Erste & Dritte Welt
BAYER & Co. „beglücken“ die Armen mit Gentech 1.0
Letzte Ausfahrt Afrika !?!
In den Industrie-Staaten stagniert das Geschäft mit gentechnisch veränderten Pflanzen. Zuwächse erfährt es indessen in den Entwicklungs- und Schwellenländern. Darum verstärken BAYER & Co. dort ihr Engagement. Besonders im Fokus steht seit einiger Zeit Afrika. Allerdings vermarkten die Konzerne dort mit Vorliebe ihre noch nach den alten Verfahren hergestellten Labor-Früchte.
Von Stig Tanzmann (BROT FÜR DIE WELT)
Während in Europa und insbesondere in Deutschland schon um die „neuen“ Gentechnikverfahren gestritten wird, erlebt der afrikanische Kontinent eine bisher nicht dagewesene Welle an Anträgen zum kommerziellen Anbau von gentechnisch veränderten Organismen (GVOs) nach „alten“ Verfahren. Das wird an einer sich immer weiter fortsetzenden Reihe von Feldversuchen und Zulassungsanträgen deutlich. Am weitesten gediehen sind die Zulassungsanstrengungen bei GVO-Baumwolle. Im Rahmen der „Neuen Allianz zur Ernährungssicherung“1 – einer stark an den Interessen der Privatwirtschaft ausgerichteten Entwicklungsinitiative der G7-Staaten, die mit verschiedenen afrikanischen Staaten eine Zusammenarbeit vereinbart hat – kündigte MONSANTO in Malawi schon 2013 einen kommerziellen Anbau von GVO-Baumwolle an. Bis heute allerdings konnte dort der kommerzielle GVO-Anbau aufgrund vielfältiger Aktivitäten und der Lobbyarbeit der Zivilgesellschaft verhindert werden. MONSANTO hatte sicherlich nicht mit solch fundierten und lang anhaltenden Protestwellen gerechnet, als es sein Bestreben 2013 öffentlich gemacht hatte. Der „Erfolg“ der Zivilgesellschaft kann aber nicht über die äußerst prekäre Situation in Malawi hinwegtäuschen. Denn die Zivilgesellschaft hat in dem sehr schwach entwickelten Land kaum mehr die Kapazität, auch noch die Feldversuche mit GVO-Bananen und GVO-Augenbohnen, die ebenfalls erfolgen oder angekündigt sind, intensiv zu begleiten. Auch mit Blick auf GVO-Baumwolle ist zu erwarten, dass der kommerzielle Anbau nicht dauerhaft aufgehalten werden kann.
Ähnlich sieht es in Nigeria aus. Dort wird die Kommerzialisierung von GVO-Baumwolle ebenfalls vorangetrieben. Das ist insofern verwunderlich, als im nur wenige Hundert Kilometer entfernten Burkina Faso der kommerzielle Anbau von GVO-Baumwolle auf Druck der Bäuerinnen und Bauern für gescheitert erklärt worden ist2. Das GVO-Saatgut war zu teuer und die Faserqualität der GVO-Baumwolle zu schlecht. Logisch wäre es eigentlich aus der Perspektive der nigerianischen Regierung, sehr kritisch und genau zu prüfen, was in Burkina Faso passiert ist, denn in beiden Ländern herrschen ähnliche klimatische und sozioökonomische Bedingungen.
In Nigeria hat sich 2016 eine große Koalition von über hundert Organisationen, die mehr als fünf Millionen Menschen repräsentieren, gegen den Anbau von GVO-Baumwolle und die gleichfalls geplanten Feldversuche mit GVO-Mais formiert. Doch Rufus Ebegba, Generaldirektor der nigerianischen Behörde für Biosicherheit und zuständig für die GVO-Zulassung, hat in einem Interview keinen Zweifel daran gelassen, dass er GVOs für sicher hält und die europäische Zurückhaltung dieser Technologie gegenüber nicht teilt. Zudem verbittet er sich jeden positiven Bezug auf Europa in der nigerianischen Gentechnik-Debatte. Weiter stellte Ebegba klar, dass es auch nigerianische WissenschaftlerInnen und Institute seien, die an den GVOs arbeiteten3. Folgerichtig ist der Anbau von GVO-Baumwolle von seiner Behörde genehmigt worden. Ob der Anbau von gentechnisch veränderten Organismen Realität in Nigeria werden wird, ist angesichts des anhaltenden Protestes derzeit dennoch noch nicht abschließend abzusehen.
