann – wie ROCHEs LUCENTIS und BAYERs Gentech-Präparat EYLEA. Es hat nur einen Nachteil: Es ist zu billig, weshalb der Schweizer Konzern sich nicht selbst Konkurrenz machen will. Während eine Injektion mit LUCENTIS 900 Euro kostet und eine mit BAYERs Gentech-Präparat 1.050 Euro, schlägt AVASTIN nur mit 30 Euro zu Buche.

Hämophilie-Gentherapie
Das Unternehmen DIMENSION THERAPEUTICS entwickelt für BAYER eine neue Methode zur Behandlung der Bluter-Krankheit Hämophilie A. Dabei wollen die WissenschaftlerInnen ein Gen, das den Gerinnungsfaktor VIII produziert, direkt in die Leber einführen. Bis zu 240 Millionen Dollar an Zahlungen hat die US-amerikanische Biotech-Firma zu erwarten, sollte es ihr gelingen, das Verfahren bis zur Marktreife zu entwickeln.

WASSER, BODEN & LUFT

GAUCHO & Co. belasten Gewässer
Die Bundesländer überprüfen die Belastung der Gewässer mit BAYERs bienenschädlichen (siehe PESTIZIDE und HAUSHALTSGIFTE) Pestizid-Wirkstoffen Imidacloprid (GAUCHO) und Clothianidin (PONCHO) nicht systematisch. Es liegen nur Stichproben vor. Diese geben jedoch Anlass zur Sorge, denn sowohl Clothianidin als auch Imidacloprid überschritten teilweise die Grenzwerte. Besonders Imidacloprid tat sich dabei hervor. „Das deutet darauf hin, dass Imidacloprid ein für die Erfüllung der Anforderungen der EU-Wasserrahmen-Richtlinie relevanter Schadstoff in Oberflächen-Gewässern ist“, hält die Bundesregierung in ihrer Antwort auf eine Kleine Anfrage der Grünen zu GAUCHO & Co. fest.

Lubbock: BAYER & Co. in der Kritik
Im texanischen Bezirk Lubbock befinden sich neben dem Leverkusener Multi noch viele andere Chemie-Unternehmen. 390 Tonnen teils hochgefährlicher Stoffe lagern auf den Firmen-Arealen, oft in bedenklicher Nähe zu Siedlungen. Als es im Mai vergangenen Jahres auf dem BAYER-Gelände zu einem Austritt von Chlorwasserstoff kam, mussten deshalb die EinwohnerInnen eines ganzen Stadtteils von Guadalupe ihre Häuser verlassen. Besonders der geringe Abstand der Fabriken zu Schulen beunruhigt die LubbockerInnen. So liegen nach einer Studie des „Center for Effective Government“ 27 Bildungseinrichtungen mit insgesamt 9.500 SchülerInnen im „Einzugsgebiet“ von BAYER & Co. Die BürgerInnen verlangten aus diesem Grund genauere Information über die Substanzen, aber die Verantwortlichen des Regierungsbezirkes verweigerten die Auskunft.

Das Aus für Mikroplastik?
BAYER & Co. drängen mit ihrer Plaste & Elaste auf den Kosmetika-Markt. So finden sich in Zahnpasten, Dusch-Peelings und Kontaktlinsen-Reinigern viele Kunststoff-Produkte. Der Leverkusener Multi produziert beispielsweise Polyurethane zur Verstärkung der Haftkraft von Wimperntusche und Make-Ups. Diese Mikroplastik-Teilchen können nicht nur Gesundheitsstörungen verursachen, sondern auch die Umwelt schädigen, denn sie passieren die Kläranlagen unbehelligt. In den Gewässern bilden die Substanzen dann den besten Nährboden für andere Giftstoffe und potenzieren so ihre Gefährlichkeit noch einm

[30 Jahre Bhopal] STICHWORT BAYER 04/2014

CBG Redaktion

30 Jahre Bhopal

Die endlose Katastrophe

Am 3. Dezember 1984 ereignete sich im indischen Bhopal die bisher größte Chemie-Katastrophe der Menschheitsgeschichte. Ein Tank mit Methylisocyanat explodierte, und eine riesige Giftwolke legte sich über die Stadt. Tausende fielen ihr gleich zum Opfer; Zehntausende erlagen den Spätfolgen. Und noch immer geht das Sterben weiter, denn eine Sanierung des Geländes unterblieb. Bhopal ist also alles andere als ein abgeschlossenes Kapitel, noch dazu können jederzeit neue hinzukommen, wie zuletzt der Fall „Fukushima“ gezeigt hat. Gelernt haben BAYER & Co. aus dem Super-GAU nämlich nichts: Die Konzerne ordnen die Sicherheit weiterhin rücksichtslos dem Profitstreben unter.

Von Jan Pehrke

Wann immer es heutzutage zu einer verheerenden Explosion auf einem Fabrik-Gelände kommt und die Menschen nach einem Gradmesser des Schreckens suchen, fällt das Wort „Bhopal“. Die Menschen, welche die Katastrophe am 3. Dezember 1984 selber miterlebten, hatten auch das Bedürfnis, Vergleiche zu finden, um das Unfassbare ein wenig fasslicher zu machen und assoziierten noch Apokalyptischeres. „Ich dachte, eine Chemie-Bombe wäre hochgegangen, irgendjemand hatte das irgendwann schon einmal gesehen, Hiroshima ... plötzlich war es real“, so beschrieb der Inder Ashay Chitre die Ereignisse. Und es dauerte nicht lange, bis er die Auswirkungen am eigenen Leib spürte: „Irgendetwas Unsichtbares gelangte in den Raum. Meine Augen begannen zu brennen und zu tränen. Ich brauchte Luft ...“
Von Quatl-ki-raat – der Nacht des Massakers – sprachen die InderInnen später. Wie viele Personen ihr direkt zum Opfer fielen, darüber gehen die Angaben auseinander. Die Schätzungen reichen von 3.500 bis 15.000 Toten binnen der ersten drei Tage – offizielle Zahlen wurden nie erhoben. Die Spätfolgen rafften noch einmal mindestens 20.000 Menschen dahin. Und das Sterben geht weiter. Weil nie eine Sanierung des Firmengeländes stattgefunden hat, gelangen nach wie vor gefährliche Substanzen in Boden und Grundwasser und vergiften die BewohnerInnen des unmittelbar an das Areal angrenzenden Armenviertels. Vor allem an Atemwegserkrankungen, aber auch an Krebs oder bis zur Blindheit führenden Sehstörungen leiden sie. Diese AnwohnerInnen haben Bhopal mittlerweile in den Genen und geben die Schädigungen auch an ihre Kinder weiter. So perpetuiert sich das Desaster von Generation zu Generation.
Seinen Anfang nahm es in einem Pestizid-Werk des US-Unternehmens UNION CARBIDE CORPORATION. Wasser sickerte in einen mit der Chemikalie Methylisocyanat (MIC) gefüllten Tank ein und löste eine chemische Reaktion aus. Dabei erhöhte Kohlendioxid den Innendruck so stark, dass das Behältnis explodierte. 25 bis 40 Tonnen MIC und andere Reaktionsprodukte bildeten eine Giftwolke, die sich über das Elendsquartier legte.
BAYER als Hersteller von MIC besaß umfassende Informationen über die Wirkung der Substanz auf den menschlichen Organismus. Deshalb forderten die indischen Behörden den Chemie-Multi auf, den HelferInnen dieses Wissen zur Verfügung zu stellen, um Menschenleben zu retten. Aber der Konzern blockte ab. Er schickte zwar ExpertInnen nach Bhopal, betrachtete das Katastrophengebiet aber lediglich als riesiges Freiland-Labor für eigene Studien. Ashay Chitre empörte sich über solche ForscherInnen: „Ich bin zu vielen Ärzten und Wissenschaftlern gegangen, und jeder wollte seine Hand auf mich legen, weil ich ein Opfer bin, nicht aber, weil er mir helfen wollte. Das Opfer als Versuchskaninchen“.

Katastrophe mit Ansage
Um höhere Gewalt handelte es sich bei der Methylisocyanat-Freisetzung nicht. „Es war eine Katastrophe mit Ansage“, sagt mit T. R. Chouhan einer, der es wissen muss: Er hat nämlich als Ingenieur in der Fabrik gearbeitet. Ihm zufolge hat die Anlage von Beginn an nicht den gängigen Schutz-Anforderungen entsprochen. Und als der Absatz der MIC-Pestizide zurückging und sogar eine Schließung des Werkes auf der Tagesordnung stand, fuhr der Konzern die Präventionsmaßnahmen sogar noch weiter zurück – Sicherheit nach Geschäftslage also.
Die von Chouhan, der sich heute für die Bhopal-Opfer engagiert, und anderen erstellte Mängelliste umfasst unzählige Punkte. UNION CARBIDE entließ Personal, vernachlässigte die Sicherheitsausbildung und verlängerte die Wartungsintervalle. Reparaturbedürftige Edelstahl-Teile ersetzte das Unternehmen kurzerhand durch solche aus einfachem Stahl. Zudem verwendete es minderwertiges MIC und überfüllte die Tanks, was beides die fatale chemische Reaktion noch zusätzlich anheizte. Natronlaugen-Wäscher und Gasfackel - Vorrichtungen, die im Falle eines Falles austretendes Gas neutralisieren sollten – waren zum Zeitpunkt der Katastrophe abgeschaltet oder nicht funktionstüchtig. Auch das separate Kühlsystem war nicht betriebsbereit.
Nach dem Super-GAU stand dann die gesamte Chemie-Produktion auf dem Prüfstand. UNION CARBIDE musste sich beispielsweise sofort drängende Fragen zum Bhopal-Schwesterwerk im US-amerikanischen Institute gefallen lassen. Das Unternehmen beschwichtigte umgehend. Die beiden Anlagen seien nicht zu vergleichen, weil es am US-Standort automatisierte Kontrollen, Chloroform- statt Wasserkühlung, für reines MIC sorgende Zwischentanks und besser ausgebildetes Personal gebe, erklärte die US-Firma. Dass der Konzern dabei so en passant zugab, eine Politik der doppelten Standards zu betreiben – schon bei der Entscheidung, in Bhopal eine Fertigungsstätte aufzubauen, hatten die niedrigeren Sicherheitsanforderungen eine wesentliche Rolle gespielt – nahm er als kleineres Übel billigend in Kauf. Aber auch der Leverkusener Multi sah sich in Sachen MIC-Herstellung zu einer Stellungnahme gezwungen. „Die BAYER AG verwendet ein völlig anderes Produktionsverfahren“, verlautete aus der Konzern-Zentrale. Als „vertrauensbildende Maßnahme“ verschickte er zusätzlich „Fakten zur Produktion von Methylisocyanat“ an über 200 Zeitungen, Zeitschriften, Agenturen und TV-Sender. Das Bundesumweltministerium ließ sich durch solche und andere propagandistische Manöver der Branche nicht so leicht überzeugen. Es schätzte die Gefahrenlage bei den Unternehmen – zumindest intern – anders ein. „Chemie-Anlagen mit einem Gefahren-Potenzial wie in Bhopal gibt es in der Bundesrepublik zu Hunderten“, zitierte das Magazin Natur aus einem vertraulichen Papier der Behörde.

