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[CUREVAC] Der CUREVAC-Deal

CBG Redaktion

BAYER steigt ins Impfstoff-Geschäft ein

Anfang Januar 2021 vereinbarte der BAYER-Konzern eine Kooperation mit dem deutschen Impfstoff-Entwickler CUREVAC. Damit ist er nun auch ein bedeutender Player auf dem Corona-Markt.

Von Jan Pehrke

„Ich bin sehr froh, dass ein Unternehmen aus Nordrhein-Westfalen, dass die BAYER AG mit diesen Lichtblick erzeugt hat, der mit diesem Impfstoff verbunden ist“, sagte der nordrhein-westfälische Ministerpräsident Armin Laschet Mitte Februar 2021 bei einem Besuch des Wuppertaler BAYER-Werks. Gerade auch, weil der Ruf der Branche nicht der beste ist, zeigte sich der christdemokratische Politiker erfreut über die Kooperation des Leverkusener Multis mit CUREVAC in Sachen „Covid-19-Impfstoff“: „Es hat sich in den letzten Jahren so eingebürgert, dass man immer auf die Pharma-Industrie schimpft.“ Laschet hingegen will sie hegen und pflegen. „Ich glaube, unser Ziel muss sein, dass Deutschland wieder der Spitzen-Standort für Pharma-Technologie wird“, meint der CDU-Vorsitzende. Schon aus Gründen der Versorgungssicherheit ist das für ihn von größter Wichtigkeit: „Wir sind froh für jedes Unternehmen, dass hier ist und dass nicht irgendwo in anderen Teilen der Welt so seine Produktion verlagert, dass wir im Ernstfall keinen Zugriff darauf haben.“

Am 7. Januar des Jahres hatte der Agro-Riese seine Zusammenarbeit mit CUREVAC bekanntgegeben. Bei der Durchführung der Klinischen Studien, dem Zulassungsprozedere, der späteren Überwachung der Sicherheit des Vakzins sowie bei der Organisation der Lieferkette für die benötigten Zusatzstoffe will er „sein Fachwissen und seine etablierte Infrastruktur“ einbringen, verlautete aus der Konzern-Zentrale. Zudem hat die Aktien-Gesellschaft sich die Option gesichert, das Vakzin in Ländern außerhalb Europas selbst zu vermarkten.
Rund einen Monat später erweiterten die beiden Firmen ihre Verbindung noch einmal. Sie erstreckt sich nun auch auf den Produktionsprozess. Es brauchte für diesen Schritt allerdings einen Anstoß von außen. „In Gesprächen mit der Bundesregierung ist deutlich geworden, dass die Verfügbarkeit von Impfstoffen weiter erhöht werden muss“, erläuterte Pharma-Vorstand Stefan Oelrich. Dementsprechend positiv reagierte Gesundheitsminister Jens Spahn (CDU) auf die Meldung: „Wir freuen uns, dass mit CUREVAC und BAYER zwei deutsche Unternehmen diese Partnerschaft eingegangen sind und weiter vertiefen.“

Natürlich trieb BAYER nur die reine Menschlichkeit zu der Kollaboration. „Aus finanziellen Gründen tun wir das nicht. Wir sehen die große Notwendigkeit“, sagte der Vorstandsvorsitzende Werner Baumann in einem Interview mit dem Nachrichtensender ntv. Der Moderator mochte an eine solche Selbstlosigkeit allerdings nicht so recht glauben. „Jetzt standen Sie ja lange mit dem Pflanzenschutzmittel Glyphosat in der öffentlichen Kritik. Sind Sie eigentlich froh, dass Sie jetzt einmal mit einem Thema in Verbindung gebracht werden, was positiver belegt ist?“, fragte er. Da musste der Ober-BAYER dann ganz schön weit ausholen, um nicht zu antworten. „Unsere Vision ist die Gesundheit der Menschen, aber auch die gesunde Ernährung der Menschen sicherzustellen. Das sind beides ganz, ganz tolle Aufträge, die im Zentrum dessen stehen, was für die Menschen wichtig ist. Und insofern möchte ich da auch nicht differenzieren. Beide Themen sind wichtig, in beiden Bereichen sind wir als verantwortungsvolles Unternehmen ich glaube sehr, sehr gut unterwegs, um die Dinge zu tun, die wir auch im Dienste der Gesellschaft tun können, inklusive der Nachhaltigkeit. Und dazu gehört auch der Pflanzenschutz, und dazu gehört auch Glyphosat“, lavierte Baumann herum.

