Prämiertes Planspiel:
„Ein Konzern wird umgebaut“ mit der CBG
Architektur-GAU für BAYER: Da wollte der Pharma-Riese seine Zukunftsfähigkeit beweisen und lobte gemeinsam mit dem BDI und der WEST LB einen Architekturwettbewerb unter Hochschulen aus. „Ein Konzern wird umgebaut – Vom BAYER-Werk zum Chemiepark“ – so lautete die Aufgabenstellung. Aber obwohl der Multi einen Großteil der Kosten trug, für das Preisgeld aufkam und sogar einen der seinen in der Jury platzierte, gewann das „Worst Case Szenario“ den ersten Preis: der der COORDINATION GEGEN BAYER-GEFAHREN (CBG) eine prominente Rolle zuweisende Entwurf „Cubiquitol 27mg“.
Von Jan Pehrke
Auf dem BAYER-Hochhaus prangt weithin sichtbar das Logo der COORDINATION GEGEN BAYER-GEFAHREN. Die CBG hat nämlich als Zwischennutzer das oberste Stockwerk des Gebäudes bezogen, damit sie einen noch besseren Überblick über das Konzern-Geschehen hat. Darüber hinaus hat die Coordination über das ganze Werksgelände verteilt so genannte „Confrontainer“ mit sachdienlichen Hinweisen zu den Machenschaften des Multis aufgestellt. Am Konzern-Stammsitz kann die Initiative sogar Leben und Arbeiten optimal verbinden. Die AktivistInnen wohnen im Chemiepark, der erstmals seinem Namen alle Ehre macht: Ausgliederungen und Betriebsverlagerungen haben luftige Freiflächen hinterlassen, und alte Industrie-Denkmäler sorgen für einen morbiden Charme. Gemeinsam mit den vielen von BAYER Entlassenen erprobt sich die CBG dort als „Avantgarde der postkapitalistischen Gesellschaftsordnung“.
So stellen sich die Darmstädter Architekturstudenten Guillaume Tripoteau und Gael Hémon in ihrem Entwurf „Cubiquitol 27mg“ die Zukunft des Standortes aus der Perspektive der CBG vor. Die beiden haben die Coordination als einen wichtigen Akteur am Standort identifiziert und bezogen sie deshalb an prominenter Stelle mit in ihre Planungen ein.
Aus BAYERs Sicht sieht alles natürlich etwas anders aus. Um dem vom Konzern beklagten Chemiepark-Wildwuchs zu begegnen, der mit der Umwandlung des einstmals geschlossenen Werkareals in ein offenes Gewerbegebiet begonnen hat, entwickeln Tripoteau und Hémon eine Gliederung in spezialisierte Zentren mit bestimmten Knotenpunkten, und für die Bodensanierung sorgt die Natur mit Hilfe spezieller Pflanzenarten selbst. Der Stadt hingegen verhelfen die angehenden Architekten durch eine Absenkung der Werksmauern und andere Maßnahmen zu ihrem von BAYER bisher verwehrten Durchbruch an den Rhein.
Für Tripoteau und Hémon schließen sich die drei Szenarien „LevAltercity“ „LeverkusPark“ und „Leverkusen am Rhein“ nicht gegenseitig aus. Diese bilden vielmehr ein Kräfteparallelogramm. „Aus ihrem Zusammenspiel resultiert eine Komplexität, die ihre Komplementarität offensichtlich werden lässt“, heißt es in ihrer Projektskizze. Im Gegensatz zu ihren KollegInnen versuchen die Studenten nicht, in vorschnellen Synthesen eine organische Einheit zu schaffen oder zu simulieren. Sie erblicken in der konfliktreichen Konstellation vielmehr eine große Produktivkraft und spüren deshalb gezielt Reibungspunkte auf. So versuchen die beiden nicht etwa, die sich in den Abstandsflächen an der Werksgrenze materialisierende Distanz zwischen BAYER und Stadt durch kosmetische Eingriffe aufzuheben, sondern betonen die Insellage durch Confrontainer noch. Auch die Identitätsprobleme der vom Chemie-Multi beherrschten Stadt wollen sie nicht lösen. Sie soll sich stattdessen zu ihrer Abhängigkeit bekennen und in „LAYER“ umbenennen.
Der mit ArchitekturprofessorInnen, prominenten Künstlern wie Micha Kuball – und sogar einem BAYER-Mann – besetzten Jury gefiel dieser soziale Realismus. „Ein radikaler, visionärer und richtungsweisender Beitrag“, lobte sie und zeichnete die „Auseinandersetzung mit dem Ort in allen seinen gesellschaftlichen, städtebaulichen und ökonomischen Dimensionen“ – und ex aquo Holger Hoffschröer – mit dem ersten Preis aus. BAYER war da natürlich anderer Meinung. Am Tag vor der Auszeichnung der Gewinner mochte sich der Vorstandsvorsitzende Werner Wenning im Einzelnen nicht zu den Arbeiten äußern. Nur ein allgemeines „Wir werden sicherlich auch Anregungen aufnehmen und prüfen“ presste er sich heraus – von „Cubiquitol 27mg“ dürfte sich so schnell aber nichts im Chemiepark wiederfinden. Und zu allem Unglück musste Wenning den Preis dann auch noch persönlich an die Franzosen übergeben und 10.000 Euro für die beiden locker machen. Dabei gelang es dem BAYER-Chef offenbar nur bedingt, gute Miene zum bösen Spiel zu machen. „Ich bin mir nicht sicher, ob Werner Wenning damit glücklich war“, schrieb Guillaume Tripoteau der CBG nach der Feierstunde. Die Ausstellung mit den prämierten Entwürfen beendete der Leverkusener Multi bereits nach ein paar Wochen. Länger mochte er offenbar Tripoteaus und Hémons Projekt im Allgemeinen und das von ihnen im BAYKOMM gezeigte Banner mit der Aufschrift „BAYER got profits – we got AIDS“ im Besonderen nicht ertragen. So wird es sich also mit der von der CBG ins Auge gefassten Konzern-Konversion noch ein wenig ziehen.
Der Entwurf ist unter www.fgstadt.org/cubiquitol einzusehen