Pflanzen & Saaten
BAYER & Co. setzen auf Hybrid-Weizen
Das große Geschäft lockt
BAYER & Co. wollen mit allen Mitteln ihre Gewinne sichern und weiter steigern. Seit einigen Jahren versuchen sie, aus der Weizen-Züchtung ein globales, lukratives Geschäft zu machen. Auch hier setzen sie auf gentechnisch veränderte Pflanzen und Lizenz-Gebühren. Ein wichtiger Teil ihres Weizen-Programms besteht zudem darin, einen Hybrid-Weizen zu entwickeln, also eine nicht zur Wiederaussaat geeignete Sorten zu züchten, um die Bauern und Bäuerinnen vom Nachbau abzuhalten. Ein Ende des Nachbaus beim Weizen aber heißt: eine noch größere Abhängigkeit von Konzern-Interessen.
Von Eva Gelinsky und Hans-Dieter von Frieling
Das Thema „Nachbau-Gebühren“ bei Getreide werde über kurz oder lang Geschichte sein, so konnte man im Mai 2016 im Internet-Portal des Branchendienstes Top Agrar lesen. Damit ist natürlich nicht gemeint, dass die Nachbau-Gebühren für diese Arten abgeschafft werden sollen, im Gegenteil. Wenn sich der „illegale“ bäuerliche Nachbau nicht auf rechtlichem Weg verhindern lässt, dann wird es eben auf biologische Weise versucht. Hybrid-Getreide lässt sich schließlich nicht sorten-echt vermehren. Was bei Fremdbefruchtern wie Roggen gut funktioniert – hier beträgt der Hybrid-Anteil bereits über 75 Prozent – soll nun endlich auch beim Selbstbefruchter „Weizen“ klappen. Europa-weit sei Hybridweizen mit ca. 500.000 ha Anbaufläche bereits eine „Erfolgsgeschichte“ und in Deutschland ein „Zukunftsmarkt“ (derzeit ca. 20.000 ha), erklärte Gero Heumann von der SAATEN-UNION, der Vertriebsorganisation mittelständischer Pflanzen-Züchter.
An dieser „Erfolgsgeschichte“ wollen offensichtlich viele Unternehmen teilhaben. Seit 2009 arbeiten einige der ganz Großen – darunter MONSANTO, BAYER, SYNGENTA, BASF, KWS, VILMORIN und DUPONT PIONEER – (teilweise wieder) an der Entwicklung von Hybrid-Weizen. An vollmundigen Versprechen mangelt es nicht. So wollen BAYER und SYNGENTA die ersten Sorten bereits ab 2020 auf den Markt bringen, wobei der schweizer Agro-Riese das Spitzenumsatz-Potenzial laut Medien-Mitteilung vom September 2015 auf über drei Milliarden US-Dollar taxiert. Doch sind die Erfolgsaussichten für die Unternehmen tatsächlich so rosig? Zweifel sind angebracht. Zum einen ist der Ertragszuwachs der Hybrid-Gewächse, der sogenannte Heterosis-Effekt, bei Selbstbefruchtern kleiner als bei Fremdbefruchtern. Bei Hybridweizen soll er z. B. nur bei rund 10 Prozent liegen, bei Hybrid-Roggen sind dagegen Steigerungen bis zu 280 Prozent möglich. Die SAATEN-UNION selbst bemerkt, dass die LandwirtInnen, angesichts der um 60 Prozent höheren Aussaat-Kosten von Hybrid-Getreide, unter Umständen mit leistungsfähigen Liniensorten die bessere Wahl treffen würden. Zum zweiten besteht das Problem, dass die Erzeugung von Hybrid-Saatgut komplex ist und im großen Maßstab einen solchen Hybrid-Mechanismus erfordert, durch den Selbstbefruchtung ausgeschlossen und eine Kreuzbefruchtung gesichert wird.
Die Möglichkeiten der Hybrid-Züchtung bei Winter-Getreide sind:
• Manuelle Kastration. Diese ist bei Getreide zu aufwendig und kommt deshalb nicht in Frage.
• Chemische Kastration der Mutterlinien über das Versprühen chemischer Stoffe (Gametozide). Auch dieses Verfahren ist aufwendig, zudem im Ergebnis unsicher und kritisch, weil man die Übertragung des toxischen Stoffes auf die Hybriden vermeiden muss. Bisher ist nur ein Wirkstoff in der EU zugelassen. Dieser darf nur in Frankreich angewendet werden.