Die Aktionen der CBG
Die COORDINATION GEGEN BAYER-GEFAHREN (CBG) meldete ebenfalls gleich erhebliche Zweifel an den Beteuerungen der Big Player an. Gegründet nach einem verheerenden Salzsäure-Unfall in Wuppertal, wusste die Initiative nur zu gut um die „BAYER-Gefahren“, die von einer profitgetriebenen Chemie-Produktion ausgehen. Darum startete die CBG umgehend Initiativen. Vorständler Axel Köhler-Schnura nahm beispielsweise Mitte Dezember 1984 an einer Pressekonferenz mehrerer Organisationen zu „Bhopal ist überall“ teil, wo er BAYER zufolge „Falschmeldungen zur MIC-Produktion“ verbreitete, was nicht ohne Folgen blieb. „Am 13. Dezember übernahm die Abgeordnete der ‚Grünen‘, Antje Vollmer, fast wörtlich die Köhler-Falschmeldung in einer ‚Aktuellen Stunde‘ des Bundestages“, beklagte sich der Konzern. Zum ersten Jahrestag der Explosion hielt die CBG dann Mahnwachen vor den BAYER-Werken ab.
Und auch in den folgenden Jahren vergaß die Coordination Bhopal nicht. So hat sie 1994 gemeinsam mit dem BUND in Köln die Konferenz „Bhopal - 10 Jahre danach“ abgehalten. Außerdem veröffentlichte das Netzwerk zusammen mit dem BUND und dem PESTICIDES TRUST den Aufruf „Bhopal mahnt“, den rund 300 Organisationen und Einzelpersonen unterzeichneten. „Schluss mit der einzig den Profiten verpflichteten Sicherheitslüge der Chemie-Konzerne“ lautete eine der Forderungen. Zudem verlangten die Gruppen die Stilllegung besonders gefährlicher Werke, den Stopp der doppelten Standards sowie mehr Transparenz und eine größere Unterstützung der Opfer der Katastrophe.
Im selben Jahr reiste Axel Köhler-Schnura auch zu den Verhandlungen des „Permanent Peoples` Tribunal“ nach London. Dieser unabhängige internationale Gerichtshof hatte sich als Nachfolge-Gremium des Russell-Tribunals seit 1991 mit Bhopal beschäftigt und die von der Industrie-Produktion ausgehenden Gefährdungen generell zum Thema gemacht. Zur „Beweisaufnahme“ konnte die Coordination viel beitragen. „Die CBG ist Zeugin einer endlosen Kette von Fällen, in denen BAYER-Gefahren Menschen und Umwelt den Tod brachten durch Unfälle, normale tägliche Produktion, Abfälle und nicht zuletzt durch chemische und biologische Waffen“, konstatierte der Aktivist in seiner Rede und nannte als damals aktuelles Beispiel die HIV-verseuchten Blutprodukte des Leverkusener Multis. Aus solchen von Köhler-Schnura und anderen vorgetragenen Kapital-Verbrechen zog das „Permanent Peoples` Tribunal“ dann einen Schluss: Es gilt, den Schutz vor Industrie-Gefahren als ein Menschenrecht zu verankern. Und so präsentierten die JuristInnen zum Ende der Konferenz den Entwurf einer entsprechenden Charta.
Die Coordination beteiligte sich anschließend auch an der Ausarbeitung und brachte die Endfassung 1996 unter dem Titel „Menschenrechte und Industrie-Gefahren“ zweisprachig heraus. 39 Artikel umfasste die Charta schließlich. Unter anderem proklamierte die Schrift das Recht auf ein gefahrenfreies Arbeits- und Lebensumfeld, das Recht, Unternehmen für ihre Geschäftspolitik zur Verantwortung zu ziehen, das Recht zur Durchsetzung von Gesundheits- und Sicherheitsvorschriften sowie das Recht auf Ablehnung gefährlicher Produktionsanlagen.

Bhopal/Institute
Fünf Jahre später musste sich die COORDINATION GEGEN BAYER-GEFAHREN dann noch direkter mit Bhopal und den Folgen auseinandersetzen, denn das Schwester-Werk der in Indien hochgegangenen Produktionsanlage gelangte in den Besitz BAYERs. Nun hatte es zwar gleich nach der Chemie-Katastrophe geheißen, die MIC-Produktion in Institute laufe ganz anders ab und in Teilen stimmte das sogar, aber die Fertigungsstätte wies noch genug gefährliche Familien-Ähnlichkeiten auf. Allein zwischen 1979 und 1984 traten 190 Leckagen auf; 28 Mal gelangte dabei MIC ins Freie. Zum größten Knall kommt es am 28. August 2008. Zwei Menschenleben forderte er. Von „Schockwellen wie bei einem Erdbeben“ sprachen AugenzeugInnen. „Die Explosion in dem BAYER-Werk war besonders beunruhigend, weil ein mehrere Tonnen wiegender Rückstandsbehälter 15 Meter durch das Werk flog und praktisch alles auf seinem Weg zerstörte. Hätte dieses Geschoss den MIC-Tank getroffen, hätten die Konsequenzen das Desaster in Bhopal 1984 in den Schatten stellen können“, hieß es später in einem Untersuchungsbericht des US-Kongresses.
Nicht umsonst hat deshalb die „International Campaign for Justice in Bhopal“, 2009 auf ihrer Bustour zum Gedenken an „25 Jahre Bhopal“, nicht nur am BAYER-Stammsitz Leverkusen, sondern auch in Institute Station gemacht. Und für die AktivistInnen aus Indien war es eine ganz besondere Begegnung. „Das war einer unserer seltenen Stopps in den USA, wo wir einen anderen betroffenen Ort besuchten. Es war sehr bewegend und schockierend zu sehen, dass aus dem Bhopal-Desaster nicht gelernt wurde (...) Festzustellen, wie dicht die Fabrik an die Wohnsiedlungen heranreicht, hat uns alle sehr deprimiert“, sagte Rachna Dhingra damals in einem SWB-Interview.

Kostenfaktor Sicherheit
Aber nicht nur über Institute weht der Geist von Bhopal. Die Unfallliste, welche die Coordination seit Anfang der 1990er Jahre systematisch führt, wächst Jahr um Jahr. Allein für 2013 weist sie zehn Einträge auf. Am US-amerikanischen Standort Muskegon und in Wuppertal trat Methanol aus, in Kansas Ammoniak und in Krefeld Salzsäure. Im indischen Vapi gelangte underdessen Chlorwasserstoff ins Freie. Zweimal lief der Flüssigklebstoff DESMODUR aus; ebenfalls zweimal floss auf Seetransporten das Kunststoff-Vorprodukt Polyol ins Meer. Und auf dem Gelände des chinesischen BAYER-Standorts Chengdu schließlich entzündete sich ein Behälter, der mit der gesundheitsschädlichen Chemikalie Isoamylacetat gefüllt war.
Eine Aussicht auf Besserung gibt es nicht. Der Konzern betrachtet die Störfälle einfach als Risiken und Nebenwirkungen der Betriebsabläufe. Sicherheit ist für ihn immer nur relativ – eine von der Profit-Kalkulation abhängige Variable. Wenn der neueste Stand der Technik zu viel kostet, dann greift das Unternehmen zur billigeren Variante. Verbesserungen traten deshalb bisher nur ein, wenn Druck von Seiten der Öffentlichkeit kam. So wollte der Leverkusener Multi selbst nach der Schreckensnacht vom 28. August 2008 die Methylisocyanat-Herstellung in Institute nicht einstellen. Erst eine Klage der Initiative „People concerned about MIC“ führte zum Produktionsstopp.
Exemplarisch zeigt sich diese Abwehrhaltung bei der Konzipierung von neuen Projekten. Vehement weigerte BAYER sich, die jüngst in Dormagen errichtete TDI-Anlage mit einer Beton-Ummantelung zu schützen und den Abstand zu Wohnsiedlungen und Verkehrseinrichtungen zu vergrößern, obwohl im Fertigungsprozess das gefährliche Giftgas Phosgen zur Anwendung kommt. Nur dank des Engagements der Coordination und anderer Initiativen machten die Behörden dem Global Player dann wenigstens zur Auflage, Detektoren aufzustellen, die bei einem Gas-Austritt anschlagen, und an der S-Bahn-Station „Dormagen BAYER-Werk“ einen Schutzraum einzurichten. Am Skandalösesten zeigt sich die Ignoranz des Pharma-Riesen gegenüber Sicherheitsbedenken jedoch bei der Kohlenmonoxid-Pipeline. Trotz massiver Proteste, Verfassungsbedenken des Münsteraner Oberlandesgerichtes (siehe Seite 6/7) und einfach zu realisierenden Alternativen hält er unverdrossen daran fest, ein tödliches Gas auf einer Strecke von 66 km quer durch Nordrhein-Westfalen leiten zu wollen.
Wenn die Geschichte von Bhopal nicht nur eine von Bhopal ist, „sondern eine von Unternehmen, die von Gier und Profiten getrieben sind und diese über das Leben von Menschen und die Umwelt stellen“, wie die Aktivistin Rachna Dhingra meint, dann ist BAYER unverbrüchlich Teil dieser Geschichte. Und dann kann sich diese Geschichte, solange die Rendite-Jagd fortbesteht, auch jederzeit wiederholen. Die vorerst letzte Lektion dieser Art hat Fukushima erteilt.

Essure

CBG Redaktion

Presse Information vom 1. Oktober 2014

umstrittenes Sterilisations-Produkt ESSURE

USA: Klage gegen BAYER eingereicht

In den USA berichten mindestens 7.000 Frauen über schwere Nebenwirkungen des Sterilisations-Produkts ESSURE, darunter Blutungen, chronische Schmerzen, Uterus-Perforationen, Hautausschläge und Allergien. Mehrere Betroffene mussten sich die Gebärmutter entfernen lassen. Auch kam es zu einer Reihe ungewollter Schwangerschaften.

In Philadelphia hat eine Geschädigte Klage gegen BAYER eingereicht. In der Klageschrift heißt es unter anderem, dass BAYER falsche Angaben zur Wirksamkeit des Präparats gemacht habe und damit die Bestimmungen der US-Aufsichtsbehörde FDA verletze. Hierdurch sei die von der FDA erteilte vorläufige Zulassung hinfällig. Die vollständige Klageschrift findet sich unter http://www.cbgnetwork.org/downloads/Essure_Charge_Philadelphia.pdf.

ESSURE wird direkt in die Eileiter implantiert. Kunststoff-Fasern sorgen für ein starkes Wachstum des Bindegewebes, wodurch die Eileiter verschlossen werden. Der BAYER-Konzern hatte das Produkt im vergangenen Jahr von der Firma Conceptus übernommen.

Michelle Garcia, eine Geschädigte aus Florida, brachte das Thema auf die Tagesordnung der jüngsten BAYER-Hauptversammlung in Köln. Die Facebook-Gruppe „ESSURE Problems“ hat mittlerweile über 10.000 Mitglieder. Auch die bekannte Umweltaktivistin Erin Brockovich unterstützt die Kampagne.

Das alles zeigt Wirkung – die Umsätze entwickeln sich nicht so wie erhofft. Die genauen Zahlen will der Konzern zwar auf Nachfrage nicht nennen. Bei einer Investoren-Konferenz im Juli 2014 musste das Unternehmen aber Probleme eingestehen: „Es gibt ein paar Klagen in den sozialen Medien, aber die Dinge bessern sich.“ Weitere Verfahren gegen BAYER richten sich gegen erhöhte Thrombose-Gefahren der Antibabypille Yaz/Yasmin sowie gegen Blutungsrisiken des Gerinnungshemmers Xarelto.

