Kolumbianische Regierung will Koka-Felder mit Glyphosat zerstören
Desaströser Plan
Die kolumbianische Regierung des rechtskonservativen Präsidenten Iván Duque plant, Koka-Pflanzungen durch großflächige Sprüheinsätze mit Glyphosat zu vernichten. Sie knüpft damit wieder an die Strategie des „Plan Colombia“ an, von der sich Duques Amtsvorgänger Juan Manuel Santos im Jahr 2015 abgewendet hatte. Nach der Entscheidung der Weltgesundheitsorganisation, das Herbizid als „wahrscheinlich krebserregend“ einzustufen, stoppte Santos die Flüge; auf Druck der USA ließ er später lediglich das Verspritzen von Glyphosat per Drohne zu. „Duque setzt beim schwächsten Glied der Drogen-Wertschöpfungskette – den Koka-Bauern und -bäuerinnen – an und nimmt dabei eine mögliche Schädigung von deren Gesundheit rücksichtslos in Kauf. Überdies gefährdet dieser „War on Drugs“ mit Glyphosat als Chemie-Waffe auch Tiere und Pflanzen und produziert darüber hinaus gesellschaftliche Verwerfungen“, kritisiert Marius Stelzmann von der Coordination gegen BAYER-Gefahren (CBG).
Das Besprühen von Koka-Feldern aus der Luft mit Glyphosat begann im Jahr 2000. Zu einer nachhaltigen Reduzierung der Anbau-Flächen hat es nicht geführt, dafür aber zu großen Belastungen für Mensch, Tier und Umwelt. So nehmen nach einer Untersuchung der „Universidad de los Andes“ in den betroffenen Regionen die gesundheitlichen Probleme zu. „Die Ergebnisse zeigen, dass die Exposition gegenüber dem Herbizid, das bei Sprühkampagnen aus der Luft verwendet wird, die Anzahl der Arztbesuche im Zusammenhang mit dermatologischen und atemwegsbedingten Erkrankungen sowie die Anzahl der Fehlgeburten erhöht“, resümieren die WissenschaftlerInnen.
Darüber hinaus starben Rinder, Hühner und Fische durch das Mittel. Zudem zerstört es als Breitband-Herbizid neben Koka-Pflanzen auch andere Kulturen. Nicht nur Koka-Bauern und -Bäuerinnen verloren so ihre Existenz-Grundlage und waren gezwungen, in andere Gegenden zu ziehen. Oftmals siedeln sie sich in Urwald-Arealen an und schaffen sich durch Abholzungen neuen Ackergrund, was die Biodiversität bedroht.
Damit nicht genug, hintertreibt der Beschluss das Friedensabkommen weiter, das die Regierung Santos 2016 mit den FARC-RebellInnen geschlossen hatte. Dieser Vertrag wollte mit dem Bürgerkrieg auch der immensen Kokain-Produktion, die als dessen Finanzierungsmodell diente, ein Ende setzen. Dazu sah die Übereinkunft unter anderem vor, die LandwirtInnen durch staatliche Hilfsmaßnahmen aus der Drogen-Ökonomie zu lösen. Die Progamme laufen allerdings nur zögerlich an, und die angekündigte Wiederaufnahme der Glyphosat-Sprühungen droht die Bauern und Bäuerinnen nun noch mehr in die Hände derer zu treiben, die das von der FARC hinterlassene Vakuum im Geschäft mit der Droge mittlerweile füllen wie etwa mexikanische Kartelle.
Aus all diesen Gründen erhebt sich in Kolumbien ein breiter Protest gegen die Glyphosat-Sprühungen, der sich nicht zuletzt bei den in dem Land zurzeit stattfindenden Demonstrationen und Streiks Ausdruck verschafft. So zählt der Verzicht auf das Vorhaben dann auch zu den Forderungen des Streik-Komitees. Ende April fand überdies eine Sitzblockade vor dem Verfassungsgericht in Bogotá statt, bei der LandwirtInnen den JuristInnen eine von 20.000 Menschen unterzeichnete Petition gegen den Pestizid-Einsatz überreichten. Daneben versuchen GegnerInnen des Projektes, die Unterstützung der US-amerikanischen Regierung zu gewinnen. 150 ExpertInnen verfassten in der Sache einen Offenen Brief an Joe Biden, und kolumbianische PolitikerInnen wandten sich an den US-Kongress. „Um die Koka-Plantagen in Kolumbien zu zerstören, braucht es mehr soziale Investitionen und keine chemische Kriegsführung“, konstatierten sie in ihrem Schreiben.
„Der BAYER-Konzern muss sich gerade vor Gericht für die chemische Kriegsführung seiner nunmehrigen Tochter-Gesellschaft MONSANTO in Vietnam verantworten. Er sollte jetzt in Kolumbien keine neue Front eröffnen und deshalb kein Glyphosat an die Regierung Duque liefern“, so Stelzmann.
Die Bundesregierung muss Duque nach Ansicht der CBG im Rahmen der Entwicklungszusammenarbeit dazu auffordern, auf das Ausbringen von Glyphosat zu verzichten. Es widerspricht nämlich dem Ansatz der Kooperation mit dem Land, wie ihn Berlin unter der Überschrift „Das Friedensabkommen mit Leben erfüllen“ formuliert hat. Zudem verletzt es die Grundsätze der mit Kolumbien geschlossenen „Allianz für Frieden und nachhaltige Entwicklung“, in dessen Rahmen der lateinamerikanische Staat Gelder in Höhe von 535 Millionen Euro erhält. Und auch die EU sollte die finanzielle Unterstützung, die sie zur Umsetzung des Friedensabkommens leistet, überprüfen, denn laut Vertragstext ist die freiwillige Substition der Koka-Pflanzen durch andere Gewächse „ein wesentlicher Faktor zur Erreichung der Ziele“.
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