Verlängerte Werkbank
Die FAZ zeigte sich gleich gewillt, zum Image-Wandel des Global Players beizutragen. „Die Welt hofft jetzt auf Wuppertal“, meinte das Frankfurter Blatt ausgemacht zu haben. Das Handelsblatt hingegen reagierte weniger euphorisch auf den Deal, den PFIZER in ähnlicher Form mit BIONTECH abgeschlossen hatte. „Die Pharma-Branche erlebt eine bedenkliche Verschiebung der Macht. In der Corona-Krise werden etliche Pharma-Konzerne zur verlängerten Werkbank der Impfstoff-Pioniere – eine Entwicklung, die ‚Big Pharma’ und ihren Investoren zu denken geben sollte“, mahnte die Wirtschaftszeitung.

Auch CUREVAC-Gründer Ingmar Hoerr sieht BAYER & Co. in der Defensive. „Ich bin davon überzeugt, dass Covid einen völligen Paradigmen-Wechsel mit sich bringt, weg von der Big-Pharma-Industrie, wie sie bisher war“, sagte er in einem FAZ-Interview. „Die großen Pharma-Konzerne müssen immer ihre Märkte und Krankheiten im Auge behalten und die Technologien, die sie anbieten können“, so der Biologe.
Er hatte vor 20 Jahren mit der Forschung an einem neuen Impfstoff begonnen, der nicht mehr die ganze DNA eines Virus enthält, um den menschlichen Organismus zur Bildung von Antikörpern anzuregen, sondern nur noch die mRNA. Daher bildet sie den Erreger auch nicht mehr komplett nach, was die Gesundheitsgefahren reduzieren soll. „Kein Konzern hat einen so langen Atem, um eine Vision zu verfolgen, hält Hoerr fest. Der Wissenschaftler hat ursprünglich selber eine Position bei den Großen der Branche angestrebt, entschied sich dann aber um, weil er dort zu wenig Entfaltungsmöglichkeiten für sich ausmachte. „Wenn ich meinem Abteilungsleiter aber gesagt hätte, ich habe hier etwas Spannendes auf RNA-Ebene entdeckt, hätte er wohl geantwortet: Ja, das ist schon spannend, aber wir kümmern uns erst mal um die Programme, die wir besprochen haben“, denkt der Forscher.

Werner Baumann antwortete auf die Frage, warum BAYER nicht selbst in die Impfstoff-Entwicklung eingestiegen ist: „Wir sind traditionell kein Impfstoff-Hersteller, und es gibt für die traditionelle Impfstoff-Herstellung einige sehr große, auch mit großer Expertise ausgestattete Wettbewerber. Und dann für uns in dieser Situation aus der Position eines in diesem Bereich bisher nicht tätigen Unternehmens diese Expertise aufzubauen, hätte überhaupt keinen Sinn gemacht.“ Tatsächlich verfügte der Leverkusener Multi einmal über diese Expertise. Im Jahr 2004 aber wickelte er das Geschäftsfeld „Infektionskrankheiten“ gemeinsam mit den Sektionen „Asthma“ und „Urologie“ ab. Der Konzern vollzog zu dieser Zeit einen Strategie-Wechsel. Er wollte sich fortan auf viel Gewinn versprechende „High priority“-Projekte wie etwa Krebs-Therapeutika konzentrieren und nicht länger ein umfassendes Arznei-Angebot bereitstellen.