Verkauf BMS

CBG Redaktion

Presse Information vom 18. September

„Schlechte Aktien für die Belegschaft“

BAYER verkauft Kunststoff-Sparte / extrem gefährliche Anlagen betroffen / Absenkung der Anlagensicherheit befürchtet

Die Coordination gegen BAYER-Gefahren (CBG) befürchtet durch den heute angekündigten Verkauf von Bayer MaterialScience negative Auswirkungen für die Belegschaft sowie eine Absenkung der Betriebssicherheit. Jan Pehrke vom Vorstand der CBG: „Der BAYER-Vorstand stellt das Wohl der Mitarbeiter hinter die Wünsche der Finanzmärkte. Die großen Opfer der Belegschaft in den letzten Jahren waren damit umsonst. Wir befürchten eine weitere Vernichtung von Arbeitsplätzen sowie eine Absenkung der Löhne, wie bei vielen anderen Ausgliederungen zu beobachten“.

Immer wieder hatten Finanzinvestoren in den letzten Jahren von BAYER den Verkauf der Kunststoff-Sparte gefordert. Bisher hatte sich der Multi dem Druck nicht gebeugt. Noch im Juli hatte der Vorstandsvorsitzende Marijn Dekkers in einem Interview betont: „Das Beste ist, den eingeschlagenen Weg fortzusetzen.“ Der jetzt vollzogene Traditionsbruch wird die Standorte des Konzerns vor massive Probleme stellen. Die Gewerkschaftsvertreter müssten den Plänen bei der heutigen Aufsichtsratssitzung daher die Zustimmung verweigern, so Jan Pehrke.

Philipp Mimkes vom Vorstand der CBG befürchtet Konsequenzen für die Anlagensicherheit: „Die künftigen Besitzer werden versucht sein, die Kosten für Wartung, Personal und Feuerwehr weiter abzusenken. Dies führt automatisch zu höheren Störfallrisiken. Da Bayer MaterialScience einige der – nach Atomkraftwerken – gefährlichsten Industrieanlagen in Deutschland betreibt, ist dies für die Öffentlichkeit von größtem Interesse. BAYER muss sicherstellen, dass die Betriebssicherheit durch den Verkauf nicht verringert wird.“

Nach Ansicht der CBG ist es auch denkbar, dass die Sparte in den nächsten Jahren parzelliert und in Teilen weiterverkauft wird – so wie bei der BAYER-Ausgliederung Lanxess geschehen. Im Fall eines größeren Störfalls hätte dies Konsequenzen für Anwohner/innen und Belegschaft, da kleinere Unternehmen in geringerem Umfang haften.

Unter dem Dach von MaterialScience befinden sich zahlreiche hochgefährliche Anlagen, zum Beispiel die Produktion von Polyurethan, bei der große Mengen toxischer Stoffe wie Chlor, Ammoniak, Kohlenmonoxid sowie das ehemalige Kampfgas Phosgen eingesetzt werden. Seit Jahrzehnten in der Kritik steht auch der hormonaktive Kunststoff Bisphenol A, der trotz Warnungen von Toxikologen in Lebensmittelverpackungen, Trinkflaschen, Kassenbons und Zahnfüllungen zum Einsatz kommt.

Konsequenzen hat der Schritt auch für die umstrittene CO-Pipeline zwischen Dormagen und Krefeld, die gegenwärtig wegen Gerichtsbeschlüssen auf Eis liegt. „Sollte die Pipeline jemals in Betrieb gehen, so wäre völlig unklar, von wem sie in zehn oder zwanzig Jahren betrieben wird. Auch das Sicherheitsniveau und die maximale Haftung stünden in den Sternen – ein Argument mehr, dieses unselige Projekt endlich aufzugeben“, so Mimkes weiter.

BAYER hatte den Beschäftigten der Kunststoff-Sparte in den vergangenen Jahren zahlreiche Zugeständnisse abverlangt, um die angeblich schlechten Geschäftszahlen zu verbessern und die Sparte im Unternehmen zu halten. BAYER hatte über 2.000 Arbeitsplätze bei MaterialScience vernichtet, Werke geschlossen, unter Tarif entlohnt, Effizienz-Programme gestartet und Bonus-Zahlungen gestrichen.

Unlautere Werbung

CBG Redaktion

Presse Information vom 17. September 2014

BAYER: US Regierung verlangt erneute Strafzahlung

Unlautere Werbeaussagen für Darm-Präparat

Die amerikanische Regierung wirft dem Pharmaunternehmen BAYER vor, unbewiesene Werbeversprechen zu seinem Darm-Präparat Philipps´ Colon Health zu verbreiten. In einem am Bezirksgericht New Jersey eingereichten Antrag verlangt das Justizministerium eine tägliche Strafzahlung von 25.000 Dollar. Hiermit solle ein „anhaltender Schaden für die Verbraucher“ gestoppt werden.

BAYER hatte mehrere Millionen Dollar in eine Print- und TV-Kampagne für das frei erhältliche Produkt gesteckt. Darin behauptet der Konzern, das im Jahr 2008 eingeführte Präparat schütze vor Verstopfungen, Blähungen, Durchfall und Völlegefühl. Nach Ansicht der Behörden liegen hierfür keine wissenschaftliche Nachweise vor.

Philipp Mimkes von der Coordination gegen BAYER-Gefahren: „Ob bei Potenz-, Schmerz- oder Nahrungsergänzungsmitteln, immer wieder setzt BAYER auf unlautere Werbemethoden. Der Konzern gefährdet dadurch wissentlich die Gesundheit der Patientinnen und Patienten“. Die Coordination gegen BAYER-Gefahren fordert ein allgemeines Werbeverbot für Medikamente und Nahrungsergänzungsmittel.

Im Jahr 2007 hatte die US-Regierung gegen BAYER eine Rekord-Strafe von 3,2 Millionen Dollar für ungerechtfertigte Werbeaussagen zu Diätpillen aus der ONE A DAY-Serie verhängt. BAYER hatte sich daraufhin verpflichten müssen, weitere unbegründete Werbeversprechen über freiverkäufliche Mittel zu unterlassen. Wörtlich heißt es nun in der 37-seitigen Klageschrift: „Nach Schätzung der Vereinigten Staaten haben die Verbraucher mehrere hundert Millionen Dollar für dieses Produkt ausgegeben. Aufgrund der umfassenden und ungerechtfertigten Aussagen zur Wirksamkeit des Produkts, die gegen die gerichtliche Anordnung aus dem Jahr 2007 verstoßen, sollten die Verbraucher entschädigt werden.“ Stuart F. Delery, Sprecher des Ministeriums, ergänzt: „Das Justizministerium wird nicht tolerieren, dass Unternehmen einen unfairen Vorteil gegenüber der Konkurrenz erlangen, indem sie ungerechtfertigte Werbeaussagen tätigen.“

In den USA vertreibt BAYER unter dem Markennamen ONE-A-DAY zahlreiche Nahrungsergänzungspräparate ohne jeglichen Wirksamkeitsnachweis. Nach Angaben des Konzerns sollen die Präparate das Herz und die Immunabwehr stärken, die Sehfähigkeit steigern und dem Körper zu mehr Energie verhelfen. Dank solcher Versprechungen machte BAYER im vergangenen Geschäftsjahr einen Umsatz von über einer Milliarde Euro mit Nahrungsergänzungsmitteln.

weitere Informationen:
=> US government: bogus claims over Bayer colon supplement
=> Diätpillen: Millionen-Buße wegen unlauterer Werbung
=> Marketing für Nahrungsergänzungsmittel verantwortungslos
=> unlautere Werbung für Aspirin

[Hochschulgesetz] Hochschulgesetz NRW

CBG Redaktion

Presse Info vom 12. September 2014
Coordination gegen BAYER-Gefahren

Neues NRW-Hochschulgesetz: Kooperationen mit der Industrie bleiben im Geheimen

Unternehmen bestellen Studien, engagieren Professor und gründen Institute, die in ihrem Auftrag forschen. Trotz anders lautender Versprechen belässt die NRW-Landesregierung die Kooperation von Hochschulen mit der Industrie im Dunkeln.

Die Coordination gegen BAYER-Gefahren (CBG) kritisiert das Einknicken der NRW-Landesregierung vor den Drohungen der Wirtschaftsverbände. Auch künftig wird nach dem gestern beschlossenen „Hochschulzukunftsgesetz“ die Zusammenarbeit von Universitäten mit der Industrie im Geheimen stattfinden.

Der ursprüngliche Entwurf des Gesetzes hatte vorgesehen, zumindest die Inhalte, den finanziellen Umfang und die an den Drittmittelprojekten beteiligten Akteure vorab offenzulegen. Die Landesregierung gab jedoch dem Druck der Industrie nach und schwächte den entsprechenden Passus entscheidend ab: Die Öffentlichkeit wird nun erst im Nachhinein informiert. Art und Umfang der Offenlegung bleiben dabei im Ermessen von Hochschulen und Unternehmen; zudem kann eine Unterrichtung der Öffentlichkeit ganz unterbleiben, wenn angebliche Betriebsgeheimnisse in Gefahr sind.

Philipp Mimkes von der Coordination gegen BAYER-Gefahren: „Das Gesetz bekräftigt das Primat wirtschaftlicher Interessen gegenüber einer dem Allgemeinwohl verpflichteten Forschung.“ Mimkes kritisiert, dass die Öffentlichkeit erst nach Beendigung einer Kooperation informiert werden soll. Hierdurch werde eine Diskussion über die Ausrichtung universitärer Forschung verhindert: „Öffentliche Einrichtungen, die aus Steuergeldern finanziert werden, müssen sich dieser Debatte stellen – und zwar nicht erst, wenn bereits Fakten geschaffen wurden. Die Firmen werden darauf drängen, den Großteil aller relevanten Informationen als „Betriebsgeheimnisse“ zu deklarieren“. Mimkes kritisiert, dass die Regierung ihr Versprechen gebrochen habe, für mehr Transparenz zu sorgen. Der Gesetzesentwurf ist online abrufbar (zu den Transparenzregeln siehe §72).

Die Coordination gegen BAYER-Gefahren hatte auf Offenlegung des im Jahr 2008 geschlossenen Kooperationsvertrags zwischen der Uniklinik Köln und der BAYER HealthCare AG geklagt, da sie eine Ausrichtung der pharmakologischen Forschung nach rein wirtschaftlichen Kriterien befürchtet. Der Landesbeauftragte für Informationsfreiheit hatte den Vertrag geprüft und einer Einsichtnahme zugestimmt. BAYER und Uni Köln hatten sich über das Votum jedoch hinweggesetzt. Das Verfahren ist gegenwärtig beim Oberverwaltungsgericht in Münster anhängig.

Wie eng Uni Köln und der BAYER-Konzern kooperieren, wird auch an einer Personalie deutlich: Leiter des Hochschulrats ist Richard Pott, der mehr als zehn Jahre lang Vorstandsmitglied von BAYER war.

