Thomas Cierpka (IFOAM) Nachhaltigkeit bei Bayer
Sehr geehrter Herr Vorsitzender, werte Geschäftsleitung, liebe Mitaktionäre,
Mein Name ist Thomas Cierpka. Als stellvertretender Geschäftsführer stehe ich hier für den Verband IFOAM – Organics International und die weltweite Bewegung für den biologischen Landbau.
Bayer ging es wirtschaftlich auch im vergangenen Geschäftsjahr wieder sehr gut. Es ist weder übertrieben noch vermessen zu sagen: „Bayer ist reich und Bayer hat Macht!“ Reichtum und Macht verpflichten und geben Verantwortung.
Bezugnehmend auf Ihre Dividendenerhöhung und in Anbetracht der enormen gesellschaftlichen und ökologischen Herausforderungen dieser Welt beantrage ich einen Verzicht auf sämtliche Erhöhungen von Auszahlungen an Aktionäre und Geschäftsleitung. Stattdessen plädiere ich für eine Investition in die Zukunft des Planeten und kommender Generationen: Genauer gesagt in die Ziele, die Sie selbst in Ihrem Nachhaltigkeitsbericht auf Ihrer Internetseite herausarbeiten. Ich plädiere insbesondere für 3 Punkte:
1. Monsanto-Übernahme:
Sie planen, das Unternehmen Monsanto zu übernehmen, und haben dazu kürzlich unter Auflagen die Zustimmung der EU-Kommission dazu erhalten. Sie wissen sehr wohl um die Reputation von Monsanto, das nach Nielsen zu den 3 Firmen auf dieser Welt gehört, die den schlechtesten Ruf besitzen. Ein Ruf, der nicht auf einem einzelnen Skandal, sondern auf jahrelanger skrupelloser und einseitig auf Profit orientierter Geschäftstätigkeit beruht und der die Kunden diffamiert und diese erpresserisch vor Gericht zieht. Es gibt unzählige Berichte, Dokumentarfilme, Negativpreise und sogar zivile Tribunale, die über die schreckliche Auswirkungen des Handelns von Monsanto auf Mensch und Umwelt berichten. Die sozialen Medien sind voll von Protesten gegen Monsanto, und jedes Jahr gehen viele besorgte Bürger in vielen Ländern dagegen auf die Straße. Das gibt es sonst bei keinem Unternehmen auf der Welt. Was Monsanto tut, steht im vollständigen Widerspruch zu den Ansprüchen von Bayers Nachhaltigkeitspolitik. Ausgerechnet in diese Firma wollen Sie investieren, Bayer in der Weltöffentlichkeit bloßstellen und damit den eigenen Ruf riskieren? Die Auflagen der EU zwingen BAYER zudem zur Aufgabe traditionell profitabler Geschaftszweige (z. B. im Saatgutbereich) sowie zum Verkauf zukunftsträchtiger Innovationszweige, wie z. B. der digitalisierten Präzisionslandwirtschaft. Es ist eine Illusion zu glauben, Bayer könnte Monsanto reformieren und damit das Problem Monsanto lösen, wenn noch weniger Wettbewerb und eine beinahe monopolistische Struktur besteht.
Sind Sie auf die Frage Ihrer Familie und Freunde vorbereitet, die von Ihnen wissen wollen, warum Tausende wieder und wieder gegen BAYER auf die Straße gehen?
2. Nachhaltigkeitsstrategie und SDGs:
Sie machen auf der Website die Nachhaltigkeit zum Kernelement der Strategie für Ernährungssicherung und Gesundheitsvorsorge. Und Sie bekennen sich zu den Nachhaltigkeitszielen der Vereinten Nationen (UNO), den SDGs (Sustainable Development Goals, Anm. CBG). Gesellschaft und Umwelt sind prominent erwähnt, ebenso die Kernthemen Klimaschutz, Biodiversität, Wasser, Bodenschutz oder Bestäuber wie die Bienen. Ich meine, die Probleme und die Ziele sind richtig erkannt und ich möchte Ihnen dazu gratulieren.
Gemeinsam können wir nachhaltig unseren Planeten erhalten!