Andere große Arznei-Unternehmen stellten die Arbeit an Impfstoffen ebenfalls ein. Mittel gegen Infektionskrankheiten zu entwickeln, die vielleicht alle zehn, fünfzehn Jahre mal ausbrechen, vielleicht aber auch nicht, bietet Big Pharma kaum Aussicht auf verlässliche Renditen. Darum gibt es heute nur noch vier große Anbieter auf dem Markt. Und von den bisher zugelassenen Vakzinen gegen Corona entstammt keines ihren Laboren. Hochschul-WissenschaftlerInnen oder kleine Start-Ups haben sie entwickelt, Die Pillen-Riesen kamen stets erst später dazu, wenn sich die Risiken als überschaubar erwiesen und sie kaum eigenes Geld zu investieren brauchten.

Das kam hauptsächlich von der öffentlichen Hand oder aus privaten Quellen. Bei CUREVAC ist der SAP-Gründer Dietmar Hopp der Hauptförderer. Er hält auch die Mehrheit der Aktien. Von der Bundesregierung erhielt die Tübinger Firma 251 Millionen Euro an Subventionen und BIONTECH sogar 375 Millionen. So ganz uneigennützig geschah das natürlich nicht. „Von den Firmen wurde im Gegenzug erwartet, dass sie einen angemessenen Anteil der Produktion eines zugelassenen COVID-19-Impfstoffes für die bedarfsgerechte Versorgung in Deutschland zugänglich machen“, konstatieren CDU und SPD in ihrer Antwort auf eine Kleine Anfrage von Bündnis 90/Die Grünen. Und CUREVAC konnte noch mehr Gelder akquirieren. Die von Deutschland mitgetragene internationale Impfstoff-Allianz CEPI, zu der außerdem noch Einrichtungen wie die Weltgesundheitsorganisation und die „Bill & Melinda Gates Foundation“ (BMGF) gehören, gab 34 Millionen Dollar und die BMGF allein noch einmal 46 Millionen Euro. Überdies unterstützt die Europäische Investitionsbank den Aufbau der Vakzin-Produktion mit einem Darlehen von 75 Millionen Euro.

Aber Merkel & Co. gingen noch weiter. Als Gerüchte um einen Börsengang der Firma in den USA sowie um das Bemühen Donald Trumps, CUREVAC in die USA zu locken, die Runde machten, stieg der Bund direkt bei der Tübinger Firma ein. Für 300 Millionen Euro erwarb er Mitte Juni 2020 23 Prozent der Anteile an dem Unternehmen; nach einer Kapital-Erhöhung schrumpfte die Beteiligung dann auf rund 17 Prozent. Es gelte, „elementare Schlüsselindustrien am Standort zu erhalten und zu stärken“ sowie die industrielle Souveränität Deutschlands zu wahren, erklärte Wirtschaftsminister Peter Altmaier (CDU) damals zum Sinn der Übung.

Das Objekt der Begierde
Was da konkret die Begehrlichkeiten weckt, steckt noch in der Phase der klinischen Erprobung. Trotzdem hat die Europäische Union schon einen Liefer-Kontrakt mit CUREVAC abgeschlossen und dabei alle Risiken auf sich genommen. „Die Vertragsparteien erkennen an, dass die beschleunigten Entwicklungszeiten für die Durchführung der mit der EMA (Europäische Arzneimittel-Behörde, Anm. SWB) vereinbarten klinischen Prüfung und des Folge-Programms bedeuten, dass der Auftragnehmer zum Zeitpunkt des Inkrafttretens dieses APA (Advance Purchase Agreement = Kauf-Vereinbarung, Anm. SWB) unter keinen Umständen garantieren kann oder die Haftung dafür übernimmt, dass das Produkt letztendlich verfügbar sein oder die gewünschten Ergebnisse erzielen wird, d. h. eine ausreichende Wirksamkeit zur Verhinderung einer COVID-19-Infektion aufweist oder ohne akzeptable Nebenwirkungen ist“, heißt es in dem Dokument.