• Genetische Eingriffe, vor allem über die Cytoplasmatische Männliche Sterilität/CMS. Bei diesem Verfahren werden in der Mutterlinie Mutationen induziert, die zu männlicher Unfruchtbarkeit führen. Hier besteht allerdings das Problem, dass diese Ausschaltung der Selbstbefruchtung nicht immer vollständig gelingt und eine aufwendige Selektion der männlich sterilen Pflanzen notwendig ist. Zudem muss anschließend die männliche Fertilität (das natürliche Reproduktionssystem) mittels einer Restorer-Linie wiederhergestellt werden.
• Hoffnungsträger sind aktuell verschiedene gentechnische Ansätze, welche die Sterilität durch die Veränderung des Genoms erzeugen sollen. Ein Problem ist jedoch bislang, dass in den fertigen Hybriden das transgene Event noch enthalten ist. Das Ergebnis wäre ein GV-Hybridweizen.
All diese Methoden haben nicht nur verschiedene technische Tücken – das soll nach ExpertInnen-Meinung auch für die neuen gentechnischen Ansätze gelten – sondern sie sind auch (noch) zu teuer für eine Saatgut-Produktion im großen Maßstab. Ob es den angekündigten Durchbruch in den nächsten Jahren also tatsächlich geben wird, ist zumindest fraglich. Die aktuellen Entwicklungen sollten dennoch aufmerksam und kritisch verfolgt werden. Denn die Politik fördert die Hybridweizen-Züchtung massiv, und die großen Saatgut-Konzerne haben die (Hybrid-)Weizenzüchtung (wieder-)entdeckt und viel Geld investiert. So gibt es allein in Deutschland seit 2007 mindestens ein Dutzend öffentlich (mit)finanzierte Forschungsprojekte wie etwa zur Entschlüsselung des Weizengenoms, zu neuen CMS-Verfahren (z. B. „Gene-Splitting“) und zu Vorhersagen der Hybrid-Leistung. Auch auf der internationalen Ebene ist die Politik aktiv geworden und unterstützt Forschungsgroßprojekte zur Weizen- und vor allem Hybridweizenzüchtung, darunter die 2014 gegründete International Wheat Yield Partnership (IWYP). Ziel ist eine Steigerung der Weizen-Erträge um 50 Prozent bis 2034. In den ersten fünf Jahren sollen 100 Mio. US$ bereitgestellt werden. Das Projekt arbeitet in enger Kooperation mit privaten Unternehmen wie BAYER, DUPONT PIONEER, DOW AGROSCIENCE, SYNGENTA und KWS. Die Saatgut-Konzerne versuchen, sich den exklusiven Zugang zu weizen-genetischen Ressourcen zu sichern, einerseits durch Kooperationsverträge mit Universitäten und Forschungsinstituten, andererseits durch den Aufkauf von Unternehmen. Zu den Sorten und Linien, die sich in der Hand der großen Multis befinden, erhalten kleinere Unternehmen kaum oder gar keinen Zugriff mehr. Aufgrund ihrer Kapital-Ausstattung können die Großen mehr Geld in die Forschung und Entwicklung investieren als kleinere Firmen und haben bessere Möglichkeiten, um intellektuelle Eigentumsrechte durchzusetzen. Und je mehr Patente angemeldet werden, desto unübersichtlicher und riskanter wird es für kleinere Unternehmen, die selbst in diesem Bereich der Züchtung aktiv sind.
Fazit: Auch ohne den großen Durchbruch könnten die aktuellen Entwicklungen im Bereich der (Hybrid-)Weizenzüchtung gravierende Folgen haben: 1. Die Verfügbarkeit und Vielfalt bei Weizen-Saatgut dürfte deutlich eingeschränkt werden, da es kleinere Unternehmen in Zukunft (noch) schwerer haben werden, sich auf dem von den ganz Großen dominierten Markt zu behaupten. 2. Der letzte Bereich, in dem noch nennenswert Nachbau möglich ist, verschwindet. Die Abhängigkeit der LandwirtInnen von den Saatgut-Konzernen wächst weiter.
Eva Gelinsky ist politische Koordinatorin der INTERESSENSGEMEINSCHAFT GENTECHNIK- FREIE SAATGUT-ARBEIT
Hans-Dieter von Frieling ist Wirtschaftsgeograf