Annette Seehaus-Arnold (Vizepräsidentin des Deutschen Berufs- und Erwerbsimkerbundes): Bienensterben
Sehr geehrter Vorstand,
sehr geehrter Aufsichtsrat,
sehr geehrte Damen und Herren,
mein Name ist Annette Seehaus-Arnold. Ich spreche als Aktionärin, Imkerin und Kreisvorsitzende der Imker Rhön-Grabfeld und Vizepräsidentin des Deutschen Berufs und Erwerbsimkerbundes.
Sehr geehrter Herr Baumann: Ich habe einige Fragen:
2013 kam es zum Teilverbot einiger bienengefährlicher Neonicotiniode. Können Sie erklären, warum es Ihnen nicht gelungen ist, Studien vorzulegen, mit denen Sie gegenüber der Europäische Zulassungsbehörde EFSA den Nachweis der Sicherheit Ihrer Produkte für Honigbienen, Hummeln und Solitärbienen hätten erbringen können?
Nach Angaben der EU-Kommission war man gezwungen, ein vollständiges Verbot der Neonicotinoide im Freiland vorzuschlagen, nachdem selbst die von der Industrie vorgelegten Studien inakzeptable Risiken für die Bienen aufgezeigt hatten.
Wie erklären Sie sich, dass es Ihnen nicht gelungen ist, eine Mehrheit der Mitgliedsstaaten von Ihrer Position zu überzeugen?
Der Vorschlag der Kommission fand am 27. April diesen Jahres gleich im ersten Anlauf die notwendige Mehrheit.
Wie erklären Sie sich, dass Ihre Klage gegen das Teilverbot der Neonicotinoide vor dem Europäischen Gerichtshof so vollständig gescheitert ist, dass im Urteil vom 17. Mai diesen Jahres das Gericht Ihnen sogar die Verfahrenskosten der Kommission und von unseren Imkerverbänden als Streithelfer auferlegt hat?
Könnte Ihr Scheitern auf allen Ebenen (Zulassungsbehörde, Kommission, Mitgliedsstaaten und EuGH) vielleicht etwas damit zu tun haben, dass sich der chemische Pflanzenschutz nun endgültig als der falsche Ansatz herausgestellt hat?
Die Hauptherausforderung im Pflanzenschutz ist, den Schadorganismus selektiv ohne Beeinträchtigung von Bestäubern, Nützlingen und der Biodiversität im Ökosystem unter die Schadschwelle zu bringen. Auch eine Belastung der Endprodukte durch die angewendeten Mittel soll vermieden werden, um den Verbraucher zu schützen.
Chemische Wirkstoffe sind grundsätzlich NICHT sehr gut darin, selektiv zu sein, weil in der Biologie alles mit allem verwandt ist.
Im Gegensatz dazu ist Digital-Technik extrem gut darin, die geforderte Selektivität zu leisten. Weil die gestellten Aufgaben besser und mit höherer gesellschaftlicher Akzeptanz erledigt werden, wird der digitale Pflanzenschutz den chemischen Pflanzenschutz weitgehend ersetzen – genauso wie die Nasschemie in der Fotografie inzwischen fast vollständig durch Digitaltechnik ersetzt worden ist.
Herr Baumann: Wie ist Bayer auf die bereits laufende Disruption des Pflanzenschutzgeschäftes durch Digitaltechnik vorbereitet?
Die Wettbewerbshüter in den USA und in der EU haben ebenfalls erkannt, dass der Digitalen Landwirtschaft die Zukunft gehört und dass hier Wettbewerb besonders wichtig sein wird. Aufgrund der mit dem Kauf von Monsanto verbundenen Auflagen haben Sie ihre Digitalsparte an BASF verkaufen müssen.
Als Berufsimker haben wir das Engagement von Bayer im Bereich des digitalen Pflanzenschutzes tatkräftig unterstützt, weil wir darin eine Chance sehen, den Landwirten deutlich bienenfreundlichere Lösungen anzubieten und das unsägliche Volumengeschäft mit Pestiziden überflüssig zu machen.
Herr Baumann, teilen Sie unsere Einschätzung der Zukunft des Pflanzenschutzsektors?
