Das Agrar-Oligopol von BAYER & Co.
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BAYER, MONSANTO und eine Handvoll weiterer Unternehmen haben den Agrar-Markt unter sich aufgeteilt und sich so den Zugriff auf eine Industrie gesichert, welche die Menschen mit dem wichtigsten Gut überhaupt versorgt: der Nahrung.
Von Jan Pehrke
1985 hatten die zehn größten Anbieter von Saatgut zusammen einen Marktanteil von ca. 12,5 Prozent. 2011 hingegen kamen MONSANTO, DUPONT, BAYER & Co. schon auf 75,3 Prozent. Eine ähnliche Entwicklung vollzog sich auch in anderen Bereichen des Agro-Business’. „Die neuesten Markt-Daten legen nahe, dass Kartell-Absprachen notorisch sind und oligopolistische Strukturen von einzelnen Sektoren auf das gesamte Ernährungssystem übergegriffen haben“, hält die kanadische ETC-Group fest. So beherrschen ihrer jüngsten Untersuchung „Putting the Cartel before the Horse“ zufolge SYNGENTA, BAYER und BASF über die Hälfte des Pestizid-Handels. Noch übersichtlicher geht es Gentechnik-Bereich zu. Obwohl zu diesem Segment keine aktuellen Zahlen vorliegen, besteht an der Dominanz von MONSANTO kein Zweifel. Erst mit einigem Abstand folgen dann BAYER, DUPONT, DOW AGRO SCIENCE, SYNGENTA und KWS.
Die Gentechnik war es dann auch, die den Konzentrationsprozess antrieb. Sie erforderte enorm viel Kapital, das nur große Unternehmen zur Verfügung hatten, und versprach dafür Extra-Gewinne. Den Schlüssel dazu lieferten die Patente. Diese eröffneten die Chance, das Wissen um das Säen, Ernten und Wiederaussäen der Ackerfrüchte, das die Menschheit über Jahrtausende hinweg miteinander geteilt hatte, gewinnträchtig zu privatisieren. Der Leverkusener Multi profitiert davon in besonderer Weise: Auf dem alten Kontinent verfügt kein Agro-Riese über so viele Patente wie er. 206 Copyright-Ansprüche verzeichnet das Europäische Patentamt (siehe SWB 4/13). Eines dieser Schutzrechte entpuppt sich dabei als besonders wertvoll, weil es eine ganze Technologie zur Gen-Manipulation umfasst. Die anderen Mitglieder des Oligopols verfügen ebenfalls über solche Major-Patente, ohne die die schöne, neue Genwelt nicht zu machen ist, weshalb der Club Exklusivität wahren und potenzielle Mitbewerber draußen halten kann.
Aber Verfügungsgewalt über Gene mit besonderen Eigenschaften und bestimmte biotechnische Kniffe allein reichen nicht aus für ein lukratives Geschäftsmodell. „Ein neues Gen ist nutzlos ohne einen hochwertigen Grundstock von Saatgut, in das es eingebaut werden kann, und eine Infrastruktur, die solches bereitstellt“, hielt ein Finanz-Analyst in der Frühphase des sich etablierenden Wirtschaftszweigs fest. Ohne Zugriff auf einen solchen Rohstoff haben die GenwerkerInnen in ihren Laboren nämlich nicht die Möglichkeit, Gott zu spielen und ganze Pflanzen zu konstruieren. Also legten sich die Agro-Riesen im großen Stil Saatgut-Unternehmen zu und verlängerten damit ihre Wertschöpfungskette entlang der Nahrungskette. Neben solchen vertikalen Konzentrationen kam es durch Aufkäufe direkter Konkurrenten aber auch zu horizontalen Konzentrationen. Eine äußerst folgenreiche initiierte BAYER im Jahr 2001. In diesem Jahr schluckte der Leverkusener Multi AVENTIS CROPSCIENCE, das kurz zuvor aus der Fusion von HOECHST und RHÔNE-POULENC entstanden war. Diese Aquisition gab dann den Startschuss zu einem forcierten Ausbau der Landwirtschaftssparte. Seither erwarb der Konzern unter anderem Saatgut-Firmen wie STONEVILLE, RELIANCE GENETICS und HORNBECK, Pestizid- und Saatgutbehandlungsmittel-Produzenten wie GUSTAFSON und investierte in Gentechnik-Lizenzen. Zudem ging der Global Player allein im Saatgut-Bereich über 90 Kooperationen mit Universitäten und anderen Forschungseinrichtungen ein.
