Zwei Umweltaktivisten aus Südamerika zu Gast bei der CBG
Im letzten Herbst kamen die Argentinier Damian Verzeñassi und Juan Ignaci Pereira auf Einladung der Initiative AKTION GEN-KLAGE nach Europa, um über die verheerenden Folgen des Ackergift-Gebrauchs in ihrem Land zu berichten. Am 7. Oktober machten sie in Köln Station: Die COORDINATION GEGEN BAYER-GEFAHREN konnte die beiden für einen Vortrag in der Alten Feuerwache gewinnen.
Von Jan Pehrke
„Die Europäer sollten etwas über die Herstellung von Agrar-Gütern in Argentinien und anderen Ländern Südamerikas wissen. Es ist eine Produktionsweise, die unsere Landbevölkerung krank macht und umbringt. Und das Gift, das hier verwendet wird, bleibt nicht einfach nur hier. Es gelangt bis nach Europa in verarbeiteten Lebensmitteln und landet auf europäischen Tellern in dem Fleisch, das man dort isst“, diesen Grund gab Damián Verzeñassi für die Rundreise an, die ihn und Juan Ignaco Pereyra Queles durch Deutschland, Österreich, Belgien und die Schweiz führte. Pereyra Queles formulierte darüber hinaus noch ein weiteres Anliegen. „Mit BAYER als nunmehrigem Hauptproduzenten von Glyphosat liegt der Schlüssel zur Lösung des Problems in Deutschland. Der Konzern darf seine Augen nicht vor dem verschließen, was in Argentinien geschieht: Wir stehen vor einem Ökozid.“
Bei der Veranstaltung in der Kölner Alten Feuerwache, zu der die COORDINATION GEGEN BAYER-GEFAHREN (CBG) die beiden eingeladen hatte, konkretisierten sie das. „1,8 Mal mehr“ Krebsfälle gibt es in den Gemeinden nahe der großen Soja- und Mais-Monokulturen als in den Regionen ohne intensive Landwirtschaft, so der Gerichtsmediziner Verzeñassi über die Ergebnisse seiner Feld-Forschungen.
Aber das ist noch nicht alles. Pereyra Queles, der sich als Rechtsanwalt auf Umweltrecht spezialisiert und unter anderem schon Glyphosat-Geschädigte verteidigt hat, legte die Auswirkungen des massiven Ackergift-Einsatzes auf die Artenvielfalt dar. „Ich gehöre vermutlich zu der letzten Generation von Menschen, die auf einer Wiese noch verschiedene Schmetterlingsarten umherschwirren sehen konnte“, konstatierte der Jurist.
Auf „die kleinen Unterschiede“ kamen Damián Verzeñassi und Pereyra Queles ebenfalls zu sprechen: Rund 40 Prozent der Pestizide, welche auf den Äckern der Nation niedergehen, sind in der EU nicht oder nicht mehr zugelassen. Vehement kritisierten die beiden die doppelten Standards, derer sich BAYER und die anderen Konzerne bei der Vermarktung ihrer Produkte befleißigen.
Anders als in Europa stellen sich auch die politischen Verhältnisse dar. Die Landwirtschaft ist der bedeutendste Wirtschaftsfaktor in Argentinien und entsprechend großen Einfluss besitzt die Agro-Branche. „Corpocracia“ nennt Verzeñassi die Staatsform seines Landes deshalb, und deren Macht hat er bereits zu spüren bekommen. Nach seiner Rückkehr vom MONSANTO-Tribunal, wo er 2016 als Zeuge auftrat und seine Untersuchungen über die Risiken und Nebenwirkungen von Glyphosat & Co. vorstellte, fand er plötzlich die Türen zu seinem Büro verrammelt und mit Ketten abgesichert – die Corpocracia hatte auf dem kurzen Dienstweg beim Hochschul-Präsidenten interveniert. Nur der Fürsprache aus dem Ausland – unter anderem von dem grünen Bundestagsabgeordneten Harald Ebner – war es zu verdanken, dass Damián Verzeñassi seine Arbeit ohne Einschränkungen fortsetzen konnte.
Trotz solcher Repressalien formiert sich in Argentinien immer mehr Widerstand gegen den agro-industriellen Komplex. Ein Netzwerk der Gemeinden gegen Pestizid-Vergiftungen, einen Zusammenschluss der agro-ökologischen Produzenten und Initiativen wie „Hört auf, uns zu besprühen“ nannten Verzeñassi und Pereyra Queles als Beispiele. So endete der Abend in Köln dann mit einem hoffnungsvollen Ausblick.
