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[Schneider/Misereor] Hauptversammlung 2017

CBG Redaktion

Sarah Schneider (MISEREOR) Monsanto/ Doppelte Pestizid-Standards

Sehr geehrte Damen und Herren Aktionäre, sehr geehrte Mitglieder des Vorstands und des Aufsichtsrats,

ich bin Sarah Schneider, Referentin für Landwirtschaft und Welternährung bei MISEREOR, dem Hilfswerk der katholischen Kirche. Misereor setzt sich seit 1958 gegen Armut und den Hunger in der Welt ein und arbeitet dafür mit zahlreichen Organisationen in Afrika, Asien und Lateinamerika zusammen. In den letzten Jahren berichten Partnerorganisationen zunehmend von Gesundheits- und Umweltschäden durch Pestizide, vom Verlust bäuerlicher Saatgutsorten durch die Ausbreitung von genmanipuliertem Saatgut und Hybridsaatgut, und vom politischen Druck der Agrarkonzerne auf die Regierungen im globalen Süden.

Besondere Sorge besteht anlässlich der geplanten Fusion zwischen Bayer und dem US-Konzern Monsanto. Wenn die Fusion zustande kommt, würde Bayer zum größten Saatgut- und Pestizidhersteller und würde 25 Prozent des Pestizidmarktes und 30 Prozent des Saatgutmarktes kontrollieren. Angesichts der Marktkonzentration und des verringerten Wettbewerbs wird die Fusion sehr kritisch beobachtet. Steigende Preise, weniger Auswahl an Produkten und erhöhte Abhängigkeit der Bäuerinnen und Bauern wären die Folge. Technologische Pakete, bei denen Saatgut und Pestizide aufeinander abgestimmt sind, würden in Zukunft verstärkt vermarktet oder sogar alternativlos angeboten.

Entsprechend habe ich folgende Fragen:
1) Die immensen Übernahmekosten müssen refinanziert werden. Auf den Saatgut- und Pestizidmärkten in Nordamerika und Europa ist kaum noch Wachstum möglich und es lassen sich nur noch wenige zusätzliche Gewinne abschöpfen. Wie plant Bayer die Übernahmekosten von 66 Mrd. US-$ zu refinanzieren?
2) Wie werden mögliche Risiken der Fusion für die Gewährleistung des Menschenrechts auf Nahrung erhoben?

Eine weitere Frage, die sich angesichts der Fusion auftut, ist die der Unternehmensverantwortung. Bayer ist selbst in Menschenrechtsverletzungen durch die Vermarktung von hochgefährlichen Pestiziden im globalen Süden verwickelt. Monsanto hat weltweit einen sehr schlechten Ruf und ist insbesondere für sein skrupelloses Geschäftsmodell, Gentechnik, Glyphosat, Umweltschäden und Menschenrechtsverletzungen bekannt. Für Lobbyarbeit gab Monsanto 4,3 Millionen US$ im Jahr 2015 aus, mehr als jedes andere Unternehmen aus dem Agrarbereich. Viel negative Öffentlichkeit gab es im Oktober 2016 in Den Haag, als die internationale Zivilgesellschaft Monsanto einen symbolischen Prozess machte. Fast 30 Zeugen und Experten aus der ganzen Welt hatten vor den Richtern des Monsanto-Tribunals gegen die Geschäftspraktiken und Produkte von Monsanto ausgesagt. Im April, vor wenigen Tagen, wurde das Urteil des Monsanto-Tribunals verkündet: Monsanto ist für Verletzungen des Menschenrechts auf Gesundheit, auf Nahrung und des Rechts auf eine saubere Umwelt verantwortlich und wurde wegen Verbrechen gegen die Menschlichkeit und Umweltzerstörung für schuldig befunden. Des Weiteren wird die Notwendigkeit betont, „Unternehmen wie Monsanto als zu verklagende Rechtssubjekte anzusehen und folglich beim Verstoß fundamentaler Rechte juristisch gegen sie vorzugehen.“