Eine konzertierte Aktion
Die Abgrenzung vom europäischen Umgang mit GVOs ist von einigen afrikanischen RegierungsvertreterInnen und EntscheidungsträgerInnen in den letzten Jahren häufiger kommuniziert worden. Diese Stimmen – auch aus der Forschung – sind so bekannt geworden, dass der MONSANTO-Konzern sich ihrer ebenfalls bedient. So hat das US-Unternehmen 2016 auf den Bericht des Entwicklungsausschusses des Europäischen Parlaments zur „Neuen Allianz zur Ernährungssicherung“, der die G7-Initiative unter anderem für die Propagierung von GVOs kritisiert, mit dem Vorwurf des Neokolonialismus durch das EU-Parlament reagiert4.
Die großen Agro-Konzerne wie BAYER, DUPONT, MONSANTO und SYNGENTA haben in den letzten Jahren zusammen mit der „Bill & Melinda Gates-Stiftung“, der staatlichen Entwicklungsagentur USAID aus den Vereinigten Staaten und der „Allianz für eine Grüne Revolution in Afrika“ (AGRA) ein gut verwobenes Netzwerk von GentechnikprofiteurInnen und -befürworterInnen quer durch den afrikanischen Kontinent in Regierungen, Ministerien, wissenschaftlichen Instituten und der Wissenschaftsgemeinschaft etabliert. Insbesondere für WissenschaftlerInnen war und ist die Forschung an und zu GVOs häufig die einzige Möglichkeit, eine erfolgreiche Karriere zu starten. In diesem Sektor gab und gibt es Stipendien über das oben genannte Netzwerk sowie die Chance, Zugang zu renommierten US-Universitäten zu bekommen. Gleichzeitig floss und fließt viel Geld der Entwicklungszusammenarbeit aus den USA und Großbritannien in diesen Bereich, wie es sich auch bei der Unterstützung der „African Agricultural Technology Foundation“ (AATF) zeigt. Über AATF besteht eine direkte Verbindung zum „Water Efficient Maize for Africa Project“ (WEMA), über das unter anderem stark für die Einführung von GVO-Mais in Afrika geworben wird5.
Unbedingt beachtenswert und auch besorgniserregend ist vor allem das Folgende: Systematisch speisen die großen Konzerne in diese afrikanischen Netzwerke eigentlich von ihnen geschützte Gen-Sequenzen für Forschungsprojekte afrikanischer Wissenschaftsinstitute und afrikanischer Regierungen ein. Dabei nehmen sie auch Pflanzen in den Blick, die von der herkömmlichen Züchtung eher vernachlässigt werden. Insbesondere der Fokus dieser Aktivitäten auf Pflanzen wie Cassava, Sorghum, Süßkartoffel, Augenbohne, Straucherbse und Bananen, aber auch Reis, hat der GVO-Technologie zunehmend afrikanische Wurzeln verliehen6. Hier spielt es für die Multis sicher eine Rolle, ihre Behauptung, Gentechnik sei für die Sicherung der Welternährung von großer Bedeutung, mit neuen Projekten und Programmen zu unterlegen. Von der internationalen Öffentlichkeit kaum bemerkt, finden in diesem Bereich schon teils weitreichende Feldversuche statt. Im Fokus stehen Länder wie Ägypten, Burkina Faso, Ghana, Kenia, Malawi, Nigeria und Uganda7. Dabei muss in Betracht gezogen werden, dass es aufgrund der Feldversuche bereits zur Kontamination von konventionellen Sorten der genannten Pflanzen gekommen sein kann. Dies sollte in Zukunft auch beim Import der Früchte dieser Gewächse nach Europa beachtet werden, selbst dann, wenn es nicht flächendeckend zur angestrebten Kommerzialisierung dieser neuen GVO-Pflanzen kommt.