Hochschulzukunftsgesetz (HZG NRW), Drucksache 16/6694

§ 71 a
Transparenz bei der Forschung mit Mitteln Dritter

(1) Das Rektorat informiert die Öffentlichkeit in geeigneter Weise über abgeschlossene Forschungsvorhaben nach § 71 Absatz 1.
(2) Hinsichtlich des Schutzes personenbezogener Daten gelten die §§ 9 und 10 des Informationsfreiheitsgesetzes entsprechend.
(3) Eine Information nach Absatz 1 findet nicht statt, soweit durch die Übermittlung der Information ein Betriebs- oder Geschäftsgeheimnis offenbart wird und dadurch die Gefahr des Eintritts eines wirtschaftlichen Schadens entsteht. Der oder dem Dritten ist vorher Gelegenheit zur Stellungnahme zu geben.
(4) Die Absätze 1 bis 3 gelten für Entwicklungsvorhaben und Vorhaben zur Förderung des Wissenstransfers entsprechend.
(5) Die Aufgabe und Befugnis der Hochschulen, die Öffentlichkeit über die Erfüllung ihrer Aufgaben zu unterrichten, bleibt ansonsten unberührt.

weitere Informationen zur Kampagne

[Carl Duisberg] Dortmund: Stadtarchiv plädiert für Umbenennung der Carl-Duisberg-Straße

CBG Redaktion

ehem. BAYER-Direktor verantwortlich für Giftgas-Einsatz und Zwangsarbeit / Umbenennungen auch in Wuppertal, Frankfurt und Leverkusen gefordert

Presse Info, 11. Sept. -- Das Dortmunder Stadtarchiv schlägt die Umbenennung von sechs Straßen vor, deren Namensgeber historisch belastet sind. Neben den nationalsozialistischen Schriftstellern Karl Wagenfeld und Friedrich Castelle findet sich auch der frühere BAYER-Generaldirektor Carl Duisberg auf der Liste. Der städtische Ausschuss für Anregungen und Beschwerden befürwortete die Empfehlungen in seiner Sitzung am Dienstag.

Jan Pehrke, Vorstandsmitglied der Coordination gegen BAYER-Gefahren, begrüßt das Votum: „Carl Duisberg war der geistige Vater der IG FARBEN und ging für Profite buchstäblich über Leichen. Wegen seiner Mitverantwortung für Gaskrieg, Zwangsarbeit und die enge Zusammenarbeit mit dem Nazi-Regime taugt er nicht als Vorbild für künftige Generationen. Auch die noch verbleibenden Carl-Duisberg-Straßen im Land sowie das Duisberg-Gymnasium in Wuppertal sollten nun umbenannt werden“.

Wörtlich heißt es in der Stellungnahme des Archivs: „In der Bewertung der Person Carl Duisbergs durch das Stadtarchiv wurden durchaus auch die bis heute positiv zu wertenden Aspekte in seiner Lebensleistung berücksichtigt. Nichtsdestotrotz empfiehlt das Stadtarchiv, bei der Abwägung aller Aspekte des Lebens von Carl Duisberg, eine Umbenennung.“

Zur Begründung schreibt das Stadtarchiv: „Während des Ersten Weltkriegs wurde unter seinem Vorsitz Giftgas für den Kriegseinsatz produziert. (…) Duisberg gehörte zu den führenden deutschen Industriellen, die während des Krieges die - auch nach dem damals geltenden internationalen Kriegsrecht illegale - Deportation belgischer Zivilisten zur Zwangsarbeit nach Deutschland durchsetzten. (…) Carl Duisberg war aktives Mitglied im antisemitischen Alldeutschen Verband. Als Patriarch lehnte er bis zu seinem Tod Gewerkschaften entschieden ab. Er war von Beginn an Gegner der Weimarer Demokratie.“

Die Überprüfung aller Dortmunder Straßennamen geht auf einen Antrag des früheren Ratsmitglieds Richard Kelber zurück. Über die Änderungen der Straßennamen entscheiden nun abschließend die zuständigen Bezirksvertretungen. Betroffen wären zwischen 63 Anwohner/innen in der Castellestraße und 129 in der Stehrstraße. Die Umbenennung der Carl-Duisberg-Straße ist am einfachsten, da sie nur einen einzigen Anlieger hat – ausgerechnet das Carl Duisberg Centrum, das zudem am Ende des Monats schließt.

Zum 150. Geburtstag von Carl Duisberg vor drei Jahren hatten sich unter anderem in Wuppertal, Leverkusen, Frankfurt und Marburg Initiativen gebildet, um Straßen, Schulen und Wohnheime, die den Namen des ehemaligen BAYER-Generaldirektors tragen, umzubenennen. Auch ein Entzug der Leverkusener Ehrenbürgerwürde war gefordert worden. In Frankfurt läuft das Umbenennungsverfahren der Duisbergstraße noch; in Marburg führte das Engagement immerhin dazu, am dortigen Carl-Duisberg-Haus eine Plakette mit einer „Kritischen Würdigung“ anzubringen.

weitere Informationen
=> vollständige Stellungnahme des Stadtarchivs
=> Kampagne zu Carl Duisberg
=> Ruhr Nachrichten: „Belastete Namenspaten“

Die Empfehlung des Dortmunder Stadtarchivs im Wortlaut (Auszug):

4. Carl-Duisberg-Straße (Stadtbezirk Innenstadt West) / benannt 1974

Namengeber: Friedrich Carl Duisberg
geb 29.09.1861 in Barmen (heute Wuppertal)
† 19.03.1935 in Leverkusen
Chemiker und Industrieller, Vorstandsvorsitzender

Während des Ersten Weltkriegs wurde unter seinem Vorsitz Giftgas für den Kriegseinsatz produziert. In Leverkusen wurde u. a. Phosgen produziert, ein Giftgas, das in einem Lehrbuch folgendermaßen beschrieben wird: „Der Atem wird immer kürzer und stoßweiser, bis schließlich der Tod durch Ersticken eintritt. Das volle Bewusstsein bleibt auch bei dem schwersten Verlauf bis zum letzten Augenblick erhalten. Der Phosgentod ist also als ein ganz allmähliches Ertrinken im eigenen Blutserum aufzufassen.“
Duisberg gehörte auch - zusammen mit Walther Rathenau und Hugo Stinnes - zu den führenden deutschen Industriellen, die während des Krieges die - auch nach den damals geltenden internationalen Kriegrecht illegale - Deportation belgischer Zivilisten zur Zwangsarbeit nach Deutschland durchsetzten. Zudem war er maßgeblich an der Ausarbeitung des sogenannten „Hindenburg-Programms“ beteiligt, dem Wirtschafts- und Rüstungsprogramm der Dritten Obersten Heeresleitung von 1916, das die Fokussierung der gesamten Wirtschaft auf die Rüstungsproduktion vorsah.
Carl Duisberg war aktives Mitglied im antisemitischen Alldeutschen Verband. Als Patriarch lehnte er bis zu seinem Tod Gewerkschaften entschieden ab. Er war von Beginn an Gegner der Weimarer Demokratie.
In der Bewertung der Person Carl Duisbergs durch das Stadtarchiv wurden durchaus auch die bis heute positiv zu wertenden Aspekte in seiner Lebensleistung berücksichtigt.
Nichtsdestotrotz empfiehlt das Stadtarchiv, bei der Abwägung aller Aspekte des Lebens von Carl Duisberg, eine Umbenennung.
In Leverkusen und Wuppertal gibt es seit vielen Jahren politische Debatten über die Person Carl Duisbergs.

[Berocca] Nahrungsergänzungsmittel

CBG Redaktion

Presse Info vom 9. September 2014
Coordination gegen BAYER-Gefahren

CBG fordert generelles Verbot von Pharmawerbung

„BAYER-Marketing für Nahrungsergänzungsmittel verantwortungslos“

Die Coordination gegen BAYER-Gefahren (CBG) bezeichnet die Werbekampagne für das Multivitamin-Präparat BEROCCA als verantwortungslos, da es keine seriösen Studien über dessen Wirksamkeit gibt. Auch könnten Überdosierungen der Pillen, die eine obskure Mischung aus Vitamin B, Vitamin C, Folsäure, Zink und Magnesium enthalten, zu Gesundheitsschäden führen. Zur Markteinführung in den USA schaltete der BAYER-Konzern jüngst einen Werbeclip mit dem Schauspieler Joel McHale.

Angepriesen wird BEROCCA insbesondere als Mittel gegen Beschwerden nach Alkoholkonsum. Wissenschaftliche Studien hingegen kommen zu dem Ergebnis, dass es keine wirksamen Mittel gegen den „Kater“ gibt. In Deutschland bewirbt der Konzern das Präparat mit Versprechen wie „Vordenker müssen auf Zack sein. Berocca Performance unterstützt Dich dabei“.

Die Coordination gegen BAYER-Gefahren (CBG) fordert ein allgemeines Werbeverbot für Medikamente und Nahrungsergänzungsmittel – sowohl in Fachzeitschriften als auch in freiverkäuflichen Medien. Philipp Mimkes vom Vorstand der CBG: „Wirksame Medikamente werden sich immer durchsetzen, hierfür sorgen Studien, Fachzeitschriften und die medizinische Praxis. Werbung ist für den medizinischen Fortschritt nicht notwendig - im Gegenteil: Durch das allgegenwärtige Marketing werden unnötige und sogar gefährliche Präparate auf den Markt gedrückt“. Nach Ansicht von Mimkes gehört die Information über Medikamente in die Hände unabhängiger Wissenschaftler/innen und Behörden, nicht jedoch in die profitgetriebener Firmen. Durch ein Werbeverbot könnten zudem die Medikamentenpreise deutlich sinken, da die Pharmaindustrie bis zu 40 % ihres Umsatzes in das Marketing steckt.

Das Bundesinstitut für Risikobewertung (BfR) stellt klar, dass eine ausgewogene Ernährung für die Zufuhr aller wichtigen Nährstoffe ausreicht. Ergänzungspräparate sollten nur eingenommen werden, wenn tatsächlich ein Mangel vorliegt. Die Deutsche Gesellschaft für Ernährung (DGE) betont, dass sich die Folgen von ungesunder Ernährung nicht durch Nahrungsergänzungsmittel ausgleichen lassen. Zudem können Überdosierungen zu Gesundheitsschäden führen. So steht eine zu hohe Zufuhr von Vitamin C im Verdacht, die Bildung von Nierensteinen zu verursachen.

BAYER führt als Beleg für die angebliche Wirksamkeit von BEROCCA eine selbst finanzierte Studie an, bei der auch Mitarbeiter des Unternehmens mitwirkten. Sogar diese Auftragsstudie konnte lediglich bei einigen Rechenaufgaben eine verbesserte Leistungsfähigkeit feststellen - weitere Tests zeigten keinerlei Unterschiede. Die Autoren weisen selbst auf die mangelhafte Aussagekraft ihrer Ergebnisse hin.

In Deutschland liegt der jährliche Umsatz mit Nahrungsergänzungsmitteln bei rund 900 Millionen Euro. Das Geschäft mit den Produkten unterliegt kaum gesetzlichen Vorschriften. Klinische Studien über die Wirksamkeit und mögliche Risiken müssen die Hersteller vor der Vermarktung nicht durchführen.

In den USA vertreibt BAYER unter dem Markennamen ONE-A-DAY zahlreiche Nahrungsergänzungspräparate ohne jeglichen Wirksamkeitsnachweis. Nach Angaben des Konzerns sollen die Präparate das Herz und die Immunabwehr stärken, den Augen gut tun und dem Körper zu mehr Energie verhelfen. Dank solcher Versprechungen finden Nahrungsergänzungsmittel aus dem Hause BAYER reißenden Absatz: im Geschäftsjahr 2013 machte das Unternehmen damit einen Umsatz von über einer Milliarde Euro. Wegen irreführender Werbeaussagen hatte der Konzern wiederholt Strafzahlungen leisten müssen.

siehe auch:
=> wirkungsloses „Stärkungsmittel“ BAYER´S TONIC in Indien verkauft
=> unlautere Werbung für Aspirin

[CO-Pipeline] CO-Pipeline stoppen!