Daraus ergeben sich folgende Fragen:

1) Durch die Fusion übernähme Bayer die Verantwortung für die Menschenrechtsverletzungen von Monsanto und wäre in Zukunft der Adressat für Klagen gegen den bisherigen US-Konzern. Wie wird sich Bayer auf diese Verantwortung vorbereiten?
2) Bildet Bayer Rückstellungen für die Altlasten von Monsanto?
3) Umfasst die Versicherung der Bayer AG mögliche Schadensersatzansprüche oder Geldbußen, die aus Verfahren gegen Monsanto resultieren könnten?
4) Bis zu welcher Höhe werden solche Schäden gedeckt?
5) Wird Bayer seine Rechtsschutzversicherung erhöhen?
6) Wie wird Bayer den Reputationsverlust durch die Fusion mit Monsanto ausgleichen? Verfügt Bayer über eine Strategie, seine Unternehmenspolitik nachweisbar sozialer und ökologisch nachhaltig auszurichten?

Ein weiteres Thema, das Misereor mit Sorge verfolgt, ist Bayers Export von hochgiftigen Pestiziden in den globalen Süden. Bayer vertreibt dort Pestizide, die auf dem europäischen Markt aufgrund nachgewiesener Gefahren längst verboten sind. Einem aktuellen Bericht der Vereinten Nationen zufolge sterben 200.000 Menschen jährlich an akuten Pestizidvergiftungen. 99 Prozent dieser Todesfälle ereignen sich in Entwicklungsländern. Gründe dafür sind die fehlende Regulierung des Pestizidhandels und -einsatzes durch die Regierungen sowie die mangelhafte Aufklärung der Anwender über die Gefahren der Pestizide für Mensch und Umwelt. Die Menschenrechte auf Leben, sichere und gesunde Arbeitsbedingungen, Wasser, Nahrung und Gesundheit sind dadurch bedroht.

Deutlich werden die Folgen des unkontrollierten Pestizideinsatzes in Indien, im Bundesstaat Punjab. Untersuchungen zeigen die Pestizidbelastung des Wassers, der Nahrung, und auch in Muttermilch wurden Pestizid-Rückstände nachgewiesen. Studien geben Anlass zur Annahme, dass die erhöhten Krebsraten der Region und andere Gesundheitsbeeinträchtigungen mit der massiven Pestizid-Nutzung zusammenhängen. Auch hochgiftige Pestizide von Bayer kommen im Punjab zum Einsatz. Nach den Recherchen des Europäischen Zentrums für Verfassungs- und Menschenrechte (ECCHR), unterstützt von MISEREOR und Brot für die Welt, trägt Bayer nicht ausreichend Sorge, dass Bauern und Bäuerinnen über die Gefahren der Pestizide und über die nötigen Schutzmaßnahmen informiert sind. Dies obwohl sich Bayer in seiner Product Stewardship Policy verpflichtet, die Herstellung und den Vertrieb von Pestiziden gemäß dem Internationalen Verhaltenskodex für Pestizidmanagement der Vereinten Nationen zu führen.

Im Oktober 2015 hat das Europäische Zentrum für Verfassungs- und Menschenrechte bei der Welternährungsorganisation der Vereinten Nationen einen Monitoring-Bericht eingereicht. Der Bericht beruht auf einer Befragung von Bauern und Händlern zur Verwendung von unter anderem vier Pestiziden, die vor Ort von Bayer vertrieben werden: Larvin, Nativo, Confidor und Regent. Nach den Ergebnissen des Berichts liegen Anhaltspunkte dafür vor, dass Bayer in Indien sowohl Bestimmungen des Verhaltenskodexes zum Pestizid-Management, als auch die indische Gesetzgebung verletzt. Im April 2017 hat sich das Expertengremium der Welternährungsorganisation in Neu Delhi getroffen, um mögliche Verstöße gegen den Kodex zu prüfen und Empfehlungen an Bayer zu richten. Bayer wird sein Handeln daraufhin überprüfen bzw. verändern müssen.

