Universität zu Köln
Stabsstelle 02.1, Justitiariat
Herr Alexander May LL.M.
a.may@verw.uni-koeln.de
Ihr Antrag gemäß IFG NRW vom 18.11.2008
Sehr geehrter Herr Mimkes,
entschuldigen Sie bitte zunächst, dass ich auf Ihre Anfrage erst jetzt antworte. Im Zusammenhang mit dem IFG NRW sind noch etliche Rechtsfragen offen, insbesondere im Hinblick auf dessen Anwendbarkeit auf Hochschulen, soweit Forschung und Lehre betroffen sind. Wie Sie wissen befindet sich die Universität zu Köln zu Ihrer Anfrage gerade im Diskurs mit der Landesbeauftragen für Datenschutz und Informationsfreiheit NRW.
Nach hier vertretener Ansicht besteht für Hochschulen in den Bereichen Forschung und Lehre keine Auskunftspflicht. Dies ergibt sich aus § 2 Abs. 3 IFG NRW:
„Für Forschungseinrichtungen, Hochschulen und Prüfungseinrichtungen gilt dieses Gesetz nur, soweit sie nicht im Bereich von Forschung, Lehre, Leistungsbeurteilungen und Prüfungen tätig werden.„
Die von Ihnen genannte Kooperationsvereinbarung der Universität zu Köln und der Bayer HealthCare AG fällt genau in diesen Bereich.
Da der Abschluss der Kooperationsvereinbarung mediale und öffentliche Beachtung gefunden hat, ist die Universität zu Köln dennoch gerne bereit, detailliertere Auskunft zu der Kooperation zu geben.
Zur Kooperationsvereinbarung kann ich Ihnen nach Rücksprache mit der federführenden Medizinischen Fakultät folgendes mitteilen:
In der deutschen Hochschulmedizin wird schon seit geraumer Zeit nach neuen Möglichkeiten gesucht, die in den letzten Jahren und Jahrzehnten im internationalen Vergleich deutlich ins Hintertreffen geratene klinische Forschung wieder nachhaltig zu stärken. Zahlreiche Verlautbarungen und Empfehlungen etwa des Wissenschaftsrates oder der Deutschen Forschungsgemeinschaft sowie auch der für die Entwicklung und Förderung der Hochschulmedizin auf Bundes- und Länderebene zuständigen Ministerien beschäftigen sich mit dieser Zielsetzung und haben dabei auch immer wieder die Nutzung der großen Entwicklungspotentiale in der forschungsaktiv international operierenden deutschen Arzneimittelindustrie für die anwendungsbezogene, patientenorientierte Forschung an den Universitätsklinika gefordert. In den modellhaften Vorschlägen dieser öffentlichen Institutionen für die Gestaltung derartiger “Entwicklungspartnerschaften„, “Forschungspakte„ oder “strategischer Allianzen„ wird natürlich durchweg auch größter Wert auf die Wahrung der Unabhängigkeit der universitären klinischen Forschung von Privatwirtschaft liehe n Interessenslagen durch entsprechende formaljuristische Absicherungen gelegt.
Die Rahmenvereinbarung zwischen dem Klinikum der Universität zu Köln
und der Bayer HealthCare AG zur Schaffung der Voraussetzungen für eine
„präferierte Partnerschaft“ im Bereich der Forschung und Entwicklung
innovativer Therapien dient nun genau im Sinne der angesprochenen
bundesweiten Zielsetzung in der deutschen Hochschulmedizin der
Stärkung klinischer Forschung am Standort und bietet ein neuartiges,
erfolgversprechendes und zukunftsträchtiges Modell, das den Partnern die
wechselseitige Nutzung ihrer Entwicklungspotentiale erlaubt und dabei
sogleich die Unabhängigkeit der öffentlichen universitären und der privaten
Wirtschaftlichen Forschungsinteressen voneinander vollkommen
sicherstellt. „Bevorzugte Partnerschaft„ bedeutet nämlich in dieser
Rahmenvereinbarung, dass man auf Seiten des Unternehmens bei der
anstehenden klinischen Testung neuer Substanzen und umgekehrt auf der
Seite des Universitätsklinikums bei der Verfolgung neuer aus der
Grundlagenwissenschaft stammender Entwicklungsvorhaben
möglicherweise therapeutisch wirksamer Substanzen immer zuerst prüft,
ob sich nicht die hierfür erforderlichen Forschungsarbeiten
erfolgversprechend in Zusammenarbeit mit dem jeweiligen Partner
durchführen lassen, bevor andere sich anbietende
Kooperationsbeziehungen für die Verwirklichung der Projekte gesucht und
eingegangen werden.