Die EU stellt CUREVAC also einen Blanko-Scheck aus. 225 Millionen Dosen des Impfstoffes CVnCoV zu einem Einzelpreis von zehn Euro hat sie vorab erworben. Darüber hinaus sicherte sich Brüssel eine Option auf 180 Millionen weitere Impf-Dosen von CUREVAC.

Deutschland erhält aus diesem Kontingent 54,1 Millionen Dosen. Zudem hat die Bundesregierung mit CUREVAC einen Vertrag über eine Option auf 20 Millionen weitere CVnCoV-Dosen abgeschlossen. „Das Mandat für die Impfstoff-Beschaffung auf EU-Ebene sieht vor, dass die teilnehmenden EU-Mitgliedsstaaten keine eigenen Abschlüsse einer Abnahme-Garantie für den Impfstoff mit demselben Hersteller einleiten. Art. 7 ESI-Agreement verbietet indes nicht den Abschluss von Absichtserklärungen“, erklärt die Große Koalition zu ihren kleinen Sonderwegen bei der Vorratsbeschaffung.

Die Nebenwirkungen
Die Resultate aus der Zulassungsstudie kündigt CUREVAC für die Mitte des 2. Quartals 2021 an. Im Moment befindet sich der Impfstoff noch in der letzten Phase der Erprobung. Wie die anderen Vakzine auch, durchläuft CVnCoV ein beschleunigtes Verfahren, bei dem zweiter und dritter Teil der Arznei-Prüfung zusammengelegt sind. Das birgt viele Gefahren, besonders weil es sich bei CVnCoV & Co. um Gentech-Produkte handelt, also um solche, die tief und unrückholbar in organische Prozesse eingreifen und überdies in diesem Bereich noch nie zur Anwendung kamen. Dementsprechend liegen noch keinerlei Erfahrungen zu ihren – möglicherweise auch langfristigeren – Risiken und Nebenwirkungen vor. Und die bisherigen klinischen Prüfungen können da nicht eben als vertrauensbildende Maßnahmen gelten. So musste etwa JOHNSON & JOHNSON im Oktober 2020 seine Studie mit Ad26.COV2.S nach einer „unerklärten Erkrankung“ eines Probanden für vier Wochen unterbrechen.

Besonders die Tests von ASTRAZENECA werfen viele Fragen auf. Eine größere Studie mit nur einer Dosis erbrachte keinen ausreichenden Wirksamkeitsnachweis. Daraufhin führte der Konzern mehrere kleine Untersuchungen mit zwei Dosen durch, variierte aber den Abstand zwischen den Verabreichungen von sechs bis hin zu 23 Wochen. Zudem hat die Firma aus mehreren Untersuchungen ein „Best of“ kompiliert. Ein „heilloses Durcheinander“ nannte das der Pharmazeut Thomas Dingermann. Zwei dieser Erprobungsreihen akzeptierte die EMA dann auch nicht, und im März diesen Jahres meldete die zuständige US-amerikanische Behörde NIAID ebenfalls ernsthafte Zweifel ob der Belastbarkeit der Daten an. In der Praxis hatte das ernsthafte Konsequenzen: Es traten mit Thrombosen lebensgefährliche Nebenwirkungen auf, die in den Studien-Protokollen nicht vermerkt waren und zu einer zeitweiligen Aussetzung der Impfungen führte.

