ECCHR: mündliche Stellungnahme zur Bayer AG Hauptversammlung 2016 von Mani Prakash (Anwältin aus Bombay/Indien)
Sehr geehrte Damen und Herren Aktionäre, Sehr geehrte Mitglieder des Vorstands und Aufsichtsrats,
ich bin eine Anwältin aus Bombay. Vor Kurzem habe ich mehrere Dörfer in Indien besucht um mir selbst ein Bild zu machen von den Vorteilen der Pestizidnutzung durch die örtlichen Bauern. Zu meiner Überraschung musste ich feststellen, dass Bayer in diesen Dörfern erhebliche Verletzungen nationaler und internationaler Gesetze und Standards vorgeworfen werden kann.
Diese Verletzungen können in Indien durchaus zu hohen Bußgeldern führen, was auch für die hier anwesenden Aktionären relevant sein dürfte. Ich denke, dass es gute Gründe gibt davon auszugehen, dass sie alle von diesen Problemen und Rechtsverletzungen wissen. Ich frage mich daher welche Maßnahmen sie planen um im Interesse ihrer Aktionäre die Rechte der indischen Verbraucher zu schützen.
Die Tatsache, dass die Firma mit dem Slogan „Science for a Better Life“ wirbt, bringt mich zu der Frage wie sie über die Gesundheitsschäden an den Bauern, ihren Kindern, eigentlich ihrer gesamten Familie denken. Ich verstehe, dass sie eine Menge In Innovationen investiert haben, aber mich würde es doch sehr interessieren zu wissen, wie sie sicherstellen, dass all diese Innovationen korrekt angewendet werden anstatt die Gesundheit einer Vielzahl von Bauern zu beeinträchtigen.
Ich bin Anwältin in Indien und vertrete Bauern, Fischer, und Arbeiter vor dem Bundesverfassungsgericht und Landgerichten im Rahmen meiner Arbeit für die indische Menschenrechtsorganisation Human Rights Law Network. Ich und meine Kollegen haben im Rahmen unserer Pestizidarbeit Feldstudien in Punjab und Uttar Pradesh, zwei indische Bundestaaten, durchgeführt.
Vor einigen Wochen habe ich daher Lucknow besucht, die Hauptstadt von Uttar Pradesh in Indien. Dort habe ich mit Bauern und deren Familien gesprochen über den Einsatz der Pestizide. Ich habe auch mit lokalen Pestizidhändlern geredet die viele Bayer Produkte anbieten. Mir wurde immer wieder erzählt, dass die Pestizid-Unternehmen weder Schutzkleidung zur Verfügung stellen noch Informationen bezüglich der Gesundheitsrisiken.
Die Bauern dort haben viele Jahre ohne jegliche Schutzmaßnahmen mit Pestiziden gearbeitet. Mittlerweile erkennen sie die Folgen des kontinuierlichen ungeschützten Kontakts mit Pestiziden: Hautreizung, Kopfschmerzen, Übelkeit, Fieber, und gebrochene Nägel. Besonders problematisch ist, dass viele Kinder auf den Äckern und auch beim Sprühen von Pestiziden helfen. Auch sie leiden dann unter brennenden Augen und Hautproblemen. Ein weiteres großes Problem ist die Entsorgung der Pestizid-Flaschen. Üblicherweise werden die gebrauchte Flaschen wiederverwendet in Küchen oder gar Toiletten.
Deswegen habe ich folgende Fragen:
1. Wie überwacht Bayer in Indien, dass ihre Produkte nicht von Kindern eingesetzt werden?
2. Welche Maßnahmen trifft Bayer damit Kinder auch im Übrigen nicht der Toxizität der Pestizide ausgesetzt sind?
3. Arbeitet Bayer mit der indischen Regierung zusammen, damit die gebrauchten Pestizidflaschen angemessen ensorgt werden? Welche Angestellte oder welches Gremium innerhalb Bayer ist zuständig für die gerechte Entsorgung der Flaschen in Indien?
Die Bauern verlassen sich ausschließlich auf die Information die sie von lokalen Händlern erhalten. Diese geben allerdings nur Angaben über anzuwendende Mengen und Anbausorten. Sie geben hingegen keinerlei Informationen zu Gesundheitsrisiken oder Schutzmaßnahmen. Für falsche Beratung bezüglich Anbau und Anwendung auf verschiedene Pflanzensorten durch lokale Verkäufer haben indische Gerichte Pestizid-Unternehmen bereits haftbar gemacht. Das bedeutet die Pestizidunternehmen müssen einstehen für mangelndes Wissen und unzureichende Vermittlung relevanter Informationen durch ihre Händler die als „Agents“ eingestuft wurden. Das muss auch für das Fehlen notwendiger Hinweise zu Gesundheitsrisiken und Schutzmaßnahmen gelten.
Lokale Händler haben mir bestätigt, dass Bayer keine Initiative zeigt Ihnen solche Informationen zu vermitteln oder überhaupt zu trainieren um Bauern angemessen beraten zu können. Bayer Vertriebspersonal besucht die lokalen Zwischen- und Einzelhändler zwar regelmäßig, allerdings nur um die Verkaufszahlen zu kontrollieren und zu steigern.