Inhaltlich soll sich beim derzeitigen Stand der beidseitigen klinischen Forschungs- und Entwicklungsvorhaben die diesbezüglich Kooperation in erster Linie auf die Gebiete der Kardiologie, der Onkologie, der Augenheilkunde, der Neurologie und Psychiatrie sowie der Kinderheilkunde erstrecken. Ein gemeinsamer Lenkungsausschuss („Steering Committee“) mit paritätischer Besetzung durch hochrangige Experten und Verantwortungsträger von Seiten beider Partner trifft die Auswahl unter den in Frage kommenden Einzelprojekten, erstellt den Forschungsplan und kontrolliert in einem geregelten Verfahren die planungsadäquate Umsetzung der Projekte. Die organisatorische Vorbereitung und Sicherstellung aller hierfür erforderlichen Verfahrensschritte obliegt dem Geschäftsführer des Lenkungsausschusses („Liaison Officer„). Diese für die Umsetzung der Kooperationsvereinbarung zentrale Funktion übernimmt in unserem Kölner Modell der „präferierten Partnerschaft“ nicht ein Vertreter der Bayer HealthCare AG, sondern der an den interessensneutralen Gütekriterien klinischer Forschung orientierte und hinsichtlich ihrer Umsetzung bestens ausgewiesene Leiter des Zentrums für klinische Studien der Medizinischen Fakultät der Universität zu Köln.
Als neue und bislang in Deutschland wohl einmalige partnerschaftlich konzipierte und organisierte Struktur schließt das Kooperationsabkommen ein Graduiertenkolleg für „Pharmakologie und Therapieforschung„ mit ein. Darin werden Graduierten der Fächer Medizin, Chemie, Biologie, Biochemie und Pharmazie zwei- und dreijährige Promotionspfade an der Medizinischen sowie an der Mathematisch-Naturwissenschaftlichen Fakultät mit der dazugehörigen Betreuung durch ausgewiesene Wissenschaftler und Mentoren sowie einem auf die Thematik des Kollegs zugeschnittenen Unterrichts- und Praktikumsprogramm zur Verfügung gestellt. Inhaltlich sollen Doktorarbeiten aus den Forschungsgebieten der Toxikologie, Tiermodell-Entwicklung und Identifikation von Biomarkern bei internistischen und neurologischen Erkrankungen im Vordergrund stehen. Die Einrichtung des Kollegs erfolgt nach bereits etablierten Strukturvorgaben und Gütekriterien unter dem Dach der „Graduate School of Biological Science“ der Universität zu Köln, so dass auch für diesen Bestandteil der Kooperation die Unabhängigkeit von rein wirtschaftlichen Interessen sichergestellt ist.
Nachfolgend Einzelheiten zu spezifischen Aspekten der Kooperation:
Die Vereinbarung geht, wie dargestellt, zwar über die klinische Erprobung neuer Medikamente als letzte Stufe des Zulassungsverfahrens hinaus und schließt auch Entwicklungsvorhaben von neuen Medikamenten sowie das skizzierte Graduiertenkolleg mit ein. Dabei stellt aber das gewählte Modell der bevorzugten und nicht etwa zwingenden Zusammenarbeit mit diesem einen industriellen Partner sicher, dass die Entscheidungen über die Aufnahme von innovativen Vorhaben oder Dissertationsprojekten frei nach den jeweiligen Entwicklungsperspektiven der universitären klinischen Forschung sowie Doktorandenausbildung erfolgen und weder direkt noch indirekt durch wirtschaftliche Interessen beeinflusst werden können.
Die Vereinbarung enthält keinerlei Bedingungen, die der für Drittmittelforschung üblichen Publikationsverpflichtungen gemäß § 71 Hochschulgesetz NRW entgegen stehen.
Aus der Rahmenvereinbarung ergeben sich keine Einschränkungen des freien akademischen Austausches im Allgemeinen und der negativen Publikationsfreiheit im Besonderem. Entscheidungen über Publikationen, die den Gegenstand und die Ergebnisse der Zusammenarbeit betreffen, werden nach wechselseitiger Unterrichtung, gemeinsamer Diskussion sowie der Überprüfung einer möglichen Schutzrechtsfähigkeit neuer Forschungs- und Entwicklungsmodelle sowie der sich daraus ergebenden Anmeldungskonsequenzen im Lenkungsausschuss herbeigeführt.
