BAYER profitiert von gefährlicher Mode-Diät
Nährstoffpräparate fördern einseitige Ernährung
von Philipp Mimkes
Rund 40 Millionen Amerikaner befolgen die sogenannte „Atkins-Diät“, die den Verzehr von Fleisch, Käse, Eiern und fetthaltigen Nahrungsmitteln uneingeschränkt erlaubt, die Aufnahme von Kohlenhydraten aus Brot, Reis, Kartoffeln und Nudeln hingegen stark einschränkt. Selbst Obst und Gemüse sollen laut Atkins nur in geringen Mengen gegessen werden. Der im letzten Jahr gestorbene Dr. Robert Atkins propagierte seine Ernährungs-Revolution schon seit den 60er Jahren, aber erst seit zwei Jahren hat sich seine Idee breit durchgesetzt. Atkins` Ratgeber rangieren in den USA auf den Bestseller-Listen ganz vorne.
Weil wegen der einseitigen Ernährung Vitamin- und Mineralstoffdefizite drohen, soll die Diät mit der Einnahme von Nährstoffpräparaten begleitet werden. Rund fünf Millionen Amerikaner nehmen daher regelmäßig Vitamin- und Mineralienpräparate zu sich – ein riesiger Markt für die Pharma- und Ernährungsindustrie. Analysten schätzen den Umsatz der von von Atkins gegründeten Firma Atkins Nutritionals, die Vitaminkapseln, Kohlenhydrat-reduzierte Nahrungsmittel und Nährstoff-Drinks anbietet, auf 200 Millionen Dollar jährlich. Selbst McDonald’s, Kentucky Fried Chicken, die Brauerei Anheuser-Busch und der Ketchup-Hersteller Heinz sind mit „Low Carb“-Angeboten auf dem Markt.
Ernährungswissenschaftler hingegen warnen vor der Atkins-Diät. Die eiweißreiche Nahrung belastet die Nieren, und selbst bei Zuführung von Nahrungsergänzungsmitteln drohen Mangelerscheinungen. Die Aufnahme von Ballaststoffen im Rahmen der Diät ist zu niedrig, was zu Verdauungsproblemen führt. Professor Klaus Eder aus Halle befürchtet, dass die einseitige Aufnahme von Fett bei längerer Anwendung erhebliche Gefahren birgt – vor allem für Herzkreislauf-Patienten, Schwangere und ältere Menschen.
Auch ein Team dänischer Ernährungsexperten zweifelt daran, dass die Diät funktioniert. Im Fachmagazin Lancet (1) vermuten sie, dass die Gewichtsreduzierung nur kurz anhält und überwiegend durch Wasserverlust zustande kommt. Prof. Arne Astrup von der Universität Kopenhagen warnt, dass bei Befolgung der Diät die Kohlenhydrataufnahme unter dem Minimum liegt, das der Körper zur Zucker-Versorgung von Gehirn und Muskeln benötigt. Personen, die sich der Atkins-Diät unterzögen, litten deshalb häufiger an Muskelkrämpfen, Durchfall, generellen Schwächeanfällen und Hautausschlägen als Personen unter einer fettarmen Diät. Die begrenzte Aufnahme von Getreide, Früchten und Gemüse könne zudem das Risiko für Krebs und kardiovaskuläre Erkrankungen erhöhen.
Trotz der einhelligen Kritik von Ernährungswissenschaftlern versucht die Pharma-Industrie, von der Modewelle zu profitieren. Der Leverkusener BAYER-Konzern brachte im April den Vitamin-Cocktail One-A-Day CarbSmart auf den Markt und machte hiermit in den USA bereits 3 Millionen Dollar Umsatz. Die Firma WYETH konterte einen Monat später mit Centrum Carb Assist und erzielte knapp 2 Millionen Dollar. BAYER´s Abnehm-Pille One-A-Day WeightSmart, die bei allen Diäten eingesetzt werden soll, erzielte sogar 32 Mio Dollar in einem Jahr. Der Gesetzgeber, besonders in den USA, schaut weg: die Wirksamkeit der mittlerweile mehreren hundert Nahrungsadditive wird nicht kontrolliert.
Im August hat BAYER von der Firma ROCHE mehrere nicht-verschreibungspflichtige Medikamente übernommen, hierzu gehören weitere Vitaminpräparate. Jan Pehrke von der Coordination gegen BAYER-Gefahren: „Natürlich wissen die Verantwortlichen bei BAYER, dass die Atkins-Diät gesundheitsschädlich ist und dass Vitaminpräparate niemals eine ausgewogene Ernährung ersetzen können. Doch der Pharma-Industrie ist die Gesundheit der Betroffenen herzlich egal, solange die Umsätze stimmen.“ Die Coordination gegen BAYER-Gefahren fordert eine Verschreibungspflicht sowie strenge Kontrollen aller Nahrungs-Ergänzungsmittel.
Auch in Europa steigen die Verkaufszahlen des Atkins-Ratgebers, besonders in England. In den Medien tauchen erste „Wundermeldungen“ über den Erfolg der Diät auf. Die Stiftung Warentest hingegen urteilte nach einem Vergleich von 80 Diäten: „Lassen Sie die Finger von Atkins“.
1 (2004; 364: 897-9)