Deswegen haben wir folgende Fragen:
1. Wie kontrolliert Bayer ob deren autorisierte Händler vor Ort die Bauern angemessen beraten? Auf Grund welcher Kriterien werden die Händler von Bayer ausgesucht?
2. Wie viel Geld investiert Bayer in das Training von Händlern in Indien? Wie hoch ist der Anteil dieser Investition am jährlichen Marketingbudget?
3. Über wieviel autorisierte Händler verfügt Bayer in Indien. Wie viele von diesen wurden in 2015 trainiert und welchen Anteil am Training nahmen Gesundheits- und Sicherheitsaspekte ein?
4. Welche Angestellte oder welches Gremium innerhalb Bayer ist zuständig für die Durchführung der Trainings an Händler und Kunden in Indien?
Eine zu Lucknow vergleichbare Situation findet man in Punjab im Nordwesten von Indien. Angesichts eines hohen Anteils an Analphabetismus sind die Bauern auch dort nicht in der Lage die Gebrauchsanweisungen auf den Produkten zu lesen und zu verstehen. Die Bauern haben auch Schwierigkeiten die Farbkodierung oder Piktogramme zu verstehen welche die Toxizität der Produkte angeben.
Einige Produkte enthalten keine Sicherheitshinweise in der lokalen Sprache, Punjabi. Bauern erhalten kein Training – weder von der Regierung noch durch die herstellenden Firmen. Sie suchen den Rat von Händlern, aber auch hier verfügen die Händler selbst über ebensowenig Informationen bezüglich notwendiger Schutzmaßnahmen und Gesundheitsrisiken der Pestizide. Die Bauern berichten über Juckreiz und Brennen auf der Haut nach dem Sprühen und Mediziner in der Region berichten über eine Zunahme von Fruchtbarkeitsstörungen unter der weiblichen Bevölkerung.
In Indien gehören Bauern zu den niedrigeren Klassen der Gesellschaft. Es ist unerlässlich, dass die Schutzkleidung und -ausstattung gleichzeitig mit den toxischen Produkten verkauft bekommen. Schutzkleidung welche den Bauern für die Anwendung der Pestizide zugänglich sein sollte ist aber nicht erhältlich. Wenn einmal solche Ausrüstung verfügbar ist, macht der Preis von 20 bis 50 Rupien es für die meisten Bauern unerschwinglich. Folglich verwenden Bauern kaum solche Schutzmitteln.
Deswegen haben wir folgende Fragen:
1. Wieviel indische Bauern verwenden regelmäßig Bayerprodukte?
2. Wie viele dieser Bauern verfügen nach Bayers Erkenntnis über Schutzkleidung?
3. Wie viele von diesen Bauern wurden von Bayer im Jahr 2015 in der Anwendung trainiert? Wie viele Stunden dieser Trainings sind dabei Gesundheits- und Sicherheitsaspekten gewidmet?
4. Wie viel Prozent verwendet Bayer für Schutzkleidung und Training vom verfügbaren Budget für Marketing?
5. Viele Anwender von Pestiziden in Indien können weder lesen noch schreiben. Wie sorgt Bayer dafür, dass auch diese Kunden die Gesundheitsrisiken und Sicherheitsbestimmungen vermittelt bekommen?
Das Unterlassen der Unternehmen hat große Effekte auf das Leben der Bauern, da die meisten verschiedenste Gesundheitsproblemen haben. Auch ihre Familienmitglieder sind den Gesundheitsproblemen durch Pestizidkontakt zunehmend ausgesetzt, da die Bauern die Risiken nicht gut einschätzen können.
1. Wie überprüft Bayer, dass die empfohlenen Schutzmaßnahmen bei der Anwendung ihrer Produkte von den lokalen Bauern beachtet werden?
Schon mehrmals wurde die Problematik unsachgemäßer Anwendung und folgender Gesundheitsschäden bei verschiedensten Gerichte thematisiert. Aktuell ist eine Petition anhängig vor dem Landesgericht in Delhi um ein Verbot von 66 Pestiziden einzuklagen. Diese 66 Pestizide sind wegen der hohen Risiken in anderen Ländern bereits verboten. Das Gremium hat schon entschieden 18 dieser Pestizide von der Zulassung auszuschließen.
Mich interessiert in dieser Beziehung:
1. Einer der 66 Wirkstoffe ist Thiodicarb, schon längst nicht mehr zugelassen in der EU, aber dies wird im Moment noch von Bayer im Produkt Larvin in Indien verkauft. Angesichts der anhängigen Überprüfung möchte ich wissen, ob Bayer ein zukünftiges Verbot unterstützt?
Die persönlichen Geschichten der Bauern zeigen, dass es keinerlei Bemühungen der Firma gibt Gesundheit und Sicherheit der Bauern sicherzustellen. Weiter verkauft Bayer Pestizide in Indien ohne die notwendigen Warnungen und Etikettierungen. Wohlgemerkt ist dies nicht im Einklang mit bestehenden nationalen Gesetzen wie dem Insektizid- und Verbraucherschutzgesetzen was zu hohen Bußgeldern der Firma führen könnte.
Ich widerspreche zu Punkt 2 und 3 der Tagesordnung den Vorschlägen des Vorstands und des Aufsichtsrats. Daher fordere ich die anderen Aktionäre auf weder den Vorstand noch den Aufsichtsrat zu entlasten.
Berlin, April 2016