Aktion & Kritik
CBG im NRW-Landtag
Die Anhörung
Im August 2015 verweigerte das Oberverwaltungsgericht Münster der COORDINATION GEGEN BAYER-GEFAHREN die Einsichtnahme in den Kooperationsvertrag zur medizinischen Forschung, den BAYER mit der Universität Köln abgeschlossen hatte. Die Auseinandersetzung um Transparenz in der Drittmittel-Forschung, welche die Coordination mit ihrer Klage angestoßen hatte, geht aber trotzdem weiter.
Von Jan Pehrke
„Universität Köln muss Forschungsvereinbarung mit der BAYER PHARMA AG nicht offenlegen“, dieses Urteil verkündete das Oberverwaltungsgericht Münster am 18. August 2015. Der Richter Sebastian Beimesche hatte die Paragraphen des Informationsfreiheitsgesetzes und des Hochschulzukunftsgesetzes, die Forschung & Lehre von der Transparenz-Pflicht ausnehmen, „weitreichend“ – etwa auch die Forschungsplanung betreffend – ausgelegt und der COORDINATION GEGEN BAYER-GEFAHREN (CBG) die Einsichtnahme in den Vertrag verwehrt. So kann die Coordination bis auf Weiteres keine Antworten auf Fragen zur finanziellen Ausgestaltung der Kooperation, zu den Verwertungsrechten, zu den Forschungsvorgaben des Leverkusener Multis und zum Umgang mit negativen Forschungsergebnissen beanspruchen.
„Das Urteil verdeutlicht, dass das nordrhein-westfälische Informationsfreiheitsgesetz (IFG) überarbeitet werden muss“, erklärte die Coordination deshalb nach dem OVG-Votum: „Die generelle Ausklammerung des Hochschulbereichs von jeglicher Transparenz muss durch eine differenziertere Regelung ersetzt werden, sonst droht eine Ausrichtung der universitären Forschung auf rein wirtschaftliche Interessen.“ Die nordrhein-westfälische Piratenpartei schloss sich dieser Einschätzung an und startete im Landtag eine Reihe von Initiativen. So lud sie am 28. April 2016 zu einer öffentlichen Anhörung zum Thema, an der die NRW-Datenschutzbeauftragte, VertreterInnen von Unternehmensverbänden, Hochschulen und TRANSPARENCY INTERNATIONAL und für die CBG der Verfasser dieser Zeilen teilnahmen.
Dieser stellte vor dem Innenausschuss noch einmal dar, aus welchen Motiven heraus die Coordination so vehement dafür streitet, den umstrittenen Forschungsvertrag sichten zu dürfen. Jan Pehrke schilderte, welche Dimensionen der Einfluss eines Konzernes wie BAYER auf den Bildungssektor mittlerweile angenommen hat und wie systematisch der Konzern dabei vorgeht. Vom Kindergarten über Schulen bis hin zu Universitäten erstreckt sich das Engagement des Leverkusener Multis. Laut Pehrke kommt das Unternehmen auf über 800 Projekte mit Hochschulen und anderen Forschungseinrichtungen. Und um Kooperationen auf Augenhöhe handle es sich bei solchen Joint Ventures zwischen Unternehmen und Bildungseinrichtungen keineswegs, so der CBGler mit Verweis auf eine Beschäftigte der TU Dortmund, die von „diktierten Verträgen“ sprach. Aus all diesen Gründen hielt er es für das Mindeste, der Gesellschaft Einblick in diese Art von „Forschungspolitik“ zu gewähren.
Die NRW-Datenschutzbeauftragte Helga Block trat ebenfalls für einen verbesserten Zugang zu solchen Informationen ein. Sie rief noch einmal die Auseinandersetzungen um den Transparenz-Paragraphen im Hochschulzukunftsgesetz in Erinnerung und verhehlte dabei nicht, dass ihr Vorgänger und sie selber sich damals eine weitergehende Regelung gewünscht hätten. „Das hat sich so nicht durchgesetzt, und das OVG hat dann ja durch seine Entscheidung im August 2015 deutlich gemacht, dass auch auf der Basis des jetzt in Kraft getretenen § 71a des Hochschulgesetzes NRW die vom Kläger verlangte Veröffentlichung des Rahmenvertrags nicht möglich war“, hielt sie fest. „Wenn der Gesetzgeber da mehr wollte, dann müsste er sich vielleicht noch mal mit dieser Thematik befassen“, folgerte Block.
