Drugs & Pills
BAYERs Hormonspiralen unter Beobachtung
MIRENAs dunkle Seele
Die Europäische Arzneimittel-Agentur EMA überprüft zurzeit MIRENA und andere Hormonspiralen des BAYER-Konzerns. Die Medizin-Produkte stehen im Verdacht, Depressionen und andere psychische Erkrankungen zu befördern.
Von Jan Pehrke
„Für meine Psyche war die Verwendung der Hormonspirale eine Katastrophe. Wie viele andere Frauen litt ich unter der Hormonspirale an heftigen Depressionen, weder Antidepressiva noch Gesprächstherapie halfen. Erst nach dem Entfernen der Hormonspirale ging es ständig aufwärts“, das sagte Dr. Beate Kirk auf der letzten BAYER-Hauptversammlung über das Verhütungsmittel MIRENA mit dem Wirkstoff Levonorgestrel. BAYER-Chef Werner Baumann reagierte wie immer in solchen Fällen. Er fand ein paar persönliche Worte, blieb in der Sache aber hart. „Wir bedauern es sehr, dass Sie persönlich eine Beeinträchtigung ihrer Gesundheit erlitten haben, die Sie in Zusammenhang mit der Verwendung unseres Produktes bringen. Das Nutzen/Risiko-Profil von MIRENA ist allerdings positiv“, so der Vorstandsvorsitzende.
Nur musste der Manager im Weiteren leider kleinlaut einräumen, dass die Aufsichtsbehörden eher die Meinung von Beate Kirk teilen und BAYER aufgefordert haben, Daten zu einem möglichen Zusammenhang zwischen den levonorgestrel-haltigen Hormonspiralen MIRENA, JAYDESS und KYLEENA und Symptomatiken wie Panik-Attacken, Angst-Zustände, Unruhe-Zustände und Schlafstörungen zu übermitteln. Das tat der Konzern auch, aber die Informationen reichten der Europäische Arzneimittel-Agentur EMA jedoch nicht. Sie verlangte im Juni 2017 von dem Unternehmen, noch einmal nachzuliefern. Von sich aus hätte die EMA allerdings nicht reagiert. Den Anstoß zu dem Verfahren gab eine Petition, die mit Katharina Micada eine Vorgängerin Beate Kirks als Hauptversammlungsrednerin initiiert hatte.
Aber auch andere Risiken und Nebenwirkungen der Hormonspiralen nehmen die Behörden jetzt verstärkt in den Blick. So hat das „Bundesinstitut für Arzneimittel und Medizin-Produkte“ die sogenannten Intrauterin-Systeme des Leverkusener Multis wegen des Auslösens von Seh-Störungen unter Beobachtung gestellt. Damit droht die lange Liste der Gegen-Anzeigen – unter anderem finden sich Herzrasen, Bauch-Krämpfe, Oberbauch-Schmerzen, Zysten, Menstruationsbeschwerden, Akne und Migräne darauf – noch länger zu werden.
BAYER jedoch verkauft MIRENA, JAYDESS und KYLEENA ohne Rücksicht auf diese Verluste weiter. Die Gründe dafür liegen auf der Hand. Mit einem Umsatz von über einer Milliarde Euro pro Jahr gehören die Hormonspiralen zu den erfolgreichsten Pharma-Produkten des Leverkusener Multis. Dazu tragen nicht zuletzt äußerst fragwürdige Marketing-Methoden bei. Der Global Player hebt etwa verkaufsfördernd die niedrige Dosierung und lokale Wirkung hervor, obwohl sich bei Frauen, die mit MIRENA verhüten, eine höhere Levonorgestrel-Konzentration im Blut nachweisen lässt als bei solchen, die Levonorgestrel in Pillen-Form einnehmen. Zudem hat der Konzern ein umfangreiches Netzwerk von medizinischen Mietmäulern aufgebaut, welche die Hormonspiralen bei Fortbildungsveranstaltungen und anderen Gelegenheiten anpreisen.
Ob dem Leverkusener Multi diese Pflege der medizinischen Landschaft weiterhin zu Millionen-Gewinnen verhilft, entscheidet sich im Oktober. Dann will die EMA ihr Votum in Sachen „MIRENA“ bekannt geben.