25. Juni 1999
New England Journal of Medicine warnt:
Tödliche ASPIRIN-Nebenwirkungen
Nach einer Untersuchung der Boston University School of Medicine sterben jährlich 16.500 AmerikanerInnen an Magenblutungen, die durch ASPIRIN und ähnliche Schmerzmittel verursacht werden. Über 100.000 Betroffene müssen stationär behandelt werden. Damit gehören ASPIRIN-Nebenwirkungen zu den 15 häufigsten Todesarten in den USA, die Zahl ihrer Opfer ist ebenso hoch wie die von AIDS (16.685 HIV-Tote 1997). Trotzdem geht der rezeptfreie Verkauf weiter – allein in den USA gehen jährlich 30 Milliarden Tabletten über die Ladentheken.
Einhundert Jahre ist es her, dass Felix Hoffmann in den BAYER-Laboren erstmals Azetylsalizylsäure synthetisierte – der Siegeszug von ASPIRIN konnte beginnen. Erst vierzig Jahre nach der Entdeckung wurde die wichtigste Nebenwirkung des ”Tausendsassas” offenbar: Magenblutungen. Weitere Risiken, die von einem überhöhten Schmerzmittelgebrauch ausgehen, sind Nierenschäden und Magengeschwüre. Obwohl Hunderte von Studien die Nebenwirkungen von Schmerzmitteln untersucht haben und obwohl für die meisten Anwendungen harmlosere Behandlungsmethoden zur Verfügung stehen, herrscht bis heute bei ÄrztInnen und PatientInnen ein mangelndes Risikobewußtsein vor.
Eine im New England Journal of Medicine veröffentlichte Untersuchung kritisiert, dass 75% aller Patienten, die regelmäßig ASPIRIN einnehmen, die Risiken des Schmerzmittel-Gebrauchs nicht kennen oder ignorieren. Dabei entwickeln sich bei 13 von 1.000 Patienten, die ASPIRIN über einen Zeitraum von einem Jahr verwenden, schwerwiegende Magenbeschwerden. Bis zu 10% der Fälle verlaufen tödlich.
13 Millionen AmerikanerInnen nehmen regelmäßig ASPIRIN oder ähnliche Mittel. Mindestens 103.000 PatientInnen müssen daraufhin in Krankenhäusern behandelt werden, die Kosten für die Volkswirtschaft belaufen sich hierfür auf 2 Mrd. Dollar. Die Bostoner Arbeitsgruppe berechnet, dass mindestens 16.500 Menschen jährlich an den Folgewirkungen sterben – ebenso viele wie an der Immunschwäche AIDS. Da jedoch die Zahl der Schmerzmittel-Opfer in Statistiken normalerweise nicht einzeln aufgeführt wird, nimmt die Öffentlichkeit die Gefahren kaum wahr, obwohl ASPIRIN-Nebenwirkungen dreimal so viele Todesfälle verursachen wie beispielsweise Asthma-Erkrankungen. Die Autoren der Studie sprechen daher von einer ”geräuschlosen Epidemie”.
Azetysalizylsäure wird von den Herstellern breit angepriesen: gegen Herzinfarkt, Schlaganfall und Krebs. Bücher wie Michael Castlemans ”Jeden Tag ein ASPIRIN” fördern den unsinnigen routinemäßigen Gebrauch und suggerieren, dass auch gesunde Menschen Azetylsalizylsäure regelmäßig einnehmen sollten. Der Pharmariese BAYER, der jährlich 11 Milliarden ASPIRIN-Tabletten verkauft und dabei 850 Millionen Mark umsetzt, lobt Forschungspreise wie den ”International ASPIRIN Award” aus, um neue Anwendungsbereiche für das Produkt zu erschließen. Dieses Vorgehen verspricht Gewinne ohne Investitionsrisiko: Die Vertriebswege bestehen und die Hersteller benötigen keine neuen Produktionsanlagen und Zulassungen. Die zahlreichen Studien zu Azetylsalizylsäure müssen daher kritisch daraufhin untersucht werden, ob sie nicht gewinnversprechende (Schein-) Indikationen schaffen sollen.
Auch die Arzneimittelkommission der Deutschen Ärzteschaft weist darauf hin, dass Schmerzmittel tief in den biochemischen Haushalt des Körpers eingreifen und Schleimhautreizungen, Blutungen im Magen-Darm-Trakt und Magengeschwüre verursachen können. Die Ärzte haben es jedoch schwer, sich durch das Trommelfeuer der Werbung hindurch Gehör zu verschaffen. BAYER wirbt seit Jahren nicht nur für die Behandlung von Erkältungen mit ASPIRIN (was medizinisch völlig unsinnig ist, da Viren nicht einmal auf Antibiotika ansprechen), sondern auch für ihre Prophylaxe: In einer Anzeigenserie wälzten sich gar sexy Nackedeis im Schnee. Höhepunkt der Kampagne: die Verkleidung des BAYER-Hauptsitzes in eine gigantische ASPIRIN-Schachtel im Frühjahr diesen Jahres.