CBG Redaktion

Presse Info vom 28. August

OVG: CO-Pipeline verfassungswidrig

Großer Erfolg – aber Wachsamkeit weiter nötig

Die Coordination gegen BAYER-Gefahren bezeichnet den Beschluss des Oberverwaltungsgerichts (OVG) Münster zur CO-Leitung als großen Erfolg für Bürgerinitiativen, Kläger und Anwohner/innen. Die CBG führt die Proteste jedoch fort, da der BAYER-Konzern das Projekt weiter verfolgt.

Philipp Mimkes vom Vorstand der CBG: „Wir begrüßen, dass sich das Gericht unserer langjährigen Argumentation anschließt, wonach betriebliche Profite nicht mit dem Allgemeinwohl gleichzusetzen sind und die Genehmigung der CO-Pipeline daher nicht verfassungskonform ist. Dies ist ein wichtiger Etappensieg.“ Gleichwohl kritisiert Mimkes, dass das OVG die tödlichen Gefahren bei einem Austritt von Kohlenmonoxid nicht ausreichend berücksichtigt hat. „Die Richtlinien zum Bau von Pipelines sind nicht für Gefahrstoffe wie Kohlenmonoxid gemacht worden. Unter Berücksichtigung der hohen Risiken hätte das Gericht das Verfahren endgültig stoppen müssen“, so Mimkes weiter.

Der Fall wird nun vor dem Verfassungsgericht verhandelt. Sollte sich das Karlsruher Gericht der Argumentation des OVG nicht anschließen, so droht weiterhin der Betrieb der Pipeline.

Polizei, Feuerwehr und medizinische Dienste haben erklärt, dass sie die Sicherheit der Bevölkerung bei einem Unfall nicht gewährleisten können. Auch die betroffenen Kommunen lehnen die CO-Pipeline ab. Das Regierungspräsidium Düsseldorf musste einräumen, dass „zu Kohlenmonoxidfernleitungen keine umfänglichen Erfahrungsberichte existieren, da es sie weltweit kaum gibt“.

Die Coordination gegen BAYER-Gefahren fordert, dass Gefahrstoffe wie CO, Chlor oder Ammoniak – wenn überhaupt - ortsnah produziert und verarbeitet werden. Ein Transport durch dicht besiedelte Gebiete ist nicht zu verantworten und auch nicht notwendig. Das jüngste Gutachten der NRW-Landesregierung zeigt, dass BAYER ebenso gut in Krefeld eine neue CO-Produktion aufbauen und auf den Betrieb der Pipeline verzichten kann.

Auszug aus dem Urteil des OVG Münster:

Das Oberverwaltungsgericht sieht in dem Rohrleitungsgesetz einen Verstoß gegen das durch Art. 14 des Grundgesetzes geschützte Grundrecht der Kläger auf Eigentum. Zur Begründung hat der Senat im Wesentlichen ausgeführt: Die Pipeline stelle im Ausgangspunkt ein privatnütziges Vorhaben dar, durch das das Wohl der Allgemeinheit allenfalls mittelbar gefördert werden könne. Deshalb müsse sich das Rohrleitungsgesetz an den hohen Anforderungen messen lassen, die das Grundgesetz für eine Enteignung zu Gunsten privater Unternehmen enthalte. Der Gesetzgeber habe zwar einen weiten Einschätzungsspielraum, müsse aber den Enteignungszweck hinreichend bestimmt festlegen und den Enteignungsbegünstigten ausreichend an diesen Enteignungszweck binden. Beides sei durch das Rohrleitungsgesetz nicht geschehen.
Da über die Vereinbarkeit des Rohrleitungsgesetzes mit den Grundrechten der Kläger allein das Bundesverfassungsgericht abschließend entscheiden kann, hat der Senat das Verfahren ausgesetzt und dem Bundesverfassungsgericht diese Frage zur Entscheidung vorgelegt.
Die Entscheidung ist unanfechtbar.

Neues Deutschland: Pipeline-Streit erneut vor Gericht

Leverkusener Anzeiger, 28.08.2014

Pipeline rechtfertigt Enteignung nicht

Die gesetzliche Grundlage für die Kohlenmonoxid-Pipeline der Bayer AG ist laut Oberverwaltungsgericht verfassungswidrig. Das Verfahren ist ausgesetzt. Nun muss das Bundesverfassungsgericht entscheiden.
Eine herbe Niederlage muss der Bayer-Konzern einstecken. Das Oberverwaltungsgericht in Münster hat am Donnerstag das Pipeline-Gesetz für verfassungswidrig erklärt. Es war im März 2006 vom Landtag verabschiedet worden und ermöglichte Bayer den Bau der Kohlenmonoxid-Pipeline zwischen den Werken in Krefeld-Uerdingen und Dormagen.
Dafür mussten Grundstücksbesitzer enteignet werden. Um dies zu rechtfertigen, wurde die Leitung für die hochgiftige Substanz in Paragraf 1 des Gesetzes als „dem Wohl der Allgemeinheit“ dienlich bezeichnet. Ob das in Ordnung ist, musste der 20. Senat des Oberverwaltungsgerichts entscheiden, nachdem Anwohner geklagt hatten. Die Münsteraner Richter machten deutlich, dass sie in dem Pipeline-Gesetz einen Verstoß gegen Artikel 14 des Grundgesetzes sehen. Er beschreibt das Grundrecht auf Eigentum.
Für die Richter ist die Bayer-Pipeline jedoch zunächst einmal ein privates Projekt mit dem „das Wohl der Allgemeinheit allenfalls mittelbar gefördert werden“ könne. Deshalb müsse sich das eigens für die Bayer-Pipeline erlassene Rohrleitungsgesetz „an den hohen Anforderungen messen lassen, die das Grundgesetz für eine Enteignung zugunsten privater Unternehmen enthalte“. Der Zweck der Enteignung müsse „hinreichend bestimmt“ festgelegt werden – und der Nutznießer müsse ausreichend an den Zweck gebunden werden: „Beides ist durch das Rohrleitungsgesetz nicht geschehen.“ Das letzte Wort hat das Oberverwaltungsgericht in dieser Sache allerdings nicht: Demnächst wird sich das Bundesverfassungsgericht mit dem NRW-Pipelinegesetz und der Frage befassen, ob der von Bayer ins Feld geführte Nutzen des Rohstoffverbunds zwischen zweien seiner Werke tatsächlich dem Allgemeinwohl dient.
Bayer äußerte sich zunächst recht unbestimmt zu der Prozess-Niederlage. „Wir werden die schriftliche Begründung des Gerichts abwarten, sie in Ruhe analysieren und bewerten“, so Gabriel Harnier, der Bayers Kunststoff-Teilkonzern Material Science vertritt. „Die heutige Entscheidung ist sicherlich nicht unser Wunschergebnis“, weil sie die Inbetriebnahme der Pipeline nochmals erheblich verzögere. Positiv sei immerhin, dass die Münsteraner Richter „keine grundlegenden Bedenken“ hinsichtlich Sicherheit und Trasse der Leitung geäußert hätten. Obwohl sie zwei linksrheinische Werke verbindet, verläuft sie fast komplett rechtsrheinisch, unterquert den Strom also zweimal.
Bayers Vorstandschef Marijn Dekkers hatte sich in der Vergangenheit kritisch zur Verzögerung des Pipeline-Projekts geäußert und angemahnt, dass man sich auf ein Gesetz verlassen können muss. Von Thomas Käding

Pipeline-Gesetz ist verfassungswidrig

29.08.2014, WAZ --Für die Inbetriebnahme der umstrittene CO-Pipeline zwischen den Bayer-Werken Uerdingen und Dormagen wird es weitere jahrelange Verzögerungen geben. Das Oberverwaltungsgericht Münster (OVG) äußerte am Donnerstag erhebliche Zweifel an der Verfassungsmäßigkeit des Rohrleitungsgesetztes, das dem Projekt das Gemeinwohl bescheinigte und die Enteignung von privaten Grundstücken für den Bau der Leitung erst ermöglicht hatte. Der 20. OVG-Senat überwies das Gesetz an das Bundesverfassungsgericht. Bis zur Entscheidung in Karlsruhe wurde das Verfahren vor dem OVG ausgesetzt.
„Es kommt maßgeblich darauf an, ob der erste Satz im Rohrleitungsgesetz verfassungsgemäß ist“, begründete der Vorsitzende Richter Dirk Lechtermann den Beschluss. „Errichtung und Betrieb einer Rohrleitungsanlage . . . für die Durchleitung von Kohlenmonoxid . . . zwischen Dormagen und Uerdingen dienen dem Wohl der Allgemeinheit gemäß Artikel 14 Abs. 3 Satz 1 des Grundgesetzes“, heißt es im Gesetz. Damit habe es sich der NRW-Landtag zu einfach gemacht, glaubt der Senat. Der Bayer-Konzern sei zweifelsohne nicht zum Nutzen der Allgemeinheit tätig, deshalb erfordere die Enteignung von Privateigentum eine wesentlich konkretere Begründung.
„Wir sind der Überzeugung, dass der § 1 des Gesetzes verfassungswidrig ist“, betonte Richter Lechtermann. Die Entscheidung darüber obliegt aber allein den Karlsruher Bundesrichtern. Kippen die Verfassungsrichter das Gesetz, wäre damit auch dem Planfeststellungsbeschluss (die Baugenehmigung) für die Pipeline die rechtliche Grundlage entzogen – durch die Leitung, die im Duisburger Süden quer durch Wohngebiete verläuft, dürfte das giftige Gas wohl niemals transportiert werden.
„Wenn das Gesetz wirksam wäre, würde das für die Planrechtfertigung reichen“, machte der Senat ebenfalls deutlich. In der mündlichen Verhandlung hatten die Richter zuvor erklärt, dass sie weder fundamentale Sicherheitsbedenken haben, noch die Wahl der 65,7 Kilometer langen rechtsrheinischen Trasse grundsätzlich infrage stellen würden. Auch mögliche Fehler im Planfeststellungsbeschluss hält das OVG für heilbar.
„Das ist nicht unser Wunschergebnis, die Entscheidung bedeutet für unser Projekt erneut erheblichen Zeitverlust“, sagte Gabriel Harnier, Leiter der Rechtsabteilung von Bayer Material Science (BMS) nach der Verhandlung. „Positiv ist für uns aber, dass der Senat weder bei der Trassenwahl, noch bei der Sicherheit Bedenken geäußert hat.“
„Hocherfreut“ verließ Erich Hennen, Sprecher der Duisburger „COntra-Pipeline“-Initiative, den Gerichtsaal. „Das ist eine Ohrfeige für die Politik. Wir sind sicher, dass beim Bundesverfassungsgericht das Gesetz gekippt wird.“

[CO-Pipeline stoppen!] CO-Pipeline: Verhandlung am Oberverwaltungsgericht Münster

CBG Redaktion

„Dauerhafte Sicherheit nicht gewährleistet“

Presse Info, 25. August -- Ab Donnerstag verhandelt das Oberverwaltungsgericht Münster die Klage von vier Anwohnern gegen die Genehmigung der umstrittenen Kohlenmonoxidleitung zwischen den BAYER-Werken Dormagen und Krefeld-Uerdingen.

