Pflanzen & Saaten
Und ewig blüht der Profit
Weizen-Macher BAYER
Seit Anfang des Jahrzehnts treibt der Leverkusener Multi systematisch die Entwicklung neuer Weizen-Arten voran. „Wer erfolgreich eine wesentlich ertragreichere Weizen-Sorte entwickelt, wird ein lukratives Geschäft auftun“, so BAYER-Manager Liam Condon zum Sinn der Übung.
Von Jan Pehrke
„Im Pflanzenschutz für Weizen sind wir bereits das weltweit führende Unternehmen. Jetzt bauen wir zudem eine Forschungsplattform auf, die bei der Züchtung verbesserter Weizen-Sorten führend sein wird“, erklärte der ehemalige BAYER-Manager Dr. Rüdiger Scheitza im Jahr 2011. Die „Verbesserung“ hofft der Agro-Riese dabei sowohl durch konventionelle Zucht als auch durch die Gentechnik und Verfahren, die hybride, also nicht zur Wiederaussaat geeignete Sorten produzieren, zu erreichen. 1,5 Milliarden Euro nimmt der Konzern dazu bis 2020 in die Hand; spätestens dann will er auch einen Weizen made by BAYER auf den Markt bringen. Und bis 2030 strebt der Konzern in Europa beim Hybrid-Weizen einen Marktanteil von 25 bis 30 Prozent an.
Dazu geht der Global Player äußerst planmäßig vor. Er sichert sich den Zugang zu den genetischen Ressourcen der Pflanzen-Art, intensiviert – mit freundlicher Unterstützung durch staatliche Subventionen – seine Forschungsanstrengungen und baut ein globales Netz von Zucht-Stationen auf. Überdies spekuliert die Aktien-Gesellschaft in Sachen „Weizen“ auch darauf, bei der geplanten MONSANTO-Übernahme von Forschungen des US-Moguls in diesem Bereich profitieren zu können.
2010 kaufte BAYER zwei ukrainische Weizenzucht-Unternehmen auf. 2011 unterzeichnete der Leverkusener Multi eine Lizenz-Vereinbarung mit dem rumänischen „National Agricultural Research and Development Institute“ (NARDI) und erhielt so Zugriff auf Sorten, die eine hohe Trockenheitstoleranz, Winterhärte und Widerstandsfähigkeit gegen verschiedene Pflanzenkrankheiten auszeichnet. Im selben Jahr handelte der Global Player einen Vertrag mit der „South Dakota University“ über die Nutzung bestimmter Sommerweizen-Linien aus und ging einen Deal mit der französischen Firma RAGT ein, um an die Erträge von deren Winterweizen-Zuchtprogramm zu kommen.
Parallel dazu treibt der Konzern eigene Labor-Aktivitäten voran. Vor allem aber erschließt er sich Wissen von außen. Bereits seit 2009 arbeitet BAYER mit der australischen Forschungseinrichtung „Commonwealth Scientific and Industrial Research Organisation“ (CSIRO) zusammen. 2010 erteilte die Aktien-Gesellschaft dem israelischen Biotech-Unternehmen EVOGENE den Auftrag, nach Genen zu forschen, die – in das Weizen-Erbgut eingeschleust – bessere Erträge, ein besseres Wachstum und/oder eine erhöhte Widerstandsfähigkeit versprechen.
2013 kam das Unternehmen mit dem niederländischen Unternehmen KEYGENE ins Geschäft und erhielt so den Schlüssel zu der neuen Züchtungstechnologie „KeySeeQ“, die den Pflanzen durch das „Hochdurchsatz-Mutagenese-Verfahren“ Eigenschaften wie Trockenheitstoleranz einimpft. Im selben Jahr begann eine Kooperation mit der „Nebraska State University“ zur Kreation neuer und zur „Verbesserung“ alter Weizen-Sorten sowie eine solche mit der „Kansas State University“ zur Entwicklung hybrider Arten. Und 2016 folgten weitere Abkommen in Sachen „Weizen“ mit der „Chinese Academy of Agricultural Sciences“ (CAAS) und dem „Center for International Maize and Wheat Improvement“ (CIMMYT). Damit nicht genug, profitiert der Agro-Riese auch noch von staatlich geförderten Weizenforschungsprojekten wie etwa „Zuchtwert“, das von den bundesdeutschen SteuerzahlerInnen Subventionen in Höhe von sechs Millionen Euro kassierte.