Zum CUREVAC-Präparat liegen bisher nur zur ersten Phase der Klinischen Erprobung Resultate vor. Da testete das Unternehmen die Verträglichkeit der Arznei an 250 ProbantInnen. An Nebenwirkungen registrierten die WissenschaftlerInnen 19 Fälle von Schwindel, 15 Fälle von Herzrasen, Nacken- oder Unterleibsschmerzen, 13 Fälle von Herzklopfen, Halsentzündung, Geschmacksstörungen oder Müdigkeit, sechs Fälle von Parästhesien, also Symptome wie Haut-Kribbeln, Jucken oder Schwellungsgefühle, sowie drei Fälle von Brustschmerzen und Durchblutungsstörungen. Reaktionen, die der Definition nach als schwere Nebenwirkungen einzustufen sind, verzeichneten die ForscherInnen nicht.
Aussagekräftigere Angaben zu den Risiken der mRNA-Impfstoffe erlauben die Daten, die das „Paul Ehrlich Institut“ (PEI) über die beiden bisher zugelassenen Substanzen Comirnaty von BIONTECH/PFIZER und COVID-19-Vaccine Moderna von MODERNA zusammengetragen hat. Im Zusammenhang mit den 5.378.703 Millionen Comirnaty-Impfungen gingen in dem Zeitraum vom 27. Dezember 2020 bis zum 26. Februar diesen Jahres 8.368 Meldungen über Nebenwirkungen ein. Bei den 168.189 MODERNA-Impfungen traten 484 Mal Komplikationen auf. Mit 1,6 bzw. 2,9 Fällen pro 1.000 Impfungen lagen die beiden mRNA-Vakzine damit unter dem Wert des Stoffes von ASTRAZENECA, der auf eine Zahl von 7,6 kommt.

Nebenwirkungen mit Todesfolge zählte das Institut bei Comirnaty 269, wobei es relativiert: „Der zeitliche Zusammenhang zwischen Impfung und dem tödlichen Ereignis variierte zwischen einer Stunde und 34 Tagen nach der Impfung.“ In Verbindung mit dem MODERNA-Vakzin registrierte die Behörde lediglich einen Todesfall. Allergische Schock-Reaktionen, sogenannte Anaphylaxien, wie sie generell bei Impfstoffen gefürchtet sind, verzeichnete das PEI bei den mRNA-Präparaten bisher nicht. Es verwies aber auf Zahlen aus den USA, die bei Comirnaty 4,7 Anaphylaxien pro eine Million Impfdosen ausweisen und bei MODERNA 2,5. Insgesamt führt die Einrichtung bei Comirnaty 1.705 schwerwiegende Nebenwirkungen auf und bei der MODERNA-Substanz 107. Zu den häufigsten unerwünschten Reaktionen zählen bei den beiden Arzneien Kopfschmerzen, Fieber, Gliederschmerzen, grippe-ähnliche Symptome und Schmerzen an der Einstich-Stelle.
Überdies berichtet der Gen-ethische Informationsdienst von Erfahrungen mit mRNA-Vakzinen, die gegen HI- und Zika-Viren zum Einsatz kamen und Ödeme sowie multiple Entzündungsprozesse auslösten. Auch schlugen einige der durch den Impfstoff erzeugten Antikörper aus der Reihe und riefen schwere Lungenentzündungen hervor, indem sie Gedächtniszellen aktivierten, die ihren Ursprung früheren Infektionen verdanken. Zur Entstehung solcher Gedächtniszellen können die mRNA-Substanzen auch selber beitragen.

Ein großes Problem stellt ferner die Anforderung dar, die Stabilität der Stoffe zu gewährleisten. Schon die bei manchen Produkten nötige extreme Kühlung ist ein Indiz für den Aufwand, der dazu getrieben werden muss. Unterlagen der Europäischen Arzneimittelbehörde EMA, die nach einem Hackerangriff an die Öffentlichkeit gelangten, wirken da nicht eben vertrauenserweckend. So war bei den zum Verkauf bestimmten Chargen des Impfstoffes von BIONTECH nur 55 Prozent der mRNA intakt; die bei den Zulassungsstudien verwendeten Substanzen kamen immerhin auf einen Anteil von etwa 78 Prozent. Das berichtete die Medizin-Journalistin Serena Tinari im British Medical Journal nach Sichtung des Materials. „Große Sorgen“ machte dieser Befund den EMA-BegutachterInnen den Dokumenten zufolge. Die Bedenken verschwanden dann aber relativ schnell wieder, als PFIZER zusicherte, das Qualitätsmanagement zu verbessern. Die neuen Vakzine bestanden dann wieder zu 70 bis 75 Prozent aus unversehrter mRNA, was der Amsterdamer Behörde schließlich für die Zulassung reichte. CUREVAC kennt diese Schwierigkeiten angeblich nicht. Stabilitätstests bezüglich der Temperatur, aber auch der Rüttelfestigkeit hätten sehr gute Ergebnisse gezeigt, bekundete das Unternehmen der FAZ zufolge.

