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[Rede Rosche] Hauptversammlung 2005

CBG Redaktion

“Frauen werden giftig”- Fragen an den Bayer Vorstand von Daniela Rosche, WOMEN IN EUROPE FÜR A COMMON FUTURE (WECF)

Sehr geehrte Damen und Herren,

mein Name ist Daniela Rosche, ich spreche fuer Women in Europe for a Common Future. WECF ist ein europäisches Netzwerk von Frauenorganizationen, die sich für Gesundheit und Umweltschutz einsetzen. Unsere Themen ergeben sich aus dem Bedürfnis von Frauen, Gesundheits und Umweltprobleme konkret zu benennen und Schäden von uns, unseren Familien und der Gesellschaft abzuwenden. In diesem Zusammenhang beschaeftigen wir uns auch mit Chemikalienpolitik

WARUM?
Weil wir giftig werden&

  • 8722; immer giftiger! Täglich nehmen wir über unzählige Alltagsprodukte, ungewollt und unbewusst, viele Chemikalien in uns auf: Parabene in Haarschampoo, Bromierte Flammschutzmittel in Fernsehern, Weichmacher in Duschvorhängen und Auslegeware, Formaldehyd in Lufterfrischern oder Teflon in der Bratpfanne, um nur einige Beispiele zu nennen. Diese Substanzen befinden sich darüber hinaus auch in unserer Umwelt und verschmutzen dort Luft, Gewässer, Flüsse, Meere und die Tierwelt. Mit welchen Folgen, ist oft nicht bekannt, denn von den rund 100.000 Chemikalien, die es auf dem europäischen Markt gibt, sind bislang nur 14 Prozent auf ihre Auswirkungen auf Mensch und Umwelt getestet worden.

Bis zu 300 verschiedene Chemikalien konnten bisher im menschlichen Körper nachgewiesen werden. Frauen und Kinder sind davon in besonderem Maße betroffen. Sie reagieren zum Beispiel empfindlicher auf die negativen Eigenschaften von Chemikalien. Eine Reihe von Stoffen zum Beispiel die breits erwaehnten Parabene, Phthalate (Weichmacher), Flammschutzmittel und Formaldehyd werden aufgrund ihrer stofflichen Eigenschaften von der Wissenschaft als besonders gefährlich eingestuft. Das bedeutet, dass sie sich im Koerper anreichern, langlebig sind, giftig, hormonverstörend oder gar krebserregende fortpflanzungsschädigende und erbgutschädigende Eigenschaften haben. Sie können Krankheiten wie Asthma und Allergien bis hin zu Unfruchtbarkeit und Krebs auslösen.

Alle synthetischen Chemikalien die sich im Laufe des Lebens im Koerper der Frau anhaeufen, direkt an unsere Kinder weitergegeben werden!!!!! Nicht nur waehrend des Stillens sondern bereits vor der Geburt! Denn Untersuchungen zeigten, dass einige der besonders gefährlichen Stoffe über die Plazenta oder die Blut-Gehirn-Barriere in den sich entwickelnden Embryo gelangen und dort das Nervensystem oder das Hormonsystem stören bzw. langfristig schädigen können. Kinder von Malern oder Frauen die in der Lösungsmittelherstellung beschaeftigft sind, bringen zum Beispiel schon seit Jahren Kinder mit niedrigerem IQ auf die Welt. Zu den Gesundheitsfolgen von Stoffen, mit hormonverstoerenden Eigenschafte, gehoeren auch dass sich seit mehr als 10 Jahren die Fruchtbarkeit von Maennern um mehr als 50% vermindert hat.

ALARMIERENDE VERSÄUMNISSE
So wie die meisten Menschen, haben auch wir angenommen, dass chemische Alltagsprodukte, die in Europa auf dem Markt sind, einem Mindestmass an Kontrolle unterliegen. Denn Flugzeuge koennen ja auch nicht einfach in die Luft abheben, Autos muessen erst Sicherheitstests bestehen und Lebensmittel auf ihre Qualitaet beurteilt werden, bevor sie auf den Markt kommen. Leider ist es tatsächlich so, dass die Mehrheit der auf dem europaeischen Markt verkauften Chemikalien die dann in Alltagsprodukten landen (und ich spreche hier nicht von Kosmetika oder Phamazeutika) KEINERLEI Kontrolle unterzogen, werden. Denn sie werden schon seit den 30gern produziert und Europäische Gesetzgebung reguliert nur die Stoffe, die seit 1981 auf dem Markt sind. Und das sind lediglich um die 3000.

Nun gibt es einen Vorschlag der EU-Kommission zur Reform der heutigen Chemikalienpolitik, REACH genannt. Dieser Vorschlag bietet unserer Meinung nach die einmalige- once in a GENERATION, Moeglichkeit die Versäumnisse der gegenwärtigen Chemikalienpolitik zu berichtigen. Denn unter dieser Verordnung muessen all Stoffe mit einem Produktionsvolumen von ueber einer Tonne in ein koherentes System integriert und systematisch auf ihre schädlichen Auswirkungen auf die menschliche Gesundheit und fuer die Umwelt beleuchtet werden.