Die Eigentumsverhältnisse hinsichtlich sämtlicher schutzrechtsfähiger und nicht schutzrechtsfähiger Ergebnisse richten sich nach der Sponsoreneigenschaft im Sinne von § 4 Absatz 24 des Arzneimittelgesetzes (AMG), die entweder auf Seiten der Universität zu Köln oder auf Seiten der Bayer HealthCare AG liegt. Sollten gemeinsame Entwicklungserfolge zur Vermarktung von patentrechtlich geschützten Produkten aufgrund von Patenten führen, die im Rahmen der Kooperationsvereinbarung angemeldet und erteilt wurden, erhalten die jeweils Beteiligten auf Seiten der Institute und Kliniken der Universität zu Köln ab Vermarktungsbeginn und für die Laufzeit der betreffenden Patente eine angemessene Vergütung nach den Vorgaben des Arbeitnehmererfindergesetzes.
Der Umgang mit Informationen aus der Forschungs- und Entwicklungskooperation unterliegt naheliegender Weise Geheimhaltungs- und Nichtverwendungsverpflichtungen, die beide Partner zur wechselseitigen Absicherung der in ihrer bevorzugten Partnerschaft miteinander verfolgten Interessen eingegangen sind. Unabhängige, etwa durch öffentliche Drittmittelgeber finanzierte Studien könnten, wenn sie sich auf die Entwicklungsvorhaben innerhalb der Partnerschaft beziehen und diese mit dem Ziel einer kritischen Überprüfung ihre Ergebnisse begleiten sollen, dementsprechend nur auf der Grundlage besonderer diesbezüglicher Beschlussfassungen innerhalb des Lenkungsausschusses durchgeführt werden.
Industrielle Drittmittel für die Entwicklung und Erprobung neuer
Medikamente werden in der Regel nur dann in Anspruch genommen,
wenn die betreffenden klinischen Studien mit den Zielsetzungen der
fünf an der Medizinischen Fakultät und dem Klinikum der Universität
zu Köln etablierten und von unabhängigen wissenschaftlichen
Expertenkommissionen fortlaufend evaluierten
Forschungsschwerpunkten zusammenstimmen. Für diesen
Vorrang der Orientierung an den fakultätseigenen
Forschungsinteressen sorgt allein schon die Zielvereinbarung der
Universität zu Köln mit dem zuständigen Landesministerium, in der
die Entwicklungsaufgaben des Universitätsklinikums jeweils
festgeschrieben sind. Mitglieder des Universitätsklinikums, die
überwiegend Auftragsforschung für die Arzneimittelindustrie
außerhalb dieser Zielgebiete betrieben, würden sich Nachteile bei der leistungsorientierten Mittelvergabe des Landeszuschusses und vielen anderen Strukturierungsmaßnahmen der Medizinischen Fakultät einhandeln. Die Einwerbung öffentlicher Drittmittel vor allem von Seiten der Deutschen Forschungsgemeinschaft, des Bundesministeriums für Bildung und Forschung und der europäischen Kommission stellt ein ungleich höherwertiges Gütekriterium für die leistungsorientierte Mittelvergabe sowohl durch das Land als auch durch die Fakultät dar und lässt sich inzwischen auch wieder mehr für klinische Studien nutzen und in den betreffenden Förderprogrammen projektbezogen mit der Einwerbung industrieller Drittmitte! verbinden. Sowohl bei den selbst iniziierten als auch bei den konzeptionell durch industrielle Drittmittelgeber schon festgelegten klinischen Studien erfolgt vor der Einleitung der Projekte eine Überprüfung durch die Ethikkommission der Medizinischen Fakultät. Zudem wird jedes Vorhaben auch methodologisch nach forschungsimmanenten Gesichtspunkten sorgfältig analysiert und insbesondere bei größer angelegten Projekten, die unter das Arzneimittelgesetz fallen, eine Betreuung durch das an der Medizinischen Fakultät schon seit Jahren etablierte und erfolgreich arbeitende Zentrum für klinische Studien mit der Wahrnehmung der Sponsoreigenschaft durch die Universität zu Köln angestrebt Prüfung und Abschluss aller Verträge erfolgen nach der Meldung der jeweiligen Kooperationen an das Rektorat durch die Drittmittelverwaltung der Universität zu Köln, die auch die Geschäftsbeziehungen mit den industriellen Partnern überwacht. Insgesamt haben also die Universität zu Köln und ihre Forschungseinrichtungen sehr weitgehend sichergestellt, dass eigene Entwicklungsgesichtspunkte und Gütekriterien in forschungslogischer, methodologischer, ethischer sowie juristischer Hinsicht zur Geltung kommen und dementsprechend sowohl Konzeption als auch Auswertung der mit industriellen Drittmitteln geförderten Arzneimittelforschung nicht einseitig von wirtschaftlichen Interessen bestimmt werden können.
Mit freundlichen Grüßen Im Auftrag
May