Der Wissenstransfer erfolgt dann in eigenen Zucht-Stationen, deren Zahl BAYER seit 2013 kontinuierlich steigert. Das größte – und unlängst nochmals ausgebaute – Zentrum nahm 2012 im sachsen-anhaltinischen Gatersleben den Betrieb auf. Mittlerweile verfügt es über 80 Hektar Ackerfläche. Weitere Einrichtungen unterhält der Konzern im französischen Millet-la-Foret, im australischen Horsham, im US-amerikanischen Beaver Crossing, im kanadischen Saskatchewan und nahe der ukrainischen Hauptstadt Kiew.
Die Methoden, die der Konzern in den Zucht-Stationen anwendet oder in seinen Laboren erprobt, weisen eine große Bandbreite auf. Die Agro-IngenieurInnen erzeugen etwa Hybride, indem sie in der Mutterlinie Mutationen induzieren, die zu männlicher Unfruchtbarkeit führen. Auch über gentechnische Eingriffe in das Erbgut der männlichen Linie versuchen die ForscherInnen diese Sterilität zu produzieren. Überdies bedienen sich die WissenschaftlerInnen Techniken zur Kennzeichnung vielversprechender Pflanzen-Sorten. „Mit molekularen Markern können wir aussichtsreiche Kreuzungsvarianten schnell erkennen und weniger aussichtsreiche schon früh im Prozess verwerfen“, erklärt BAYERs Weizenzuchtprogramm-Leiter Edward Souza. Die klassische Kreuzungszüchtung praktizieren Souza & Co. aber ebenfalls noch. Große Hoffnungen setzen sie jedoch vor allem auf die neuen Gentech-Verfahren wie z. B. CRISPR/Cas (siehe SWB 2/16). Dieses bedient sich eines Abwehr-Mechanismus’ von Bakterien zum Aufspüren von Fremd-DNA, um bestimmte Gen-Abschnitte anzusteuern, und nutzt dann das Cas-Enzym als Schere zur Auftrennung der Genom-Sequenz. Anschließend setzt CRISPR/Cas entweder mitgeführte neue Erbgut-Stränge ein oder leitet Mutagenese-Effekte ein, also von der Zelle selbst induzierte Veränderungsprozesse.
All diese Möglichkeiten der Manipulation befeuern beim Leverkusener Multi Allmachtsfantasien. Als „Weizen-Macher“ präsentiert er sich in seinem Magazin Research, der sich gottgleich an der 2. Schöpfung versucht. Allerdings mit profanen Zielen: Das Tuning der Pflanzen lässt Extra-Profite erwarten. „Wer erfolgreich eine wesentlich ertragreichere Weizen-Sorte entwickelt, wird ein lukratives Geschäft auftun“, frohlockt Liam Condon, der Chef von BAYER CROPSCIENCE mit Blick auf die Investitionsentscheidungen der ManagerInnen der großen Agrar-Fabriken. Das Versprechen guter Ernten ist es nämlich, was die Saaten „zu einer rentablen Wahl für den Erzeuger macht“, wie der Multi einmal in Bezug auf seine „Ertragsrekorde“ verheißenden „Hightech-Tomaten“ festgehalten hat. Aber mit diesen Business-Strategien mag die Aktien-Gesellschaft die große Öffentlichkeit nicht konfrontieren. Ihr gegenüber inszeniert sie sich lieber als ein Unternehmen, das sich um „die Zukunft des Weizens“ kümmert und damit einen wichtigen „Beitrag zur Sicherung der Welternährung“ leistet.