Die Coordination gegen BAYER-Gefahren (CBG) fordert, dem Projekt die Zulassung zu entziehen. Die notwendigen Enteignungen waren im Planfeststellungsbeschluss mit „Vorteilen für das Allgemeinwohl“ gerechtfertigt worden. Tatsächlich gibt es diese Vorteile nicht, da die Leitung lediglich für eine bessere Auslastung der Anlagen in Dormagen und Krefeld sorgen soll. Geringere Kosten für ein Unternehmen sind jedoch nicht identisch mit dem Allgemeinwohl. Da der Planfeststellungsbeschluss auf falschen Annahmen beruht, ist die Rechtmäßigkeit der Enteignungen hinfällig.

Philipp Mimkes vom Vorstand der CBG: „Die CO-Leitung stellt einen Präzedenzfall dar, denn Gefahrstoffe wie Kohlenmonoxid, Chlor oder Phosgen wurden über Jahrzehnte hinweg nur in gut gesicherten Werken eingesetzt. Giftige Gase müssen – wenn überhaupt - ortsnah produziert und verarbeitet werden. Ein Transport durch dicht besiedelte Gebiete ist nicht zu verantworten und auch nicht notwendig: das jüngste Gutachten der Landesregierung belegt, dass der Konzern ebenso gut in Krefeld eine neue CO-Produktion aufbauen könnte.“

Nach Aussage des Pipeline-Experten Dipl. Ing. Bernhard Wening, der seit mehr als zwanzig Jahren als Sachverständiger für Gasanlagen tätig ist, „kann die dauerhafte Dichtheit einer Gasleitung in der Praxis nicht zu 100 % gewährleistet werden“. Wegen der Giftigkeit von Kohlenmonoxid lehnt Wening daher den Betrieb der Leitung ab (siehe Interview).

Schäden bis hin zum Vollbruch der Leitung sind durch Erdbeben, Bauarbeiten, Flugzeugabstürze, Bomben aus dem 2. Weltkrieg oder terroristische Anschläge denkbar. Ein Gutachten des Kreises Mettmann kam zu dem Ergebnis, dass im Fall einer Beschädigung mehr als 140.000 Personen akut gefährdet wären.

Polizei, Feuerwehr und medizinische Dienste haben erklärt, dass sie die Sicherheit der Bevölkerung bei einem Unfall nicht gewährleisten können. Auch die betroffenen Kommunen lehnen eine Inbetriebnahme ausnahmslos ab. Das Regierungspräsidium Düsseldorf musste einräumen, dass „zu Kohlenmonoxidfernleitungen keine umfänglichen Erfahrungsberichte existieren, da es sie weltweit kaum gibt“.

Zudem existiert der ursprünglich von BAYER behauptete CO-Überschuss in Dormagen nicht mehr, im Gegenteil: die Errichtung der neuen TDI-Anlage in Dormagen führt dazu, dass dort eine weitere Anlage zur CO-Herstellung errichtet werden muss.

Wie gefährlich der Umgang mit Kohlenmonoxid ist, zeigt der Unfall im Brunsbütteler BAYER-Werk am 25. September 2013: nach einer Freisetzung von CO schwebten nach Angaben der Polizei zwei Mitarbeiter in Lebensgefahr. Zu den Ursachen des Unfalls macht BAYER bis heute keine Angaben.

alle Informationen zur Kampagne hier.

Die öffentliche Verhandlung im Berufungsverfahren gegen die Genehmigung der Pipeline beginnt am 28. August im Hauptgebäude des Oberverwaltungsgerichts Münster, Aegidiikirchplatz 5, Sitzungssaal I ab 10.00 Uhr. Aktenzeichen: 20 A 1923-11

TICKER

CBG Redaktion

22. August 2014

Kurzmeldungen TICKER jetzt online

Dem Magazin Stichwort BAYER liegt seit 25 Jahren die aus Kurzmeldungen bestehende Beilage TICKER bei. Jeweils auf 16 Seiten berichtet der TICKER alles Neue rund um BAYER und erfüllt damit eine wichtige Dokumentationsaufgabe.

Dem aktuellen Heft lag der TICKER erstmals nicht bei. Verantwortlich hierfür sind die anhaltenden Finanzprobleme der Coordination gegen BAYER-Gefahren. Durch verringerte Druck- und Versandkosten konnte ein vierstelliger Betrag eingespart werden. Dies ist jedoch ein großer Verlust.

Die Redaktion hat den TICKER jedoch wie immer verfasst und macht diesen nun zumindest online verfügbar, entweder im Layout als pdf-Datei oder als einfacher Text.

Wir setzen alles daran, dass der TICKER bald auch wieder gedruckt erscheinen kann.

Auch wenn Stichwort BAYER weitgehend ehrenamtlich erstellt wird: konzernkritischer Journalismus kostet Geld. Eine Deckung allein über die Abo-Gebühren ist nicht möglich. Auch lukrative Anzeigen bleiben uns verwehrt. Dass sich der Einsatz lohnt, zeigen zum Beispiel die aktuellen Berichte zu unseren Kampagnen in der ZEIT und bei Spiegel Online.

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Multiple Sklerose

CBG Redaktion

21. August 2014

Refib (Merck), Betaferon (Bayer)

MS-Präparate können Nierenschäden hervorrufen

Das Bundesinstitut für Arzneimittel und Medizinprodukte (BfArM) warnt, dass mehrere gebräuchliche Medikamente gegen Multiple Sklerose die Gefahr erhöhen könnten, an zwei gefährlichen Nierenleiden zu erkranken. Unter Anwendung von Beta-Interferonen kann es demnach zu thrombotischen Mikroangiopathien (TMA) mit Todesfolge sowie einem nephrotischen Syndrom kommen. Ein kausaler Zusammenhang sei nicht auszuschließen.

Betroffen sind alle fünf in Deutschland zur MS-Therapie zugelassenen Interferon-Präparate, im einzelnen Interferon beta-1a (Avonex von Biogen Idec und Rebif von Merck Serono), Interferon beta-1b (Betaferon von Bayer und Extavia von Novartis) sowie Peginterferon beta-1a (Plegridy von Biogen Idec).

Betaferon war 2013 mit weltweiten Verkaufserlösen von 1,04 Milliarden Euro das zweitumsatzstärkste Medikament der Bayer-Pharmasparte. Rebif war im vergangenen Jahr mit 1,86 Milliarden Euro Umsatz sogar die Top-Arznei von Merck.

TMA und nephrotisches Syndrom können mehrere Wochen bis Jahre nach Behandlungsbeginn mit Beta-Interferonen auftreten. Bei einer TMA kommt es zu Bluthochdruck, Fieber und schweren Störungen des Nierengewebes. Beim nephrotischen Syndrom arbeiten die Nieren der Betroffenen nur noch eingeschränkt. Zu den frühen Anzeichen zählen Ödeme und eine übermäßige Ausscheidung von Eiweiß über den Urin.

Uganda

CBG Redaktion

Die Coordination gegen BAYER-Gefahren ist Mitorganisator der folgenden Veranstaltung:

Arm und vergessen

Veranstaltung zur Gesundheitssituation in Uganda

Samstag, 6. September, Alte Feuerwache, Köln
Veranstalter: BUKO Pharma-Kampagne

Straßentheater Schluck & weg

spielt am 6. September, 17.00-20.00 Uhr im Innenhof der Alten Feuerwache

Schwarzer Humor, schräge Dialoge, verrückte Kostüme und dahinter eine brisante politische Botschaft: Das sind seit drei Jahrzehnten die Markenzeichen von Schluck & weg. Die politische Straßentheater¬gruppe der BUKO Pharma-Kampagne macht Missstände in der globalen Arzneimittelversorgung publik. Jedes Jahr geht Schluck & weg mit einem neuen Stück auf Tournee, diesmal zur Gesundheitsversorgung in Uganda. Jeweils nach den rund 20-minütigen Auftritten ist Gelegenheit zum Gespräch mit den SchauspielerInnen. Die ZuschauerInnen können sich auch an einem Info-Stand über die aktuellen Hintergründe des Stücks informieren.

Vortrag: Uganda – ein vernachlässigter Markt?

am 6. September 2014, 20.00 Uhr, Alte Feuerwache (Melchiorstr. 3), Raum 1

Über ein Jahr lang hat die BUKO Pharma-Kampagne gemeinsam mit der ugandischen Coalition for Health Promotion and Social Development (HEPS) das Geschäftsverhalten internationaler Arzneimittel¬firmen in Uganda untersucht. Das erschütternde Resümee: Uganda ist ein vergessener Markt und die Versorgung mit lebenswichtigen Arzneimitteln ist mangelhaft. Große Markenfirmen ziehen sich aus dem Land zurück, weil die Gewinnspanne zu niedrig ist. Wirkstoffgleiche Generika existieren aber zum Teil nicht oder sind in den öffentlichen Einrichtungen nicht verfügbar. Für die betroffenen PatientInnen ist das häufig ein Todesurteil.
Denis Kibira, Apotheker, Public Health Experte und Geschäftsführer von HEPS Uganda wird die Ergebnisse der Studie vorstellen und über die Gesundheitssituation in seinem Heimatland berichten. Jörg Schaaber, Soziologe, Gesundheitswissenschaftler und Mitarbeiter der BUKO Pharma-Kampagne spannt den Bogen nach Deutschland: Wie können wir in Deutschland Einfluss nehmen auf Globalisierungsprozesse und deren negative Auswirkungen im Gesundheitsbereich?

Kontakt und Info: Claudia Jenkes, BUKO Pharma-Kampagne, cj@bukopharma.de, www.bukopharma.de

Mitveranstalter: Coordination gegen BAYER-Gefahren, www.CBGnetwork.org

Die Veranstaltungen werden unterstützt von der Stiftung Umwelt und Entwicklung NRW

[Ticker] STICHWORT BAYER

CBG Redaktion

STICHWORT BAYER:

Konzernkritischen Journalismus retten!

Stichwort BAYER (SWB) ist die einzige Zeitschrift, die kontinuierlich über die Schattenseiten eines globalen Multis berichtet. Und das seit 30 Jahren!

Im Juli ist die Ausgabe 3/2014 erschienen - allerdings erstmals ohne die Beilage TICKER. Der TICKER vermeldet jeweils auf 16 Seiten alles Neue rund um BAYER und erfüllt damit eine wichtige Dokumentationsaufgabe.

Das ist ein schmerzlicher Verlust, gerade in unserem Jubiläumsjahr. Doch leider geht es nicht anders. Die Coordination gegen BAYER-Gefahren muss weiterhin ein beträchtliches Defizit abtragen, da die Spenden durch Sozialabbau und Wirtschaftskrise stark gesunken sind.

Zwar konnte Dank unserer Rettungskampagne ein Gutteil der jährlichen Deckungslücke von 150.000 Euro gestopft werden. Aber die letzten 39.000 Euro wollen einfach nicht zusammenkommen. Auch Kostensteigerungen, etwa beim Porto, machen uns immer wieder einen Strich durch die Rechnung.

Bitte helfen Sie uns, die Arbeit fortzuführen:
=> werden Sie Mitglied im SWB-Förderkreis
=> werden Sie Fördermitglied (mtl. ab fünf Euro)
=> leisten Sie eine einmalige Spende

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Wir bedanken uns für Ihre Unterstützung.

Jan Pehrke
Redakteur von Stichwort BAYER

Antibiotika

CBG Redaktion

7. August 2014

BAYTRIL von BAYER

Tiermast: Einsatz von immer mehr umstrittenen Antibiotika

In der Tierhaltung in Deutschland werden immer mehr umstrittene Antibiotika eingesetzt, die auch für Menschen wichtig sind. Bei der kritischen Klasse der Fluorchinolone stieg die abgegebene Menge im vergangenen Jahr auf 13 Tonnen. Der BAYER-Konzern vertreibt Fluorchinolone sowohl für Nutztiere (BAYTRIL) als auch für die Humanmedizin (AVALOX; CIPROBAY). Hierdurch wird die Bildung resistenter Keime weiter begünstigt.

