16. Oktober 2018
Arznei-Geschädigte verlangt Schadensersatz von BAYER
Verhütungsmittel-Prozess geht weiter
Am 18. Oktober findet der Schadensersatz-Prozess der Medikamenten-Geschädigten Felicitas Rohrer gegen den BAYER-Konzern seine Fortsetzung. Die 33 Jahre alte Frau hatte das Verhütungsmittel YASMINELLE mit dem Wirkstoff Drospirenon eingenommen und im Juli 2009 eine beidseitige Lungen-Embolie mit akutem Atem- und Herzstillstand erlitten. Nur durch eine Notoperation gelang es den ÄrztInnen damals, ihr Leben zu retten.
Im April 2011 reichte die gelernte Tierärztin eine Klage gegen den Pharma-Riesen ein, zuvor hatte sie dem Konzern auf dessen AktionärInnen-Versammlungen mehrfach erfolglos ein Gesprächsangebot unterbreitet. Im Dezember 2015 begann die mündliche Verhandlung mit der Bestellung eines Gutachtens. Mit diesem und dem Gegen-Gutachten des Leverkusener Multis wird sich das Landgericht Waldshut-Tiengen jetzt beschäftigen. „Ich bin sehr froh, dass es nun zum zweiten mündlichen Verhandlungstermin kommt. BAYER muss sich weiterhin vor Gericht verantworten, und ich habe die große Hoffnung, dass am Ende die Gerechtigkeit siegen und BAYER verurteilt wird“, so Rohrer.
Ihr Anwalt Martin Jensch vertritt noch acht weitere Frauen mit ähnlichen Fall-Geschichten. In den USA nahmen die juristischen Auseinandersetzungen um die Kontrazeptiva aus der YASMIN-Produktfamilie, die beim Pillen-Riesen im Geschäftsjahr 2017 für einen Umsatz von 648 Millionen Euro sorgten, hingegen eine ganz andere Dimension an. Mit Sammelklagen von rund 12.000 Frauen sah sich das Unternehmen dort konfrontiert; Strafzahlungen in Höhe von ca. zwei Milliarden Dollar wurden am Ende fällig.
„Auch in Europa ist es dringend erforderlich, Pharma-Geschädigten die Möglichkeit einzuräumen, gemeinsam für ihre Rechte zu streiten und die eventuellen Kosten der Verfahren auf mehrere Schultern zu verteilen. Sie dürfen BAYER & Co. nicht länger als EinzelkämpferInnen gegenüberstehen. Aber weder die in der Bundesrepublik geplante Musterfeststellungsklage noch die von der EU erwogene Verbandsklage können den Betroffenen diesen Rückhalt geben“, kritisiert Axel Köhler-Schnura von der COORDINATION GEGEN BAYER-GEFAHREN (CBG).
Konkret wirft Felicitas Rohrer dem Leverkusener Multi vor, auf den Packungsbeilagen nicht vor der erhöhten Venenverschluss-Gefahr, die von Kontrazeptiva der vierten Generation ausgeht, gewarnt und die Produkte stattdessen als schlank-machende Lifestyle-Präparate vermarktet zu haben. Inzwischen müssen BAYER und andere Hersteller von drospirenon-haltigen Mitteln diesen Hinweis auf den Beipackzetteln anbringen. Das „Bundesinstitut für Arzneimittel und Medizin-Produkte“ (BfArM) hatte dies im Jahr 2009 veranlasst.
Industrie-unabhängige Pharmazie-Journale wie das arznei-telegramm raten wegen des Thromboembolie-Risikos und anderer schwerwiegender Nebenwirkungen bereits seit Längerem von YASMINELLE & Co. ab. Der US-amerikanischen Gesundheitsbehörde FDA liegen 10.800 Meldungen über unerwünschte Arznei-Effekte nach Gebrauch dieser Medikamente vor, der Europäische Arzneimittel-Agentur EMA 4.869. „Angesichts solcher Zahlen sind die Aufsichtsbehörden aufgerufen, die Präparate aus der YASMIN-Gruppe aus dem Verkehr zu ziehen, zumal es sichere Alternativen gibt. Die Profit-Jagd BAYERs darf keine weiteren Opfer mehr kosten“, fordert Köhler-Schnura abschließend.