Auf diese Weise bauten BAYER, MONSONTO & Co. ihre Markt-Positionen konsequent aus und drängten kleinere Gesellschaften aus dem Geschäft. Am spürbarsten wirkte sich diese „neue Übersichtlichkeit“ auf die Preise aus, vor allem auf diejenigen im Biotech-Bereich. Während diese für Hochtechnologie-Produkte vergleichbarer Branchen wie etwa der Computer-Industrie in der Regel bald nach der Markteinführung fallen, verlangen BAYER & Co. kontinuierlich mehr für ihre Waren. Die Kosten für gentechnisch manipuliertes Getreide stiegen von 1995 bis 2008 um 139 Prozent, für konventionelle Sorten um 49 Prozent. Für Gen-Soja mussten die Farmer 199 Prozent und für konventionelle Arten 96 Prozent mehr zahlen, ohne dies alles durch höhere Ernte-Erträge ausgleichen zu können.
Und nicht immer geht dabei alles mit rechten Dingen zu. Bereits mehrmals zogen US-amerikanische FarmerInnen gegen die Agro-Multis wegen des Verdachts illegaler Preisabsprachen vor Gericht. So prozessierten etwa im Jahr 1999 LandwirtInnen gegen BAYER, MONSANTO, SYNGENTA und andere Unternehmen. Aber der zuständige Richter ließ die Sammelklage nicht zu. Jeder Fall liege anders, argumentierte er und stoppte damit das Verfahren. MONSANTOs Geschäftspraxis geriet sogar schon in das Visier des US-amerikanischen Justizministeriums. 2010 begann es mit Untersuchungen über wettbewerbsbehindernde Operationen des Konzerns. Zwei Jahre später stellte es diese Überprüfungen jedoch ohne Angabe von Gründen wieder ein.
Als weitere Folge der oligopolistischen Strukturen sank die Innovationskraft der Firmen. Sie meldeten weniger Entwicklungen zum Patent an, führten weniger Feldversuche durch und brachten auch weniger neue Produkte heraus. So beherrschen etwa den Genpflanzen-Markt immer noch Schöpfungen der ersten Generation wie BAYERs gegen das Antiunkrautmittel Glufosinat resistente Labor-Kreationen der Marke LIBERTY LINK oder MONSANTOs Ackerfrüchte der ROUND-UP-READY-Serie. Darum stellen sich Ackerwinde und andere Gewächse zunehmend auf die gemeinsam mit den Gen-Konstrukten vertriebenen Pestizide ein, und die FarmerInnen schaffen es kaum noch, dem Wildwuchs auf ihren Feldern Herr zu werden. „Seit über 25 Jahren hat die weltweite Pflanzenschutz-Industrie kein wirtschaftlich bedeutendes Herbizid mit neuem Wirkmechanismus mehr für Flächenkulturen entwickelt und auf den Markt gebracht – unter anderem eine Folge der Konsolidierung der Industrie, die mit einer deutlichen Reduktion der Forschungsaufwendungen für neue Herbizide einherging“, räumt der BAYER-Forscher Dr. Hermann Stübler in bemerkenswerter Offenheit ein.
