Außenminister Joschka Fischer
Auswärtiges Amt
11013 Berlin
20. Oktober 2003
Philippinen: Kriminalisierung von Umweltschützern und Journalisten
Sehr geehrter Joschka Fischer,
aus den Philippinen erreicht uns die Nachricht, dass Dr. Romy Quijano seitens philippinischer Regierungsvertreter juristischen Attacken ausgesetzt ist.
Dr. Quijano ist Arzt und lehrt Pharmakologie und Toxikologie an der Universität Manila. Seit rund 20 Jahren arbeitet er u.a. zu Gesund-
heitsrisiken von Pestiziden. Er ist Vorsitzender der philippinischen Sektion des Pesticide Action-Network (PAN) und gehört zu den Leitern des International POPs Elimination Network (IPEN), einem Zusammenschluss von 300 Umweltorganisationen aus aller Welt. Zudem ist er NGO-Repräsentant im Intergovernmental Forum on Chemical Safety, dem mehr als 100 Regierungen angehören.
Seit 1997 hat Dr. Quijano eine Reihe von Untersuchungen in dem Dorf Kamukhaan auf Mindanao vorgenommen. In unmittelbarer Nachbarschaft des Dorfs befindet sich eine große Bananenplantage in Besitz der Lapanday Agricultural Development Corporation (LADECO). Auf der Plantage werden in großem Umfang Pestizide eingesetzt, darunter Wirkstoffe, die von der Weltgesundheitsorganisation als „extrem gefährlich“ klassifiziert werden. Sowohl bei den Arbeitern als auch in der benachbarten Gemeinde trat eine hohe Zahl von Vergiftungsfällen auf. Auch die umliegenden Felder und Gewässer sind stark vergiftet.
Dr. Quijano hat mit lokalen Helfern medizinische Untersuchungen der Dorfbevölkerung vorgenommen und sowohl Trinkwasser- als auch Urinproben auf Pestizidbelastungen hin untersucht. Im März 2000 veröffentlichte Dr. Quijano die Ergebnisse gemeinsam mit seiner an den Recherchen beteiligten Tochter Ilang-Ilang Quijano unter dem Titel Poisoned Lives in der Philippine Post (den Artikel finden Sie im Anhang). Auch der philippinische Fernsehsender ABS-CBN sowie mehrere internationale Medien berichteten über den Fall.
Die Firma LADECO besitzt 40 Plantagen im ganzen Land und ist der größte philippinische Produzent und Exporteur von Südfrüchten (besonders Bananen). Anwälte des Unternehmens reichten im August 2000 Strafanzeige wegen Verleumdung gegen Dr. Quijano und seine Tochter sowie vier Journalisten ein (Leti Boniol (Inquirer desk editor), Danilo Mariano (ABS-CBNnews.com editor), Carlos Conde (New York Times Korrespondent) und Nick Legaspi (Malaya deskperson)). Die Klage wurde im Frühjahr 2001 vom Gericht in Davao City/Mindanao abgewiesen, da die Veröffentlichung der Recherchen von „öffentlichem Interesse“ sei. Das Gericht bezeichnete die Veröffentlichung als „written in good faith to call the attention of the public to the present state of health and risks of the residents of Kamukhaan, and for the government to take appropriate action“.
LADECO befindet sich in Besitz der Familie Lorenzo, einer der wohlhabendsten Familien des Landes. Eine politische Wendung erhält der Fall dadurch, dass Luis Lorenzo Jr., seit langem Beraterin von Präsidentin Gloria Arroyo, im vergangenen Oktober zum Landwirtschaftsminister aufgestiegen ist. In dieser Funktion leitet Lorenzo auch die philippinische Pestizid-Regulierungsbehörde Fertilizer and Pesticide Authority (weitere Informationen zur Familie Lorenzo im Anhang).