Ich vermisse allerdings eine dazu passende Geschäftspolitik, die eben diese Ziele, anstatt einzig und allein die wirtschaftliche Dimension des eigenen Wirkens in das Zentrum Ihrer Entscheidungen und Aktivitäten stellt. Bayer ist zu groß, zu wichtig und hat zu viele Auswirkungen auf die globale Gesellschaft und Umwelt, um nur an den eigenen wirtschaftlichen Erfolg denken zu können. Die schönen Modelle auf der Website sind gut und brauchen keine Anpassung. Eine Anpassung braucht die Einstellung der Mitarbeiter und die Verinnerlichung des Prinzips der Nachhaltigkeit im täglichen Geschäft. Ein Beispiel dazu:
Bayer fördert Pflanzensorten – gentechnisch verändert oder nicht – die die genetische Vielfalt auf den Äckern einschränkt, großflächige Monokulturen fördert und die starken Einsatz von Pflanzenschutzmitteln und synthetischen Düngern braucht. Ihr Lobbying trägt dazu bei, dass Gesetze erlassen werden, die die Bauern zwingen, Vielfalt aufzugeben, Gewässer zu belasten und Lebensräume zu vernichten. Wie beantworten Sie die Fragen Ihrer Kinder und Enkelkinder in Bezug auf Ihre Verantwortung in diesem Zusammenhang? Wie rechtfertigen Sie die alleinige Fokussierung auf Profit-Interessen im Kontrast zu den Interessen zukünftiger Bauerngenerationen besonders im armen, globalen Süden?
Es ist wissenschaftlich erwiesen, dass die Biodiversität dramatisch zurückgeht und viele Lebensformen für immer verschwinden. Bayer trägt hier Mitverantwortung.
Wie wollen Sie Biodiversität fördern?
Die Geschäftspolitik braucht neue Ziele und Strategien. Bienen auf der Website machen diese nicht lebendig. Es braucht eine Geschäftsleitung, die stolz auf mehr Bienen durch aktiven Bienenschutz ist und nicht nur auf ihre wirtschaftlichen Kennzahlen schaut. Die UNO bietet mit den SDGs eine Steilvorlage dazu.
3. Vision ökologische Landwirtschaft:
Bayer braucht eine Vision für einen wirklich nachhaltigen Planeten für alle: auch für die Ärmsten auf der Welt. Die Welt produziert genug Lebensmittel für 10 Milliarden Menschen und trotzdem sind 800 Millionen hungrig, weil sie nicht genügend Einkommen haben und insbesondere in der Landwirtschaft von den Produktionsprozessen ausgeschlossen werden. Das ist ein Skandal.
Wiederum: die Bayer Geschäftspolitik hat da eine Mitverantwortung. Es geht nicht darum, morgen alles mit Bio-Landwirtschaft zu produzieren. Bayer muss aber eine Vision haben, die langfristig neue, ökologische Modelle umfasst. Dazu braucht es politischen Willen und eine clevere Strategie.
Ich empfehle, die Akteure der Biolandwirtschaft einzuladen und einen offenen strategischen Dialog zu suchen, anstatt diese mit politischen Mitteln zu bekämpfen und an alten Modellen festzuhalten. Tun sie es der UNO, den Vereinten Nationen, gleich: diese hat, z. B. beim Menschenrecht auf Nahrung oder bei der Welternährungsorganisation FAO, die für Agroökologie plädiert, die Bedeutung der Biolandwirtschaft schon längst erkannt. Langfristig sollte das Bayers Geschäftsmodell werden.
Zusammengefasst: Bayer/Monsanto arbeiten Richtung Monopolstellung. 20 Jahre Gentechnologie und Patentierung von wenigen Hochleistungssorten zeigen, dass wenige Arten und Sorten an Hilfsmittel wie Roundup gebunden werden. Biologische Vielfalt verschwindet, das Klima verändert sich und immer noch gehen 800 Millionen hungrig zu Bett. Die UNO ruft zum Paradigmen-Wechsel in der Landwirtschaft auf. Weitermachen wie bisher ist perspektivlos. Bayer ist in der Position, diesen Wechsel einzuleiten. Arbeiten wir gemeinsam für einen lebenswerten Planeten für unsere Kinder statt einseitig an die Maximierung der Dividenden und der Managergehälter zu denken.
Ich beantrage, dem Vorstand die Entlastung zu verweigern.