Auf diese „Folge der Konsolidierung“ reagieren die Konzerne mit noch mehr Konsolidierung: sie gewähren sich gegenseitig in großem Stil Zugriff auf ihre Produkt-Plattformen, um Pflanzen entwickeln zu können, die mehreren Agro-Chemikalien gleichzeitig trotzen. Das behebt zwar den Innovationsstau nicht, bietet den LandwirtInnen jedoch etwas mehr Variationsmöglichkeiten, zumindest bis wieder ein Gewöhnungseffekt eintritt. Im Rahmen eines solchen als „cross licencing“ bezeichneten Austauschgeschäftes erhielt BAYER von MONSANTO jüngst Lizenzen für neue Round-Up-Versionen, während das US-Unternehmen Nutzungsrechte für Insektizide und Herbizide bekam. Zuvor hatten die beiden Gen-Giganten schon eine Kooperation in Sachen „Genmais“ vereinbart, aus der MONSANTOs SMARTSTAX hervorging. Die Pflanze weist Resistenzen gegen BAYERs Glufosinat und weiteres Pestizid auf und verfügt darüber hinaus noch über sechs verschiedene Insektengift-Gene. Weitere Deals dieser Art hat der Leverkusener Multi mit DUPONT, SYNGENTA, DOW AGRO SCIENCES und der BASF abgeschlossen. Kern der Strategie sei es, die eigenen Produkte so weit wie möglich verfügbar zu machen, sagte Liam Condon, der Chef von BAYER CROPSCIENCE, laut Faz.
Daneben entdeckt der Agro-Riese sogar seine grüne Ader, um imstande zu sein, den Plagegeistern Herr zu werden – so arg steht es schon. „Wir erkennen, dass Chemikalien oft nur eine kurzfristige Lösung darstellen“, erklärt der Konzern. Darum empfiehlt er den FarmerInnen, zum einen, vor der Aussaat mal wieder wie früher zum Pflug zu greifen, statt nur den Giften zu trauen und zum anderen, das gute alte Prinzip der Fruchtfolge zu beherzigen und auf den Äckern nicht immer wieder dasselbe anzubauen. Zudem setzt BAYER vermehrt auf biologische Methoden. So kaufte die Aktien-Gesellschaft das US-Unternehmen AGRAQUEST und erforscht zusammen mit MENDEL BIOTECHNOLOGY neue Wege zum Schutz der Ackerfrüchte. Aber allzu viel traut der Leverkusener Multi sich selbst in dieser Richtung nicht zu. Darum erkundete ein von ihm im November 2012 veranstaltetes Symposion zum Thema „Herbizid-Resistenzen“ auch, „welche Möglichkeiten es für Kooperationen mit führenden pflanzenwissenschaftlichen Instituten gibt“.
Kurzfristig hofft der Konzern jedoch noch aus der brenzligen Lage Kapital zu schlagen und vermarktet sein Herbizid LIBERTY mit dem Wirkstoff Glufosinat gezielt als Alternative zu MONSANTOs Glyphosat, das seine marktbeherrschende Stellung mit zunehmenden Abnutzungserscheinungen bezahlt und mittlerweile vor fast der Hälfte aller Unkräuter kapituliert. „Die Nachfrage schießt geradezu durch die Decke“, jubiliert Liam Condon, der Chef von BAYER CROPSCIENCE. Wegen der florierenden Geschäfte mit LIBERTY und anderen Produkten kündigte die Landwirtschaftssparte an, das von 2013 bis 2016 vorgesehene Budget für den Ausbau der Kapazitäten um eine Milliarde Euro auf 2,4 Milliarden Euro zu erhöhen. Allein 380 Millionen Euro investiert die Abteilung dabei in eine neue Glufosinat-Produktionsanlage. Dass die EU die Zulassung für den Stoff wegen seiner gesundheitsschädlichen Effekte über 2017 hinaus nicht mehr verlängern will, ficht BAYER dabei nicht an. Darüber hinaus plant der Agrar-Mogul, seine Saatgut-Produktpalette zu erweitern. Da es in der nördlichen Hemisphäre kaum noch geeignete Firmen für Übernahmen gibt, sucht er derzeit in Lateinamerika nach entsprechenden Kandidaten.
So wächst und wächst und wächst der Leverkusener Multi, wie es auch MONSANTO, SYNGENTA & Co. tun. Und was sie allesamt dabei antreibt, formuliert Ruth Tippe von der Initiative KEIN PATENT AUF LEBEN so: „Ziel dieses Oligopols ist es, den Markt unter sich aufzuteilen und letztlich die Ernährungsgrundlagen der Menschen zu kontrollieren.“