Deswegen habe ich folgende Fragen:

1) CropLife hat an dem Treffen mit dem Expertengremium in Indien teilgenommen. Gibt es bereits Empfehlungen vom Gremium und wie lauten diese? Was wird Bayer entsprechend machen?
2) Wurden bereits Maßnahmen getroffen, um die möglichen Verletzungen des Internationalen Kodexes und der indischen Gesetzgebung zu beheben und in Zukunft zu vermeiden?
3) Wie und auf welcher Grundlage entscheidet die Bayer AG darüber, ob ein Produkt von einem ausländischen Markt genommen werden muss, da eine Anwendung nicht ohne Gesundheitsschäden gewährleistet werden kann?

Das für den Bericht untersuchte Produkt, das Fungizid Nativo, wurde in Deutschland hergestellt, nach Indien exportiert und dort noch im Jahr 2016 verkauft. In der EU darf dieses Produkt nur mit der Warnung verkauft werden, dass die aktive Substanz das Kind im Mutterleib möglicherweise schädigen kann. Auf dem Etikett und auch in der Gebrauchsanleitung des in Indien vermarkteten Produkts fehlt dieser Hinweis. Falsch etikettierte Pestizide sind in Indien strafbar nach Sektion 3 des indischen Pflanzenschutzgesetzes. Eine diesbezügliche Anzeige bei der zuständigen indischen Behörde ist daher derzeit anhängig.

Aber nicht nur in Indien, sondern auch in Deutschland lief ein Verwaltungsverfahren. Im Oktober 2016 hatte das Europäische Zentrum für Verfassungs- und Menschenrechte die Landwirtschaftskammer Nordrhein-Westfalen (LWK NRW) in einer Ordnungswidrigkeitsanzeige aufgefordert, die Geschäftspraktiken der deutschen Bayer AG zu untersuchen. Der Pflanzenschutzdienst sollte prüfen, ob die Bayer AG beim Vertrieb des giftigen Pflanzenschutzmittels Nativo 75 WG gegen internationale Handels-Richtlinien für Pestizide verstößt. Das Deutsche Pflanzenschutzgesetz verlangt, dass bei der Ausfuhr von Pestiziden Warnhinweise, die für den Schutz der menschlichen Gesundheit notwendig sind, auf den Behältnissen aufgebracht sind. Dadurch wurde die LWK auf doppelte Standards bei der Vermarktung von Pestiziden aufmerksam gemacht und die Notwendigkeit betont, Exporte genauer zu untersuchen. In Folge hat die LWK eine Kommission eingesetzt, um Exporte in Zukunft besser zu überprüfen.

In diesem Zusammenhang ergeben sich folgende Fragen:

1) Auf den aus Deutschland versandten Big Packs ist das Label noch in Ordnung, bei den in Indien vermarkteten Produkten aber nicht. Warum trifft Bayer nicht die nötigen Maßnahmen, auch die Menschen in Indien angemessen zu informieren? Oder wird Bayer die nötigen Maßnahmen einleiten und welche wären das?

Die geschilderten Gesundheits- und Umweltschäden sollten eigentlich reichen, damit Bayer seine Praxis ändert. Da hier aber häufig finanzielle Interessen den Ausschlag für eine Politikänderung geben, noch ein weiteres Argument. Die geschilderten Fakten deuten stark auf potenzielle Gesetzesverletzungen hin. Es ist daher im Interesse der anwesenden Aktionäre zu erfahren, wie die Bayer AG mit diesen Hinweisen umzugehen gedenkt, damit sich die geschilderten Umstände nicht in der Sektion rechtliche Risiken und produktbezogene Auseinandersetzungen im nächsten Jahresbericht wiederfinden.

Im Ergebnis widerspreche ich zu Punkt 2 und 3 der Tagesordnung den Vorschlägen des Vorstands und des Aufsichtsrats. Daher fordere ich die anderen Aktionäre auf, weder den Vorstand noch den Aufsichtsrat zu entlasten.