Wie unterscheiden sich die Lösungen, die Bayer mit dem Kauf von Monsanto erworben hat, von denen, die Sie an BASF verkaufen mussten hinsichtlich der Verringerung der negativen Auswirkungen auf unsere Bienen beim Pflanzenschutz?
Herr Baumann, welchen Umsatzrückgang und somit Gewinnrückgang erwarten Sie in den nächsten Jahren bei den Pestiziden durch die wesentlich gezieltere Anwendung durch den digitalen Pflanzenschutzes, die den Wegfall anderer Verfahren ermöglicht?
Chemischer Pflanzenschutz gilt als besonders risikobehaftet und ist daher mit langwierigen und teuren Zulassungsverfahren verbunden. Der Einsatz von leichten autonomen Agrarrobotern, wie z. B. von Ecorobotics, hat keine vergleichbaren Zulassungshürden und ist damit zu geringeren Entwicklungskosten wesentlich schneller als Lösung für den Landwirt verfügbar.
Herr Baumann, wie schätzen Sie das Risiko ein, dass neu entwickelte chemische Wirkstoffe noch im Regulierungsverfahren feststecken, wenn zahlreiche digitale Alternativen bereits am Markt verfügbar sind?
Herr Baumann, wie schätzen Sie das Risiko für Ihre Aktionäre ein, dass mit dem digitalen Pflanzenschutz andere Anbieter, wie z. B. John Deere mit „See and Spray„ oder Bosch mit DeepField Robotics sich ein großes Stück aus dem Kuchen „Pflanzenschutz“ herausschneiden werden, den bisher verschiedene Chemiehersteller unter sich aufgeteilt haben?
Für wann erwarten Sie vor diesem Hintergrund eine Rückgang des Produktionsvolumens von Herbiziden, Insektiziden und Fungiziden? Sind Sie darauf vorbereitet?
Herr Baumann, als Berufsimker haben wir in Brüssel einen Vorschlag für ein neues Regulierungsverfahren für Pflanzenschutzmittel für die Digitale Landwirtschaft eingebracht. An dem vom Europäischen Berufsimkerverband initiierten Workshop haben Mitarbeiter aller großen Pflanzenschutzmittelhersteller teilgenommen. Ist dem Vorstand diese Initiative bekannt und werden Sie den Ansatz auch nach dem Kauf von Monsanto und dem Verkauf Ihrer Digitalsparte an BASF unterstützen?
Haben Sie mit dem Verkauf der Digitalsparte an BASF evtl. ein unkalkulierbar großes Risiko in Kauf genommen? Haben Sie damit evtl. eine zukunftsfähige Sparte an die Konkurrenz verschenkt? Und damit zukünftige Wachstumschancen und selbstverständlich auch die entsprechenden Gewinne zugunsten einer veralteten Technik, und zwar dem chemischen Pflanzenschutz?
Die Honigbienen sind nur ein Teil der Insektenwelt. Ihre Bedeutung für unseren Wohlstand wird wohl auch von BAYER nicht in Frage gestellt. Nur als Teil einer bienenfreundlichen Landwirtschaft wird Bayer eine Zukunft haben.
Meine Damen und Herren Aktionäre,
Sie haben es in der Hand, wie die Entwicklung weitergeht.
Oder ist es nicht an der Zeit, die Aktivitäten von Bayer Cropscience in ökologisch sinnvolle, nachhaltige Forschung, besser noch in Landwirtschaft 4.0 zu lenken? Anstatt an fragwürdigen Neonics und neuen Pestiziden festzuhalten? Sind intelligente Lösungen nicht weitaus sinnvoller als chemische Keulen? Wollen Sie, sehr geehrter Vorstand und Aufsichtsrat, weiterhin an alten Techniken festhalten und dann den Anschluss verpassen? Können Sie sich auf Dauer das „Bienenkiller-Image“ noch leisten? Können Sie das verantworten? Und, selbst wenn Sie nur an’s Geld denken: Wollen Sie so enden, wie die Aktionäre von Kodak?
Deshalb an alle Aktionäre: Zeigen Sie Flagge und stimmen Sie gegen eine Entlastung des Vorstandes, wenn er darauf keine befriedigenden Antworten hat.
Vielen Dank.