Für die Juristin zeigt das Urteil noch aus einem anderen Grund, warum „der Weg zu einer geeigneten und hinreichenden Transparenz-Regelung noch nicht abgeschlossen sein kann“, wie sie in ihrer schriftlichen Stellungnahme formulierte. Da das Gericht die Geheimniskrämerei um den Forschungsvertrag mit Verweis auf die grundgesetzlich geschützte Forschungsfreiheit absegnete, sieht Helga Block im Umkehrschluss jede Transparenz-Anstrengung dem Vorwurf ausgesetzt, gegen die Verfassung zu verstoßen. Selbst die Rektorate der Hochschulen könnten deshalb Schwierigkeiten bekommen, wenn sie einen offenen Umgang mit den Kooperationen anstrebten. „Diese Überlegungen unterstreichen und bestärken nachdrücklich die Forderung, gesetzlich verbindlich, klar und bestimmt festzuschreiben, welche konkreten Informationen zu Kooperationsverträgen, Drittmitteln und Forschungsvorhaben ohne Zustimmung der Betroffenen zu veröffentlichen sind“, resümierte sie. Die Mindestanforderungen dafür müssten aus ihrer Sicht Angaben zur Identität des Drittmittel-Gebers, zur Fördersumme, zur Zielsetzung des Projekts und zur Laufzeit sein.
Dagegen wehrten sich die UnternehmensvertreterInnen vehement. Erweiterte Transparenz-Pflichten gefährdeten ihrer Meinung nach die Zusammenarbeit zwischen Unternehmen und Hochschulen. Klaus Appelt von der Industrie- und Handelskammer Nordrhein-Westfalen verwies auf eine Umfrage seines Hauses, wonach strengere Veröffentlichungsauflagen 86 Prozent der Firmen von solchen Kooperationen abhalten würden. Und das hätte dem Verband „Unternehmer NRW“ zufolge für den Standort Nordrhein-Westfalen einschneidende Folgen. „Informationsfreiheit muss dort an seine Grenzen stoßen, wo die Wettbewerbsfähigkeit der Unternehmen gefährdet ist“, meint deshalb die IHK. Sie beansprucht damit unverhohlen einen Ökonomie-Vorbehalt für Grundrechte.
Aber diese Haltung gerät zurzeit in die Defensive. So hat der Journalist Thomas Leif auf Einsichtnahme in einen vom Pharma-Riesen BOEHRINGER mit der Universität Mainz geschlossenen Vertrag geklagt und in erster Instanz Recht bekommen. Für die Hochschule als Behörde bestehe Medien-VertreterInnen gegenüber Auskunftspflicht, urteilte das Mainzer Verwaltungsgericht, diese könne sich nicht generell auf den Schutz der Wissenschaftsfreiheit berufen, um auf der Geheimhaltung des Kooperationsvertrages zu bestehen. Vielmehr sei hier zwischen der Wissenschafts- und der Pressefreiheit abzuwägen, so die RichterInnen.
Genau das haben die JuristInnen dann auch getan. Dabei kamen sie zu dem Schluss: „Vorliegend überwiegt das Informationsinteresse des Klägers am Zugang zu den streitgegenständlichen Verträgen.“ Und zwar „selbst dann, wenn die streitgegenständlichen Verträge den grundgesetzlich geschützten Bereich der Forschung und Lehre tangieren sollten“, führten sie aus. Zur Begründung verwies das Gericht darauf, dass die Universität das Kooperationsabkommen im Zuge der Auseinandersetzung mit Leif schon einmal einigen JournalistInnen vorgelegt habe. Von den Ausnahme-Regelungen des rheinland-pfälzischen Transparenz-Gesetzes die Forschung betreffend ließ es sich ebenfalls nicht blenden: „Die Ausschluss-Tatbestände des Transparenz-Gesetzes sind (…) weder unmittelbar noch analog auf den medienrechtlichen Auskunftsanspruch anwendbar.“
Ein weiteres Verfahren in dieser Sache steht noch vor der Entscheidung, während in Fachzeitschriften Rechtswissenschaftlerinnen wie Dr. Christine Goth schon massiv Kritik am Urteil des OVG Münster gegen die Coordination üben. Das Land Niedersachsen hat derweil eigene Schlussfolgerungen aus den juristischen Auseinandersetzungen um die Transparenz-Vorschriften gezogen.
„Wissenschaftsfreiheit und schützenswerte Interessen Dritter machen gesetzliche Regelungen zu einem stumpfen Schwert“, sagt die dortige Wissenschaftsministerin Dr. Gabriele Heinen-Kljajić. Deshalb hat sie mit den Universitäten des Landes Leitlinien zur Transparenz vereinbart, die Veröffentlichungspflichten umfassen. Einige Bildungseinrichtungen versuchen zwar nach Kräften, wichtige Angaben für sich zu behalten, aber die Ministerin versprach in einem Taz-Interview, Druck zu machen. Und Nordrhein-Westfalen? Hier verweist die Landesregierung auf „Abstimmungsgespräche im politischen Raum zur Weiterentwicklung des IFG (Informationsfreiheitsgesetz, Anm. SWB) zu einem Transparenz-Gesetz“. Da hält es die CBG einstweilen doch lieber mit Goethe: „Die Botschaft hör’ ich wohl, allein mir fehlt der Glaube.“