Südafrika als Zentrum
Ein spezieller Fall ist Südafrika, dem Zentrum des GVO-Anbaus auf dem Kontinent. Dort wird von MONSANTO die Kommerzialisierung des via WEMA schon viel beworbenen dürre-resistenten GVO-Mais’ vorbereitet. Sicher wird dieses Anliegen auch von der starken Trockenheit, die das südliche Afrika 2015 und 2016 heimsuchte, begünstigt. Eine Klage der Zivilgesellschaft gegen die ersten Feldversuche, die auch die Effektivität des manipulierten Mais‘ infrage stellt, ist 2016 erfolgt. Angesichts der Tatsache, dass sich der südafrikanische Staat gegenüber den großen Saatgut- und Gentechnik-Konzernen stark geöffnet, aber auch abhängig gemacht hat, ist hier mit wenig Erfolg zu rechnen. So sind in Südafrika über 85 Prozent des angebauten Mais‘ gentechnisch verändert, und das Saatgut stammt von zwei Anbietern. Einer davon ist MONSANTO.
Der afrikanische Kontinent wird von den dort aktiven Konzernen weiterhin unter strategischen Gesichtspunkten als wichtig angesehen. Deutlich wird dies unter anderem am Bereitstellen von geschützten genetischen Sequenzen für Forschung und Erzeugung von GVOs durch die großen Saatgut-Hersteller. Der Fokus liegt hier auf lange vernachlässigten afrikanischen Ernährungspflanzen, und natürlich wird der spätere kommerzielle Anbau bei diesen Projekten angestrebt. Sicher ist hier auch ein Ziel, endlich Belege dafür zu bekommen, dass GVOs für die Überwindung des Hungers wichtig sind. Dies wird umso klarer, wenn man betrachtet, wie sich diese Gen-Giganten ihrer Aktivitäten in dem Projekt „Access to Seed-Index“8 öffentlich rühmen, gegen das durchaus der Vorwurf des Green Washing erhoben werden kann. Ziel des „Access to Seed-Index“ ist es nämlich nicht, Kleinbäuerinnen und Kleinbauern zu helfen, es geht vielmehr darum, die beteiligten Unternehmen erfolgreicher zu machen. In den Gremien dieses von der „Bill & Melinda Gates-Stiftung“ mitfinanzierten Index sitzen unter anderem ehemalige Mitarbeiter großer Saatgut-Konzerne.
Gleichzeitig zeigt sich aber auch, wie sehr die „alten“ Gentechnik-Verfahren für die Multis inzwischen schon entwertet sind. Das große Geld verspricht man sich anscheinend eher von den „neuen“ Techniken auf Basis von CRISPR/Cas oder anderer Methoden. Nicht umsonst haben sich alle großen Saatgut-Multis inzwischen in die Schlüsselpatente dieser Praktiken eingekauft9. Was die „alten“ Verfahren angeht, können vor diesem Hintergrund die genetischen Sequenzen für die vernachlässigten Pflanzen bereitwillig geteilt werden.
Für die afrikanische Zivilgesellschaft entsteht so der Eindruck, als würde Afrika einmal mehr als letzte Ausfahrt für eine inzwischen veraltete Technologie genutzt. Besteht schon ein kommerzieller Markt für GVOs oder ist er im Entstehen wie bei Baumwolle und Mais, verlangen die Agro-Riesen natürlich trotzdem Geld von den Bäuerinnen und Bauern für die Patente. Ziel scheint es dabei alles in allem auch zu sein, die GVO-Technologie zu afrikanisieren und so eine neue Akzeptanz für die Labor-Früchte aufzubauen. In Teilen scheint dies gelungen, und MONSANTO hat schon begonnen zu zeigen, wie dies in Zukunft gegen die KritikerInnen der Grünen Gentechnik genutzt werden soll.