Europe first
Wie die Komplikationen bei der Fertigung von Comirnaty zeigten, funktionierte PFIZER nicht einmal als verlängerte Werkbank reibungslos. Bei anderen Herstellern traten ähnliche Mängel auf. Und damit begann das Gerangel um das kostbare Gut. Die Sonntagsreden mit ihren Beteuerungen, die ärmeren Länder bei der Versorgung mit den Arzneien nicht zu vergessen, gerieten darüber schnell in Vergessenheit. Hatte EU-Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen im Mai 2020 noch beteuert, Brüssel arbeite daran, dass Vakzine „in jede Ecke der Welt zu einem fairen und erschwinglichen Preis verteilt werden“, so erklärte sie im März 2021: „Jetzt gibt es erstmal einen ziemlichen Druck in den Mitgliedsstaaten, selbst Impfstoff zu bekommen.“ „Impfstoff-Nationalismus“ hieß das Gebot der Stunde, und Export-Verbote standen zur Debatte.

Während sich einige Staaten wie z. B. Kanada bereits das Fünffache des Bedarfs gesichert haben, gingen zahlreiche Nationen leer aus. „Gerade einmal zehn Länder haben 75 Prozent aller COVID-19-Impfstoffe verabreicht. Gleichzeitig haben mehr als 130 Länder noch keine einzige Dosis erhalten“, kritisierte der UN-Generalsekretär António Guterres am 17. Februar in seiner Rede vor dem Sicherheitsrat der Vereinten Nationen dann auch. Ende März waren es noch 36 Staaten.

Es ist an China, die Armutsregionen mit Vakzinen zu versorgen. Das Reich der Mitte will seine Vakzine rund 150 Staaten zum Selbstkostenpreis liefern. Im Westen indes gibt es zur Zeit kaum frei verfügbare Substanzen. Für den größten Teil dessen, was in diesem Jahr noch die Fabriken von PFIZER & Co. verlässt, existieren bereits Kauf-Verträge. Dementsprechend hat die Impfstoff-Initiative COVAX, von der Weltgesundheitsorganisation, CEPI und der EU ins Leben gerufen, um für eine global gerechte Distribution des Impfstoffes zu sorgen, das Nachsehen. Gerade einmal 200 Millionen Dosen hat sie bislang für die mehr als 90 ärmeren Länder mit einer Gesamtbevölkerungszahl von rund vier Milliarden Menschen erwerben können. Und Schwellenländer fallen ganz durchs COVAX-Raster, obwohl sie wie Kolumbien an ihre Grenzen stoßen, wenn MODERNA etwa 30 Dollar pro Dosis verlangt. Nur ASTRAZENECA vermarktet sein Produkt in Pandemie-Zeiten zum Selbstkosten-Preis und tut über seine Kooperation mit dem Konzern SERUM INSTITUTE OF INDIA auch einiges für die gerechte Verteilung.

CUREVAC hingegen zeigt sich in dieser Beziehung deutlich zurückhaltender. Der Kontrakt, den die Firma mit der Europäischen Union geschlossen hat, erlaubt dieser zwar die Weitergabe von CVnCoV an bedürftige Staaten, aber Brüssel braucht dafür das Ja-Wort aus Tübingen. Auch wenn die EU-Kommission darum vorerst nicht anhalten wird – Ursula von der Leyen hat Spenden erst einmal ausgeschlossen – ist eine solche Zustimmungsklausel nach Einschätzung des FDP-Politikers Andrew Ullmann nicht ohne. Dadurch könne es zu gefährlichen Verzögerungen kommen, warnt er laut Tagesspiegel. Und bei dieser Kritik blieb es nicht. Im Dezember 2020 landete CUREVAC beim Impffairness-Test der Initiative ONE mit einem von fünfzehn möglichen Punkten auf dem letzten Platz. Die Nicht-Beteiligung an COVAX sowie die Weigerung, CVnCoV zu erschwinglichen Preisen anzubieten und sich auf politischer Ebene für Verteilungsgerechtigkeit einzusetzen, führten zu der schlechten Bewertung. Inzwischen hat die Aktien-Gesellschaft jedoch noch einmal punkten können. Zudem gibt es erste Gespräche mit COVAX.