Am nächsten Morgen mussten die beiden schon früh weiter, denn in Brüssel stand ein Treffen mit dem grünen EU-Parlamentarier Martin Häusling und anderen Abgeordneten an. Viele solcher Termine sollten noch kommen, und viele hatten sie schon wahrgenommen. Ein umfangreiches Programm absolvierten Damián Verzeñassi und Juan Ignaco Pereyra Queles auf ihrem Europa-Trip. So führten sie in Berlin Gespräche mit VertreterInnen aus dem Außen- und dem Landwirtschaftsministerium. Auch österreichischen PolitikerInnen wie Karin Kadenbach von der „Sozialdemokratischen Partei Österreichs“ und Thomas Waitz von den Grünen des Landes begegneten die Südamerikaner. Überdies hielten sie nicht nur in Köln, sondern auch noch in Städten wie Klagenfurt, Basel und Wien Vorträge und diskutieren anschließend mit dem Publikum.
Das wichtigste Datum ihrer Europa-Reise war der 24. September. An diesem Tag fuhren Damián Verzeñassi und Juan Ignaco Pereyra Queles nämlich nach Genf, um gemeinsam mit Christiane Lüst von der AKTION GEN-KLAGE und anderen AktivistInnen beim „UN-Ausschuss für wirtschaftliche, soziale und kulturelle Rechte“ vorzusprechen. „Wir wollen (…) den Menschenrechtsausschuss auffordern, dass er Argentinien ermahnt, das geltende Umweltrecht in unserem Land einzuhalten, weil der argentinische Staat mit dem Nichteinhalten geltender Umwelt-Gesetze Menschenrechte verletzt“, erklärte Pereyra Queles vor dem Aufbruch in die Schweiz.
Und die Pestizid-KritikerInnen erreichten ihr Ziel. Am 12. Oktober veröffentlichte das UN-Gremium seinen Länderreport zu Argentinien, der Handlungsbedarf in Sachen „Agro-Chemikalien“ formulierte. „Der Ausschuss ist sehr besorgt über die Zunahme des Einsatzes von Pestiziden und Herbiziden, einschließlich Glyphosat, trotz der schwerwiegenden negativen Auswirkungen auf die Gesundheit und die Umwelt“, hieß es darin etwa.
Mit dem Verweis auf das Recht aller Menschen auf das höchstmögliche Gesundheitsniveau empfahl die UN-Einrichtung Argentinien deshalb, „einen Regelungsrahmen zu verabschieden, der die Anwendung des Vorsorge-Prinzips in Bezug auf die Verwendung schädlicher Pestizide und Herbizide, insbesondere von Glyphosat, einschließt“.
„Mit diesen Schlussfolgerungen schafft das CESCR (spanische Abkürzung für den „UN-Ausschuss für wirtschaftliche, soziale und kulturelle Rechte“, Anm. SWB) einen beispielhaften Präzedenz-Fall, indem es den argentinischen Staat ausdrücklich darauf hinweist, dass die Nutzung agro-chemischer Aktivitäten schwere Schäden für Gesundheit und Umwelt verursacht“, kommentierten Damián Verzeñassi, Juan Ignaco Pereyra Queles und die AKTION GEN-KLAGE das Votum erfreut.
Und der UN-Ausschuss nimmt auch die Bundesregierung und BAYER & Co. in die Pflicht (siehe auch Seite 16 ff). In den concludings seines Deutschland-Berichtes fordert er Berlin nämlich auf, „dass alle Unternehmen mit Sitz im Vertragsstaat oder unter seiner Gerichtsbarkeit Menschenrechtsverletzungen bei ihren Tätigkeiten nicht nur in Deutschland, sondern auch im Ausland identifizieren, verhindern und bekämpfen“ und bei Zuwiderhandlungen dafür zu sorgen, „dass sie für Verstöße haftbar gemacht werden können“. Für die AKTION GEN-KLAGE ist der Fall damit klar: „Heißt: BAYER und MONSANTO mit Sitz in Deutschland dürfen nach den UN-concludings kein Glyphosat (…) mehr in den Erzeugerländern mehr verkaufen.“ Ob der Leverkusener Multi das befolgt, ist allerdings fraglich. Zweifellos aber haben es Damián Verzeñassi und Juan Ignaco Pereyra Queles durch ihren Einsatz geschafft, den Druck auf den Konzern zu erhöhen und den EuropäerInnen noch einmal die Dringlichkeit vor Augen zu führen, Argentinien von der Pestizid-Pest zu befreien.