8. August 2000
Studie belegt: Pillen für den Alltag führen zu Suchtverhalten
Kritik an „Lifestyle-Medikamenten“
Heftige Kritik an neuen „Lifestyle-Medikamenten“ äußerten Pharmakritiker heute in Düsseldorf. Hubert Ostendorf von der Coordination gegen BAYER-Gefahren bemängelt, dass Pharmaunternehmen wie die Leverkusener Bayer AG die Forschung gegen Tropenkrankheiten eingestellt haben, gleichzeitig aber sinnlose Alltags-Pillen entwickeln. „Während jede Bagatelle zum profitträchtigen Makel erklärt wird, fordern Krankheiten wie Malaria und Bilharziose Millionen von Opfern. Die Pharmamultis arbeiten nicht gegen die Geißeln der Menschheit, sondern nur für ihre Dividende, so Ostendorf.
Life-Style-Medikamente haben Konjunktur: La Roche bringt ein Präparat gegen Fettleibigkeit auf den Markt, MSD ein Mittel gegen Haarausfall. In den USA haben die Hersteller Lustpillen für Frauen und Wachstumsförderer für Kinder in der Pipeline, und seit kurzem gibt es die erste Anti-Raucher-Pille.
Die Bayer AG arbeitet an einem Konkurrenzprodukt für Viagra. Die Nebenwirkungen von Viagra führten bereits zu zahlreichen Todesfällen. Kritiker bezweifeln, dass der neue Lustförderer wie versprochen erheblich weniger Nebenwirkungen haben wird.
Viele der neuen Alltags-Pillen haben ein hohes Suchtpotenzial und verwischen die Grenze zwischen Medikamenten und Drogen. Eine Studie der Universität Bielefeld belegt, dass normale Medikamente den Einstieg zu Designerdrogen wie Speed und Ecstasy erleichtern. Befindlichkeitsstörungen werden zunehmend mit einer reflexartigen pharmakologischen Reaktion beantwortet. Der Zugang zu Medikamenten, so die Bielefelder Untersuchung, sei durch immer mehr frei verkäufliche Mittel in den letzten zehn Jahren extrem erleichtert worden, was das Suchtverhalten bei den Betroffenen wie den Profit bei der Pharmaindustrie fördere.