Patente töten
Die Liefer-Probleme treten auf, weil die Herstellungskapazitäten nicht ausreichen. Auch CUREVAC hatte darunter zu leiden. „Es gab einen Riesenansturm auf die Ausrüstung“, klagte der Unternehmensleiter Hans-Werner Haas bei einer Anhörung im Europa-Parlament. Da es unter dem gegenwärtigen Produktions- und Preisregime offensichtlich nicht möglich ist, allen Menschen auf der Welt Zugang zu den Impfstoffen zu verschaffen, fordern die ärmeren Länder ein zeitweises Aussetzen der Patente, um so die Fertigung anzukurbeln. Einen entsprechenden Antrag haben Indien und Südafrika bei der Welthandelsorganisation eingereicht. Der südafrikanische WTO-Bevollmächtigte Mustaqueem De Gama sieht in der temporären Aufhebung der Schutzrechte ein probates Mittel gegen den „Impf-Nationalismus“ der reicheren Staaten. „50 Prozent der bis zum 22. Februar injizierten 200 Millionen Impfdosen verabreichten die USA, Großbritannien und die EU“, so De Gama.

Die Initiative fand breite Unterstützung. Mehr als 100 Staaten stellten sich hinter Südafrika und Indien. Auch der Generaldirektor der Weltgesundheitsorganisation, Tedros Adhanom Ghebreyesus, und Winnie Byanyima vom AIDS-Programm der UN begrüßten den Vorstoß. „Wir sollten nicht wiederholen, was bei der AIDS-Krise in der Welt geschehen ist. Wir haben zehn Jahre verloren und Millionen HIV-Positive sind gestorben, weil wir auf Zugeständnisse der Pharma-Industrie gewartet haben“, erklärte sie. Susan Bergner, bei der „Stiftung Wissenschaft und Politik“ für globale Gesundheitsfragen zuständig, spricht sich ebenfalls dafür aus: „Die Länder des globalen Südens müssen dringend Produktionskapazitäten für Impfstoffe aufbauen können. Da würde eine zeitweise Aussetzung der Patentrechte der Pharma-Konzerne helfen.“

Die Coordination gegen BAYER-Gefahren (CBG) teilt diese Auffassungen und ging am 23. Januar 2021 für die Freigabe der Patente auf die Straße. Überdies zählt sie mit zu den UnterzeichnerInnen des Aufrufs „Patente töten“, den die BUKO PHARMA-KAMPAGNE gemeinsam mit anderen Organisationen gestartet hat. „Das Patent-System hat die Wissensproduktion im medizinischen Bereich auf Gewinn-Maximierung und Kapitalerträge ausgerichtet und nicht auf die Erforschung und Entwicklung lebensrettender Medikamente und deren gerechte Verteilung“, heißt es darin. Dementsprechend entwickelt die Pharma-Industrie dem Appell zufolge hauptsächlich Arzneien, die viel Profit auf den rentablen Märkten der Wohlstandsländer abwerfen. „Den globalen Gesundheitsbedürfnissen wird sie dabei nicht gerecht. Und das Patent-System sorgt dafür, dass auch jene Medikamente hochpreisig gehalten werden, deren Entwicklung auf öffentlich finanzierter Forschung basiert“, kritisieren die Gruppen.