Am 4. Juli 2003 entschied das philippinische Justizministerium überraschend, die Abweisung der strafrechtlichen Klage durch das Gericht in Davao City aufzuheben und den Fall neu zu verhandeln. Zwar wurde Dr. Quijanos Anwalt mitgeteilt, dass kein Haftbefehl vorliege. Dennoch wurde Romy Quijano am 8. September verhaftet und erst nach Zahlung einer Kaution wieder freigelassen. Der Haftbefehl bezog sich auch auf die mitangeklagten Journalisten, wurde jedoch nur bei Dr. Quijano vollstreckt.
Wir möchten Sie zunächst auf diesen groben Fall von Unterdrückung wissenschaftlicher und journalistischer Arbeit hinweisen. Wir arbeiten seit vielen Jahren mit Dr. Quijano zusammen und kennen ihn als engagierten und unbestechlichen Streiter gegen Risiken von Chemikalien und Pestiziden. Alles deutet darauf hin, dass die ungewöhnliche Wendung des Prozesses auf Druck des Landwirtschaftsministers und Mit-Besitzers der LADECO, Luis Lorenzo zustande kam. (Dr. Quijano ist im übrigen nicht das erste Mal juristischen Attacken ausgesetzt. Nachdem er zu Beginn der 90-er Jahre Gesundheitsrisiken des Pestizids Endosulfan veröffentlicht hatte, klagte die deutsche Firma Hoechst gegen ihn und verlangte 22 Millionen Peso Schadenersatz. Die Klage wurde abgewiesen, Endosulfan wurde kurze Zeit später in den Philippinen verboten.)
Wir möchten Sie bitten, alle Institutionen, mit denen Sie auf den Philippinen kooperieren, auf den Fall aufmerksam zu machen. Darüber hinaus möchten wir Sie bitten, bei der philippinischen Regierung gegen die Kriminalisierung unabhängiger Umweltschützer zu protestieren und eine sofortige Einstellung des (offenbar politisch gewollten) Verfahrens zu fordern.
Für eine möglichst umgehende Antwort wären wir dankbar.
Mit freundlichen Grüßen,
Philipp Mimkes
Coordination gegen BAYER-Gefahren
Postfach 15 04 18
40081 Düsseldorf
gez. Niklas Reese
Philippinenbüro e.V. Bullmannaue 11
D-45327 Essen
gez. Friedhelm Meyer
Solidarische Kirche im Rheinland
Borchemstr. 5
40597 Düsseldorf
Hintergrundmaterialien LADECO/Familie Lorenzo
LADECO is owned by Lapanday Holdings, one of the country‚s largest producers and exporters of fresh fruit, taking an 11% share of the total market. In 1999, Lapanday accounted for 33% of the total banana export market in the Philippines. Although bananas are the company‘s main product, they also produce pineapples, mangos, seafood and processed fruits.
Lapanday owns 40 plantations in Mindanao, which represent 6,200 hectares of land and employ 7,300 people. Luis Lorenzo Sr. acquired the Guihing, Lapanday, and Callawa farms from the Ayala-Aboitiz group in 1982. The Lapanday farms produced and packed Cavendish bananas for Del Monte. In 1997, Lapanday‚s expanded from being a grower and packer for multinational brands to being a exporter and regional produce supplier. The first Philippine brands of fresh fruit were introduced to the global market – „Mabuhay,“ „Estrella,“ and „Aloha“ – all grown and packed in farms owned and managed by Global Fruits Corporation, a fully owned Lapanday subsidiary.
On October 2001, Luis Lorenzo Jr. was appointed by Pres. Gloria Macapagal-Arroyo as Presidential Adviser for the Creation of One Million Jobs.
On October 2002, Lorenzo was appointed as Cabinet Secretary of the Department of Agriculture (DA) by Arroyo. According to Lorenzo‘s biodata in the DA’s official website, he is the Chairman & CEO of Lapanday Holdings Corporation, and Chairman of Lapanday Foods Corporation.
Previous Positions/Affiliations
* Chairman, Philippine Banana Growers and Employers Association, Inc.