Die Wirtschaftsinteressen
Dass hinter diesen afrikanischen Aktivitäten der großen Konzerne weiterhin knallharte Geschäftsinteressen stehen, sollte nicht vergessen werden. Dies wird deutlich, wenn man betrachtet, wie strategisch eben diese Unternehmen in den zurückliegenden Jahren die letzten größeren unabhängigen afrikanischen Saatgut-Firmen aufgekauft haben10. Sollten also einmal GVOs in größerem Stil in Afrika angebaut und gehandelt werden, so werden diese Gesellschaften sicherlich davon profitieren, denn sie haben nun auch einen guten Zugang zu den Vermarktungsnetzwerken. Auch sollte beachtet werden, dass die Frage des Zugangs zu den Märkten der Entwicklungsländer, also auch denen der afrikanischen Staaten, eine wichtige Rolle bei den derzeitigen Mega-Fusionen im Agrar-Bereich spielt. SYNGENTA hat vor allem auch deshalb positiv auf das Übernahme-Angebot von CHEMCHINA reagiert, weil sich das Management so mehr Markt-Anteile und Umsatz-Wachstum in den Entwicklungsländern verspricht. Für BAYER sind die afrikanischen Aktivitäten von MONSANTO sicher auch von Interesse. Vor diesem Hintergrund wird es wichtig sein, sehr genau auf die zukünftigen Aktivitäten des im Entstehen begriffenen neuen BAYER-MONSANTO-Konzerns auf dem Kontinent zu schauen.
1https://www.brot-fuer-die-welt.de/fileadmin/mediapool/2_Downloads/Fachinformationen/Analyse/Analyse51_Ernaehrung_fuer_alle.pdf
2http://www.ensser.org/fileadmin/user_upload/Mex16.DOWD-URIBE.Burkina.Faso.GM.Crops.FINAL.Version.2.pdf
3http://www.environewsnigeria.com/cotton-maize-nigeria-release-gm-food-ebegba
4http://www.nutraingredients.com/Regulation-Policy/Monsanto-hits-back-at-MEP-vote-on-GM-in-Africa
5http://acbio.org.za/hands-off-our-food-systems-small-farmers-not-corporates-feed-africa/
6https://acbio.org.za/wp-content/uploads/2016/04/GM-Orphan-Crops-Report.pdf
7http://acbio.org.za/hands-off-our-food-systems-small-farmers-not-corporates-feed-africa/
8http://www.accesstoseeds.org/the-index/
9https://www.bund.net/fileadmin/user_upload_bund/publikationen/landwirtschaft/landwirtschaft_konzernatlas_2017.pdf
10http://acbio.org.za/wp-content/uploads/2015/12/Seed-Sector-Sub-Sahara-report.pdf
Kasten
BAYER-Gentechnik in Afrika
Wie MONSANTO & Co. konzentriert auch der BAYER-Konzern sein Gentech-Engagement auf Südafrika. Die am weitesten kapitalistisch erschlossene Nation des Kontinents nimmt weltweit unter den Produzenten von Pflanzen mit verändertem Erbgut den neunten Rang ein. Der Leverkusener Multi verfügt dort über Zulassungen für fast sein komplettes Sortiment von FIBERMAX-Baumwolle über LIBERTYLINK-Soja, -Mais und -Reis bis hin zu INVIGOR-Raps. Den Schwerpunkt legt er dabei auf Baumwolle. Der Global Player führte in der Vergangenheit zahlreiche Feldversuche mit den Gewächsen durch und vertreibt aktuell mehrere Sorten für den kommerziellen Anbau.
Daneben kooperiert das Unternehmen mit den Hochschulen des Landes. So arbeitet der Agro-Gigant mit den Gentech-Instituten der Universitäten von Pretoria und Stellenbosch zusammen und erteilt ihnen Forschungsaufträge. Die von ihm geplante Übernahme von MONSANTO hätte nach Einschätzung des AFRICAN CENTRE FOR BIODIVERSITY (ACB) fatale Konsequenzen für den Staat, nicht nur in Sachen „Labor-Früchte“. Das Center kommt in einer für die Rosa-Luxemburg-Stiftung erstellten Studie zu dem Urteil, „dass ein potenzielles Zusammengehen von BAYER und MONSANTO signifikante negative Auswirkungen auf den Saatgut- und Pestizid-Sektor sowie auf Bauern und Konsumenten in Südafrika hätte“. Aber auch im Westen Afrikas treibt die Aktien-Gesellschaft ihre Baumwoll-Aktivitäten voran: In Kamerun testet sie derzeit mehrere Arten.
Und selbstverständlich darf der Agrar-Riese bei der „Neuen Allianz zur Ernährungssicherung“, dem „Access-to-Seed-Index“, der „African Agricultural Technology Foundation“ (AATF) und anderen Initiativen des Kapitals, die diesen Erdteil heimsuchen, nicht fehlen.