SWB 02/98

Liebe Leserinnen und Leser,

gemeinsam haben wir einen großen Sieg errungen: BAYER-Chef Manfred Schneider mußte im März bekanntgegeben, daß die umstrittene TDI-Fabrik in meiner Heimat Taiwan nicht gebaut wird. Nachdem die Regierung der Provinz Taichung ein Referendum über das Projekt angekündigt hatte, verzichtete der Konzern auf den Bau der Anlage. Augenscheinlich wünscht der Konzern keine Mitbestimmung der betroffenen Bevölkerung! Vorausgegangen waren zweijährige Proteste der örtlichen Bevölkerung, große Demonstrationen und die Gründung der Bürgerinitiative "Anti-Bayer Action Union".

Der Unmut meiner Landsleute richtete sich vor allem gegen das großspurige Auftreten der BAYER- Vertreter: die taiwanesische Regierung sollte quasi umsonst einen Bauplatz zur Verfügung stellen und auf eine Umweltverträglichkeitsprüfung verzichten, die Bevölkerung wurde über das Projekt in keiner Weise informiert, und jeder Protest wurde als "kommunistisch" diffamiert.

Auch mit platten Unwahrheiten, in arrogantem Stil vorgebracht, wurde argumentiert. "Wir bauen die sichersten Anlagen der Welt, bei BAYER hat es noch nie einen Störfall gegeben", so ein Firmensprecher. Als ich auf der letzten BAYER-Hauptversammlung auf die Probleme in meiner Heimat hinwies, wurde mir vom großen Vorsitzenden lediglich beschieden, ich "solle hier keine vorbereitete Rede vortragen".

Die AktivistInnen der COORDINATION GEGEN BAYER-GEFAHREN (CBG) haben uns in der Auseinandersetzung unschätzbare Hilfe geleistet. Ohne sie hätten wir nicht von den Problemen mit BAYER in anderen Ländern erfahren. Über den Besuch des CBG-Vorstandsmit-
glieds Uwe Friedrich in Taiwan und seine Kritik an der gefährlichen TDI-Produktion haben Zeitungen und Fernsehen im ganzen Land berichtet. Und als im letzten Sommer eine TDI-Anlage in Dormagen explodierte, hat die CBG uns sofort informiert und Fotos und Fernseh-
berichte zugeschickt. Hierdurch wurde die Diskussion in Taiwan nach-haltig beeinflußt und ein vorläufiger Baustopp erreicht. Dieser Erfolg gegen den übermächtigen Konzern konnte nur durch die erfolgreiche internationale Kooperation errungen werden!

Ich möchte die Gelegenheit wahrnehmen, und der CBG an dieser Stelle zu ihrem 20sten Jubiläum gratulieren. Wir freuen uns über Euer Engagement, Euern Mut und Euern langen Atem! Die multinationalen Konzerne scheinen heute die wahren Herrscher der Welt zu sein, und die Politiker scheuen jede Auseinandersetzung mit ihnen. Daher ist es umso wichtiger, dass Bürgerinitiativen, Umweltschutzverbände und Betroffene ihre Interessen bündeln und den Mächtigen auf die Finger schauen. Die deutsch-taiwanesische Zusammenarbeit ist hierfür ein gelungenes Beispiel.

Ihre Uie-Liang Liou