Im vergangenen Jahr wurden in der Tiermast 13 Tonnen Fluorchinolone eingesetzt, nach 10 Tonnen im Jahr zuvor und 8 Tonnen im Jahr 2011. Das geht aus Daten hervor, die das Bundesamt für Verbraucherschutz und Lebensmittelsicherheit veröffentlicht hat.
Fluorchinolone gelten als Reserve-Antibiotika und werden bei Menschen für schwere Krankheitsfälle verwendet, wenn normale Antibiotika nicht mehr anschlagen. Auch 2,5 Tonnen Cephalosporine werden in der Tierhaltung eingesetzt.
Beide Substanzklassen werden in der Humanmedizin bei schweren Bakterienerkrankungen verabreicht. Ein starker Einsatz dieser Medikamente in Ställen führt dazu, dass die Krankheitserreger Resistenzen gegen die Substanzen bilden.

CBG fordert Verbot von Reserve-Antibiotika in Tiermast
Die COORDINATION GEGEN BAYER-GEFAHREN fordert seit langem ein Verbot für den Einsatz der besonders wichtigen Reserve-Antibiotika in der Tiermast. Philipp Mimkes, Geschäftsführer der CBG: „Wir brauchen eine antibiotika-freie Tierzucht. Letztlich ist dies nur möglich, wenn das System der quälerischen Massentierhaltung, die den exzessiven Einsatz von Bakteriziden erst notwendig macht, durch eine bäuerliche und ökologische Landwirtschaft ersetzt wird“.
Auch der Bund für Umwelt und Naturschutz Deutschland (Bund) verlangt ein strengeres Arzneimittelgesetz. „Reserve-Antibiotika haben in Massentierhaltungen nichts verloren und müssen verboten werden“, sagte Agrarexperte Reinhild Benning.
Die Antibiotika-Abgabe weniger gefährlicher Bakterizide ging 2013 zurück. An Tierärzte verteilt wurden 1.452 Tonnen und damit 167 Tonnen weniger als 2012, wie die amtlichen Daten in einer Information für den Bundestag zeigen. Im Jahr 2011 waren es noch 1706 Tonnen gewesen.

Baytril: Verkaufszahlen geheim
Seit 2011 müssen Pharmaindustrie und Großhändler melden, welche Mengen bestimmter Arzneimittel sie an Tierärzte abgeben. Ein Großteil der Antibiotika geht dabei seit Jahren in Kreise in Niedersachsen und Nordrhein-Westfalen, in denen es viele große Mastanlagen gibt.
Nach einer Studie der Hochschule Hannover, der Uni Leipzig und des Bundesinstituts für Risikobewertung aus dem Jahr 2011 erhalten Hähnchen innerhalb ihrer 39-tägigen Mast in einem durchschnittlichen Betrieb an zehn Tagen Antibiotika. Ein Mastschwein wird in seinen 115 Tagen Lebenszeit an 4,2 Tagen mit Antibiotika behandelt.
Der BAYER-Konzern hält die Verkaufszahlen für BAYTRIL seit einigen Jahren geheim. Erst auf mehrmalige Nachfrage Kritischer Aktionäre hatte der Vorstandsvorsitzende die Verkaufszahlen für 2011 genannt: 166 Millionen Euro. Neuere Zahlen liegen nicht vor. Insgesamt werden in der Intensiv-Tierhaltung rund 40 Mal mehr Antibiotika eingesetzt als in deutschen Krankenhäusern, und sieben Mal mehr als in der Humanmedizin insgesamt.

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Uni Kooperationen

CBG Redaktion

17. Juli 2014

NRW: Universitäten am Tropf der Wirtschaft

In der heutigen Ausgabe der tageszeitung erschien ein Interview mit der nordrhein-westfälischen Wissenschaftsministerin Svenja Schulze zur geplanten Überarbeitung des Hochschulgesetzes NRW. Unter anderem geht es in dem Gespräch um die Geheimkooperation zwischen der Uniklinik Köln und der Bayer HealthCare AG.

Die Ministerin verteidigt ihre Pläne, Kooperationen zwischen Universitäten und Unternehmen nur in Teilen und erst nach Beendigung der jeweiligen Zusammenarbeit bekannt zu geben. Unter anderem äußert sie: „Eine Veröffentlichung zu Beginn ist nicht für alle Projekte sinnvoll“ und „Drei Jahre lang, während wir am Gesetz gearbeitet haben, hat keine zivilgesellschaftliche Gruppierung Transparenz zum Thema gemacht“.

Hierzu erklärt Philipp Mimkes von der Coordination gegen BAYER-Gefahren (CBG): „Bei allem Respekt: die Aussagen von Ministerin Schulze sind eine Frechheit. Wissenschaftler, Asten, Gewerkschafter und Gruppen wie attac oder die CBG haben in Dutzenden von Stellungnahmen Transparenz gefordert, um den Einfluss der Industrie auf die universitäre Forschung einzudämmen. Vor zwei Jahren hat sich das Verwaltungsgericht Köln mit unserem Antrag auf Einsichtnahme in den Kooperationsvertrag zwischen Bayer und Uni Köln beschäftigt. Das Verfahren ist der Ministerin wohlbekannt: sogar der Informationsfreiheitsbeauftragte des Landes NRW unterstützt unsere Forderung nach einer Offenlegung!“. Der Fall ist gegenwärtig beim OVG Münster anhängig.

Mimkes verurteilt zudem die Pläne, etwaige Kooperationen erst nach ihrem Abschluss bekannt zu geben: „Der Gesetzentwurf bekräftigt das Primat wirtschaftlicher Interessen gegenüber einer Forschung, die dem Allgemeinwohl verpflichtet ist. Wenn die Öffentlichkeit erst nach Beendigung einer Kooperation informiert wird, kann keine Diskussion über die Ausrichtung universitärer Forschung stattfinden. Öffentliche Einrichtungen, die aus Steuergeldern finanziert werden, müssen sich dieser Debatte stellen – und zwar nicht erst, wenn bereits Fakten geschaffen wurden!“. Mimkes fordert bindende Regeln zu Art und Umfang der Offenlegung, andernfalls würden die Firmen alle relevanten Informationen als „Betriebsgeheimnisse“ deklarieren.

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taz, 17. Juli 2014

NRW-Wissenschaftministerin über Unis

„Hochschulen sollen autonom bleiben“

Es hagelt Kritik am neuen Hochschulgesetz in NRW. Die Wissenschaftsministerin erklärt, warum Geheimverträge mit Firmen und eine Asten-Finanzaufsicht sinnvoll sind.

taz: Frau Schulze, sind Sie ein Kontrollfreak?
Svenja Schulze: Überhaupt nicht. Ich kann sehr gut Ziele setzen und Leute selber machen lassen.

Ihre Kritiker werfen Ihnen das Gegenteil vor: mit dem neuen Hochschulgesetz wollten Sie die Hochschulen an die Kandare nehmen. Wieso schätzen die Sie so falsch ein?
Die schwarz-gelbe Vorgängerregierung in Nordrhein-Westfalen ist bei den Hochschulen weiter gegangen als alle anderen Bundesländer. Die Hochschulen wurden in Körperschaften öffentlichen Rechts umgewandelt und abgekoppelt von der öffentlichen Verwaltung. Es gibt nur noch eine Rechtsaufsicht.

Und deshalb machen Sie die Hochschulen gleich zu Unterbehörden Ihres Ministeriums?
Auf keinen Fall.

Aber Sie wollen wieder Verwaltungsvorschriften einführen, genannt Rahmenvorgaben.
So etwas ist auch in den anderen Bundesländern üblich.

Außerdem eine Landesentwicklungsplanung.
Die ist notwendig. Das Parlament genehmigt Geld, ist aber ansonsten außen vor. Wir wollen das Parlament in die Hochschulentwicklung mit einbeziehen. Das jetzige Gesetz geht davon aus: Wenn jede Hochschule für sich plant, kommt am Ende das Landesinteresse raus. Kommt es aber nicht automatisch.

Nicht?
Nein. Nehmen Sie die Studiengänge für angehende Berufsschullehrerinnen und -lehrer: Die Tatsache des Lehrkräftemangels in den technischen Fächern der Berufsschulen führt eben nicht zwangsläufig dazu, dass die Hochschulen für dieses Fach werben. Da muss man also gemeinsam vorgehen.

Braucht man dafür gleich ein Hochschulgesetz? Es reicht doch, wenn Sie mit den Hochschulen Vereinbarungen treffen.
Solche Entwicklungen kriegen wir mitunter zu spät mit, und Vereinbarungen zu schließen ist nicht so einfach. Beispielsweise wenn es darum geht, dass die Hochschulen die Abbrecherquoten senken.

Vielleicht liegt es ja am Geld!? Die Landesrektorenkonferenz argumentiert, dass die Hochschulen in NRW bundesweit am schlechtesten ausgestattet sind. Die Folge: Viele Veranstaltungen sind überfüllt, in manche Kurse kommt man als Studierender gar nicht rein. Das motiviert nicht zum Studieren.
In manchen technischen Fächern bricht knapp die Hälfte der Studierenden das Studium ab. Wer da nur mit Geld argumentiert, macht es sich zu einfach. Es gibt ja sogar Hochschulen, die damit kokettieren, dass bei ihnen so wenige durchkommen. Das werden wir uns auf Dauer nicht leisten können. Wir fangen im Kindergarten an, für technische Fächer zu begeistern, und verlieren dann an den Hochschulen in den ersten Semestern die Leute, die wir bis dahin gebracht haben. Gute Studienberatung, eine passgenaue Studieneingangsphase und die Begleitung der Studierenden in den unterschiedlichen Phasen des Studiums sind wichtig für den Studienerfolg. Da müssen die Hochschulen jetzt ran.

Gibt es nicht eine generelle Fehlsteuerung an den Unis? Die Lehre ist zweitrangig, Geld bringt nur die Forschung.
Stimmt. Die Lehre ist unterbewertet. Wir wollen mit dem Hochschulzukunftsgesetz dagegen angehen.

Wie?
Wir schaffen neue Möglichkeiten für Teilzeitstudiengänge und sorgen dafür, dass Leistungen anderer Hochschulen anerkannt werden.

Im Gesetzentwurf steht zum Thema Teilzeitstudium: Die Hochschulen „können“, „sollen“, „prüfen“. Sehr verbindlich ist das nicht.
Den einen regeln wir zu viel, den anderen zu wenig. Die Hochschulen sollen ja autonom bleiben.

Was die Kooperationen von Unis mit Unternehmen angeht, haben Sie einen Rückzieher gemacht. Projekte werden jetzt erst nach Beendigung öffentlich gemacht werden. Warum sind Sie eingeknickt?
Wir haben inhaltlich nichts verändert. Wir haben diesen Punkt nur präzisiert.

Sie berufen sich auf das sehr restriktive Informationsfreiheitsgesetz in NRW. In Brandenburg könnten Geheimverträge wie der zwischen Bayer Health Care und der Uni Köln veröffentlicht werden. Warum nicht auch in Nordrhein-Westfalen?
Nun hat Brandenburg eine etwas andere Forschungslandschaft. Aber auch wir wollen Transparenz über Forschungsvorhaben sicherstellen.