Bundeskanzlerin Angela Merkel erhielt in der Sache einen Offenen Brief, der die CDU-Politikerin dazu anhielt, sich für die Aufhebung des Schutzes des geistigen Eigentums an den Corona-Impfstoffen ein-zusetzen: „Angesichts einer globalen Gesundheitslage, in der Forschung und Entwicklung durch große Mengen öffentlicher Gelder finanziert wurden, ist es einfach unverschämt, dass diese wenigen Pharma-Unternehmen von ihren Patent-Monopolen profitieren, während die Welt leidet.“

CUREVAC bekam ebenfalls Post. Die BUKO PHARMA-KAMPAGNE, ONE, OXFAM und andere wandten sich an den Firmen-Leiter Franz-Werner Haas. „Wir sind der Überzeugung, dass diese massive öffentliche Unterstützung auch mit der Verpflichtung einhergeht, Menschen weltweit Zugang zu Covid-19-Impfstoff zu gewähren. Wir bitten Sie daher darzulegen, welche konkreten Maßnahmen Sie hinsichtlich der wichtigen Aspekte Transparenz, Bezahlbarkeit, Lizenzierung, Technologie-Transfer und garantiertem gerechten Zugang ergreifen werden, um dieser Verpflichtung gerecht zu werden“, forderten die Absender ihn in dem Brief auf.

Tatsächlich sprach Haas sich in einem Interview mit der Stuttgarter Zeitung für eine befristete Aufhebung der Patente aus. Praktische Konsequenzen hatte das allerdings bisher nicht. Und den Leverkusener Multi dürfte der Pharma-Manager dafür kaum gewinnen können. Der Konzern lehnt eine solche Sonder-Regelung rigoros ab. „Eine Art Not-Impfstoffwirtschaft bringt überhaupt nichts“, so BAYER-Chef Werner Baumann. Dabei stößt er auf eine breite Unterstützung der Branche. „Es muss dabei bleiben, dass die Unternehmen Eigentümer ihrer Entwicklungen bleiben“, dekretiert Han Steutel, Präsident des von BAYER gegründeten „Verbandes der Forschenden Arzneimittel-Hersteller“ VFA. Auch dessen europäische und internationale Pendants, der EPFIA und der IFPMA, verwehren sich gegen eine solche Maßnahme. Und als die Universität Oxford im April letzten Jahres erklärte, den von ihr entwickelten Corona-Impfstoff jedem Unternehmen zur Verfügung stellen wollen, das ihn produzieren kann, intervenierte die „Bill & Melinda Gates Foundation“ erfolgreich. Schlussendlich schloss die Hochschule mit ASTRAZENECA einen Exklusiv-Vertrag ab.

Die Politik steht dabei hinter den Pillen-Riesen. „Bislang gibt es keine Anzeichen dafür, dass Fragen des geistigen Eigentums ein echtes Hindernis auf den Zugang zu Covid-bezogenen Technologien darstellen“, erklärte die EU-Kommission. Und die Große Koalition hielt in ihrer Antwort auf eine Kleine Anfrage der Partei „Die Linke“ fest: „Die Bundesregierung vertritt die Auffassung, dass der Zugang zu einem zukünftigen Impfstoff gegen COVID-19 ein öffentliches Gut ist, die Zugangsproblematik allerdings nicht auf die Frage der Schutzrechte vereinfacht werden darf, sondern nur ein ganzheitlicher Ansatz erfolgversprechend ist.“ Darum trägt sie den WTO-Antrag Südafrikas und Indiens auch nicht mit und weiß sich darin mit den Staatsoberhäuptern der meisten Industrie-Staaten einig, weshalb die Chancen für eine Aussetzung der Schutzrechte nicht groß sind.

Also mal wieder blendende Zeiten für die Pillen-Konzerne. Sie können ihre Patente behalten und trotzdem Subventionen ohne Ende einstreichen, erhalten obendrein noch Abnahme-Garantien für Medikamente, die ihren Nutzen noch gar nicht erwiesen haben – so viel Planwirtschaft darf sein – und müssen für ihre Arzneien noch nicht einmal haften, wenn mit ihnen etwas schief geht. Und was bieten sie für ihre risiko-lose Profit-Vermehrung? Nichts. „Im Gegenzug sollte die Welt einfach darauf vertrauen, dass sie sich anständig verhalten“, wie die Organisation CORPORATE EUROPE WATCH bemerkt.