Der REACH Gesetzesvorschlag, der sich derzeit im Abstimmungsprozess befindet, steht für deutliche Verbesserungen am heutigen System.

REACH bietet Sicherheit und Klarheit, nicht nur für die Verbraucherinnen und Verbraucher, sondern auch für die Industrie und die weiterverarbeitenden Unternehmen. REACH bietet der Chemieindustrie enorme Wettbewerbsvorteile: Europäische Unternehmen werden die ersten sein, die mit innovativen Substanzen gesunde und sichere Produkte herstellen können. „Made in Europe“ wird für sichere und gesunde Produkte stehen, die Verbraucherinnen und Verbraucher bereits jetzt in verstärktem Umfang nachfragen, sehen sie sich z.B. die Zuwachsraten von gesunden Kosmetikprodukten an. Zehntausende von neuen Arbeitsplätzen können geschaffen werden, der Wirtschaftsstandort Deutschland zum Vorreiter einer sicheren Chemieindustrie werden. Dieser Trend darf nicht verpasst werden. Was mit Unternehmen geschieht, die eine verfehlte Produktpolitik betreiben, kann derzeit in Rüsselsheim verfolgt werden. REACH schützt Arbeitsplätze, schafft neue. Am allerwichtigsten fuer uns ist natürlich die Tatsache, dass REACH einen wesentlichen Beitrag zum Schutz unserer Gesundheit und der unserer Kinder beiträgt!

Obwohl alle Beteiligten darin übereinstimmen, dass es mit der heutigen Chemikalienpolitik nicht weiter gehen kann, ist dieser Gesetzesvorschlag unter enormen Druck von Chemie- Produzenten wie Bayer und ihrem Sprachrohr CEFIC, abgeschwächt worden. Und wie wir aus Brüssel wissen, sind sie weiterhin eifrig damit beschäftigt ein schwaches und damit sinnloses REACH zu bewerkstelligen. Dies ist auch zu ihrem Nachteil. Ihnen nützt ein kompliziertes Regelwerk mit Ausnahmen, Sonderregelungen, welches -ginge es nach ihren Vorstellungen- aussehen wird, wie das Deutsche Steuersystem, nichts. Denn es bringt weitere nur Ineffizienz, Kosten und somit Wettbewerbsnachteile mit sich. Würde man ihren Forderungen nachgeben hätte die ganze Reform keinen Sinn mehr.

Stellvertretend fuer Frauen in Deutschland und Europa fragen wir uns ehrlich und ernsthaft:

Wie können wir für uns und unsere Kinder sichere Produkte kaufen, wenn es keine oder nur wenig Informationen darüber gibt?

Und wie können wir unsere Gesundheit und die unserer Kinder schützen, wenn sich in vielen Produkten schädliche Chemikalien befinden?

Und antworten sie hierauf bitte nicht, dass sie ja nur die Produzenten von Rohstoffchemikalien sind und es nicht in ihrer Macht liegt, wie diese in Konsumartikeln weiter verarbeitet werden!!!!

Ist ihnen die Gesundheit ihren Familie, ihrer Frauen, Kinder, Enkelkinder, Neffen, Nichten, Arbeitnehmer und nachkommender Generationen wirklich egal? Oder warum sonst setzten sie sich in Bruessel ein fuer Veraenderungen am REACH Vorschlag, die ihnen und uns allen nur Nachteile bringen werden, da sie keinerlei Beitrag zum Gesundheitsschutz leisten werden?

Warum zweifeln sie an der ehrlichen Absicht der Kommission, mit diesem Gesetz die Wettbewerbsfaehigkeit des Europaeischen Chemikaliensektors zu erhoehen?

Denken, sie dass es ihrem Umsatz und ihren Aktien zu Hoehenfluegen verhilft, wenn Konsumentinnen und Downstream Users verunsichert sind und zur Konkurrenz gehen oder keine ihrer Produkte mehr einkaufen?

Sind sie sich dessen bewusst, dass Frauen die groesste Konsumentenmacht in der Welt sind?

Warum sind grosse Firmen wie sie, die eigentlich so ein tolles Vorbild fuer Made in Germany und EU und fuer wirtschaftlichen Fortschritt stehen, so absolut unwillig und unfaehig sind, von den Fehlern der Vergangenheit im Umgang mit Chemikalien und deren Risiken zu lernen?

Sind sie stolz ein Unternehmen zu vertreten, von dem die meisten Menschen nur Schlechtes denken und das sie sowieso schon lange abgeschrieben haben, als ein weiteres Bespiel von Unternehmen die ihre gesellschaftlichen Verantwortung mit Fuessen treten?

Aus unserer Erfahrung wissen wir, dass es oft sinnvoller und effizienter, die Hauptursachen von Umwelt- und Gesundheitsproblemen zu beseitigen. Dies spart vorallem Kosten- better safe than sorry- wie grosse Chemiekatastrophen gezeigt haben. Warum sträuben sie sich dann so vehement gegen fortschrittliche, eco effiziente, innovative Konzepte, wie die Substitution der gefaehrlichsten Chemikalien?