Sibylle Arians
Herr Dekkers,
Sehr geehrte Damen und Herren!
Nach allem was ich heute hier gehört habe, bin ich erschüttert. Erschüttert und empört!
Letztes Jahr war ich erstmals auf der BAYER-HV. Ich war in vielerlei Hinsicht beeindruckt, aber nicht wirklich überrascht davon, dass die Unternehmenstätigkeit orientiert ist a finanziellem Erfolg um nahezu jeden Preis. – Die Behauptung, Verbrauchersicherheit stünde an oberster Stelle, das Unternehmen würde sich an Verhaltenscodices und nationale Gesetze halten, spricht dem Leid derer Hohn, die hier über ihr Schicksal berichtet haben. –
Am nachhaltigsten aber hat mich der Eindruck beschäftigt, Herr Dekkers, den Sie bei mir hinterlassen haben.
Ja, Sie hören richtig, Herr Dekkers!
Sie verkündeten letztes Jahr, dass Sie ihren Vorstandsposten bei BAYER 2016 aufgeben wollen. Als Grund dafür gaben Sie an, dass eine Ihrer Töchter in den USA studieren wolle und dass Sie mit der jungen Frau dorthin gehen werden. Welch ein treusorgender Vater, wird manch einer der Anwesenden gedacht haben.
Mir ging es anders, ich war irritiert. Und je länger ich darüber nachdachte, desto wütender machte es mich, Herr Dekkers, dass Sie Ihre eigenen Tochter anscheinen wie den eigenen Augapfel hüten, aber kaltlächelnd darüber hinweggehen, dass andere Väter ihre Töchter verlieren, nachdem sie von BAYER produzierte, Drospirenon-haltige Anti-Babypillen eingenommen haben. Sie sagten, sinngemäß, solange Prozesskosten deutlich geringer sind als Gewinnerwartungen, gebe es keinen Grund, (noch) zugelassene Mittel vom Markt zu nehmen.
Wie zynisch ist das! – Habe ich Sie da wirklich richtig verstanden?
Ich stimme Herrn Schickedanz vollkommen zu, der vorhin hier sehr emotional und klar und mutig dies angegriffen hat. Vielen Dank, Herr Schickedanz.
Herr Dekkers, ich wünsche Ihrer Tochter in den USA und für den Rest ihres Lebens alles Gute.
Auch Ihnen wünsche ich etwas: Ich wünsche Ihnen eine Tochter, die klug und mitfühlend ist. Eine Tochter die erkennt, wie ihr im Privaten treusorgender Vater im Beruf andere Töchter ind Lebensgefahr bringt und die Trauer der verwaisten Väter ignoriert. Ich wünsche Ihnen, dass Ihre Tochter sich abwendet von Ihnen, so dass auch Sie den Verlust Ihres Kindes erleben müssen – mit dem Unterschied, dass Ihre Tochter lebt und Ihr schlechtes Gewissen bleibt!
Wer weiß, vielleicht bewirkt das ja doch einen Gesinnungswandel. So mancher soll ja vom „Saulus“ zum „Paulus“ geworden sein.
An diesen Gedanken dockt meine Frage an die Herren und die wenigen Damen des Vorstands und des Aufsichtsrates an:
Angesichts der allein heute hier vorgetragenen Risiken, Ungeheuerlichkeiten, ja in meinen Augen Verbrechen müssten eigentlich alle verantwortungsbewussten Aktionäre sofort ihre BAYER-Aktion abstoßen und in Bereichen investieren, die ethisch einwandfrei sind. Das könnte durchaus negative Auswirkungen auf die Jahresabschlüsse haben. – Zu Beginn war heute mehrfach davon die Rede, es müssten wieder mehr Risiken eingegangen werden. Das finde ich auch, allerdings unter anderen Vorzeichen, denn mir wird schlecht beim Gedanken daran, was meine Vorredner heute damit gemeint haben!
Könnten Sie sich vorstellen, das Risiko einzugehen, das Unternehmensmotto „Science For A Better Life“ so ernst zu nehmen, dass Ethik und Ökonomie über jeden Zweifel erhaben in Einklang gebracht werden?
In welcher Weise könnte das geschehen, so dass BAYER im Zuge der Divestment -Bewegung, die ja erst noch am Anfang steht, gestärkt anstatt geschwächt wird?
Ich danke Ihnen für die Aufmerksamkeit.