Die Welt, 7. Oktober 2004
Bayer reizt bei Lanxess-Tochter Grenze des Zumutbaren aus
von Frank Seidlitz
Die Bürde wiegt schwer, die der Bayer-Konzern seiner Tochter Lanxess mit auf den Weg in die vermeintliche Unabhängigkeit gibt: Milliarden-Verbindlichkeiten, stark zyklisches Geschäft. Und die Margen sind auch nicht so rosig. Was aber für Lanxess einer Wachstumsbremse gleichkommt, ist für den leidgeprüften Dax-Wert einer der größten Befreiungsschläge in der Geschichte. Auf dem Rücken der Konzerntochter wollen sich die Leverkusener sanieren – und werden dies wohl auch nach drei Krisenjahren schaffen.
Von einer erfolgreichen Wachstumsstrategie bei ihrer Tochter spricht aber nun selbst Bayer nicht mehr. Die neue Wandelanleihe kann darüber nicht hinwegtäuschen. Denn die Finanzspritze von Bayer ist kein Beweis, daß der Mutter-Konzern an die erfolgreiche Zukunft von Lanxess glaubt, sondern vielmehr eine Notwendigkeit, um sich ihrer zu entledigen. Ohne die Finanzspritze hätte Bayer Lanxess nicht gleichzeitig mit einem solch hohen Berg von Verbindlichkeiten ausstatten können. Die Rating-Agenturen hätten die Bonität der Chemie- und Kunststoff-Tochter extrem niedrig angesetzt – und ihr damit finanzielle Schwierigkeiten bereitet. Doch nun kann Lanxess wenigstens hoffen, ein Rating zu erhalten, das die Finanzierungskosten in Grenzen hält und damit akzeptabel ist.
Bayer ist also mit der Weitergabe von Problemfällen an Lanxess an die Grenze des Zumutbaren gegangen. Das wird sich voraussichtlich negativ auf den Aktienkurs von Lanxess auswirken. Dazu kommen weitere Negativfaktoren: Knapp 20 Prozent der Bayer-Aktionäre sind Privat-Anleger, die – so zeigt es die Erfahrung der Celanese-Abspaltung vom Hoechst-Konzern – den Spin-Off für einen Ausstieg nutzen könnten. Darüber hinaus wird den Lanxess-Kurs die Erwartung, daß auch Bayer nach der Einlösung der Wandelanleihe sich auf kurz oder lang von seinem knapp 20 Prozent-Aktienpaket trennen wird.