Das tun Sie aber nicht. Wir werden auch künftig nicht wissen, was im Vertrag zwischen Bayer und der Uni Köln steht.
98 Prozent der universitären Forschung werden öffentlich finanziert.

Wieso gelten für die restlichen 2 Prozent nicht die gleichen Transparenzregeln wie für öffentlich geförderte Projekte?
Auch das wollen wir transparent machen. Aber wir können Unternehmen nicht gleich zu Beginn abschrecken, indem wir sie zwingen zu verraten, woran sie gerade forschen. Dann würden sie woanders hingehen.

Ehrlich? Sobald Name, Laufzeit und die Höhe der Förderung veröffentlicht werden, wird Bayer aus Leverkusen nicht mehr in NRW forschen lassen?
Eine Veröffentlichung zu Beginn ist nicht für alle Projekte sinnvoll. Nehmen wir ein Unternehmen, das im Bereich Klebstoffe arbeitet: das will nicht, dass die Konkurrenz sofort erfährt, welche neuen Bereiche es erforschen lässt. Also sagen wir: Veröffentlichung ja, aber nach Abschluss.

Wenn es keine Rolle mehr spielt.
Natürlich spielt es dann noch eine Rolle. Das ist der richtige Mittelweg, um Forschung zu halten.

Es gibt aber auch ein berechtigtes Interesse der Öffentlichkeit zu erfahren, wo die Freiheit der Forschung durch wirtschaftliche Interessen gefährdet sein könnte.
Sie sind jetzt der Meinung, es gäbe zu wenig Transparenz. 99,9 Prozent der Kritik zielen aber darauf ab, dass unsere Änderungen zu weit gehen.

Wir sind aber die 0,1 Prozent. Gemeinsam mit Gruppen wie Attac und dem Asta der Uni Köln.
Drei Jahre lang, während wir am Gesetz gearbeitet haben, hat keine zivilgesellschaftliche Gruppierung Transparenz zum Thema gemacht. Attac saß auf der Tribüne, und jetzt kommen sie runter und verteilen Haltungsnoten. Was wir mit dem Gesetz erreichen, ist eine Menge.

Ist es nicht merkwürdig, dass Sie ein Gesetz machen und alle (!) sind dagegen: nicht nur die Rektoren, sondern auch die Gewerkschaften und die Grünen.
Wir haben das Gesetz mit unserem Koalitionspartner, den Grünen, zusammen gemacht. Und die Gewerkschaften finden den Entwurf insgesamt richtig: was den Rahmenkodex für gute Beschäftigungsbedingungen anbelangt etwa. Natürlich ist das am Ende auch ein Prozess des Aushandelns.

Wie groß ist der öffentliche Druck auf Sie?
Wie erwartet hoch.

Enttäuschung herrscht auch, weil Sie die Hochschulräte schonen. Im Wahlkampf hieß es noch: Wir werden die Hochschulräte abschaffen. Aber: sie bleiben.
Auch das ist ein Schritt auf die Kritiker zu.

Sie haben die Hochschulräte sogar gestärkt.
Gestärkt?

Sie können jederzeit die Wirtschaftsangelegenheiten einsehen, wählen weiterhin die Hochschulleitung …
… aber nicht mehr allein, sondern gemeinsam mit dem Senat. Die Hochschulräte haben jetzt eine andere Aufgabe. Sie prüfen die Wirtschaftsangelegenheiten. Das ist doch sinnvoll, sie übernehmen die Aufsicht vor Ort.

Werden sich die Rektoren von den Hochschulräten weiterhin Gehaltssteigerungen um bis zu 50 Prozent genehmigen lassen können?
Ich beteilige mich nicht an einer Empörung über die Gehaltsstrukturen. Der harte Wettbewerb um die besten Köpfe spiegelt sich auch hier. Die Entwicklung der Gehälter der Rektoren und Kanzler ist rechtmäßig zustande gekommen. Trotzdem wird sich zukünftig etwas ändern. Das wird so nicht bleiben. Das Land ist künftig wieder Dienstvorgesetzter, nicht mehr der Hochschulrat.

Schrumpfen dann auch die Gehälter der Rektoren?
Nein. Die Rektoren verdienen von ihrem Grundgehalt her jetzt nicht viel mehr, als sie als Professoren verdient hätten. Und wir werden sie nicht schlechter bezahlen, sonst kriegen wir keine guten Leute.

Was meinen Sie dann damit: So wird es nicht bleiben?
Die Verhandlungen werden anders laufen.

Werden die Funktionsleistungsbezüge öffentlich?
Das wollen wir, ja.

Die Asten meckern, dass Sie ihnen eine Fachkraft für Finanzen an die Seite stellen wollen, die sie obendrein selbst bezahlen sollen.
Es gab ja ein paar spektakuläre Fälle von Partys, die nicht richtig abgerechnet wurden. Der Landesrechnungshof hat vorgeschlagen, einen Beauftragten des Rektorats in den Asta zu setzen, der die Geschäfte finanziell begleitet und prüft. Die Asten haben aber gemeint, bitte setzt uns da nicht jemanden aus der Hochschule in unser Büro, lasst uns das lieber selbst finanzieren.

Wie hätte Ihnen das denn gefallen, als Sie noch Asta-Vorsitzende in Bochum waren?
Also, wir hatten damals eine Sekretärin mit sehr viel Erfahrung in solchen buchungstechnischen Fragen im Asta.

Aber nach Ihrem Gesetz wäre diese heute nicht geeignet.
Ja, aber ich glaube, dass es sinnvoll ist, wenn man mit Anfang zwanzig einen Millionenetat verwaltet, dass man jemand an der Seite hat, der sich mit solchen Fragen auskennt.

Sie wären dankbar gewesen?
Ich hätte es wahrscheinlich auch nicht toll gefunden, aber eingesehen, dass es sinnvoll ist. Viele würden sich wundern, wie komplex eine solche Prüfung ist.

In der ganzen Debatte schon mal an Rückzug gedacht?
Nein, mir war vollkommen klar, das wird keine einfache Geschichte. Aber wenn man in die Küche geht, dann weiß man, es kann auch heiß werden.

Die ZEIT

CBG Redaktion

17. Juli 2014

Die ZEIT: Kritik an Sterilisationsprodukt Essure von BAYER

In der heutigen Ausgabe der ZEIT wird auf Seite 19/20 die Kritik von Erin Brockovich an dem Sterilisationsprodukt „Essure“ dargestellt. Auch die Rede in der BAYER-Hauptversammlung von Michelle Garcia, die auf Einladung der Coordination gegen BAYER-Gefahren nach Deutschland gereist war, wird dokumentiert. In einigen Tagen erscheint der Artikel online.

Weitere Infos, u.a. ein Interview mit Brockovich, finden sich hier.

Kolumbien

CBG Redaktion

Nachtrag: ein BAYER-Mitarbeiter ist seinen Verletzungen erlegen

Presse Info vom 4. Juli 2014
Coordination gegen BAYER-Gefahren

Versuchs-Station für Pestizide

BAYER: drei Verletzte nach Explosion in Kolumbien

Bei einem Feuer in einer kolumbianischen Versuchs-Station von BAYER sind gestern drei Personen verletzt worden. Anwohner berichten von einer Explosion und weit sichtbaren Flammen. Die Verletzten werden in einem nahe gelegenen Krankenhaus behandelt.

Nach Angaben der Feuerwehr ging der Notruf gegen 16.30 Uhr ein. Der Brand habe sich an einem Tanklastwagen ereignet. Die genauen Ursachen werden gegenwärtig untersucht.

Die Versuchs-Station „La Tupia“, in der Pestizide für den lateinamerikanischen Markt untersucht werden, befindet sich nahe der kolumbianischen Großstadt Cali. An der Niederlassung von BAYER in Cali hatte es wiederholt Proteste gegen Pestizide und Gentechnik-Saatgut gegeben. In dem südamerikanischen Land kam es immer wieder zu Vergiftungen durch BAYER-Pestizide, unter anderem im Blumen-Anbau.

weitere Informationen:
=> Artikel in El País
=> Protest an BAYER-Niederlassung in Cali
=> Aufstellung „Störfälle bei BAYER“

Duogynon

CBG Redaktion

Presse Info vom 3. Juli 2014

mögliche Fehlbildungen durch Hormonpräparat Primodos/Duogynon

9. Juli: Gespräch mit englischem Premierminister

Britische Opfer des hormonalen Schwangerschafts-Tests Primodos fordern eine offizielle Untersuchung der Ursachen ihrer Behinderungen. Der britische Premierminister David Cameron hat sich der Sache angenommen und wird sich am 9. Juli mit der Abgeordneten Yasmin Qureshi treffen, welche die Interessen der britischen Betroffenen vertritt. Mitte Juni hatten zwanzig Parlamentarier an einer Anhörung im Unterhaus teilgenommen, in der die Geschädigten ihre Leidensgeschichten schilderten.

Das Hormonpräparat, in Deutschland unter dem Namen Duogynon auf dem Markt, war in den 60er und 70er Jahren als Schwangerschafts-Test vermarktet worden, obwohl frühzeitig Hinweise auf mögliche Fehlbildungen vorlagen. Hersteller war die Firma Schering, die heute zum BAYER-Konzern gehört.

Andre Sommer, Sprecher der deutschen Geschädigten: „Wir brauchen endlich Klarheit. Auch in Deutschland benötigen wir eine umfassende Untersuchung. Hierbei müssen auch alle firmeninternen Studien berücksichtigt werden!“. Das Unternehmen weigert sich bislang, seine Unterlagen zu Duogynon offenzulegen. „BAYER konnte sich nur durch Verjährung aus der Affäre ziehen. Dies ist moralisch verwerflich und eine Schande für diesen Konzern!„, so Sommer weiter. Auch der zuständige Richter am Berliner Landgericht, Dr. Holger Matthiessen, hatte das Unternehmen mit den Worten “Ein Weltkonzern wie BAYER sollte den Dialog suchen, da kann ich Sie nur ermahnen!“ aufgefordert, auf die Betroffenen zuzugehen.

Philipp Mimkes von der Coordination gegen BAYER-Gefahren ergänzt: „Bei Fragen der öffentlichen Gesundheit müssen Betriebsgeheimnisse zurück stehen. Notfalls muss der Konzern gezwungen werden, seine Archive zu öffnen.“

Duogynon steht im Verdacht, Embryos geschädigt und dadurch Geburtsfehler wie verstümmelte Gliedmaßen, Gaumenspalten sowie Herz- und Nierenleiden verursacht zu haben. Selbst Mitarbeiter von Schering hatten bereits im November 1967 die eigene Firmenleitung gewarnt (s. SPIEGEL-Artikel): „Die offenkundige Korrelation zwischen der Zunahme von Missbildungen und dem Verkauf des Schwangerschaftstests erscheint ziemlich alarmierend.“ 1969 forderte die britische Behörde Committee on Safety of Drugs von Schering die Herausgabe der Duogynon-Labordaten. Nach Auswertung der Unterlagen wurde auf den Schachteln eine Warnung angebracht, wonach das Präparat wegen des Risikos von Fehlbildungen nicht in der Schwangerschaft eingenommen werden dürfe. Sowohl in Großbritannien als auch in Deutschland wurde das Präparat jedoch noch jahrelang als Schwangerschafts-Test eingesetzt.

SPIEGEL: Duogynon-Opfer planen neue Klage / Premier Cameron schaltet sich ein

weitere Informationen:
=> Prime Minister to meet with Bolton MP over pregnancy drug claims
=> Kampagne Duogynon
=> website der Betroffenen