Christian Schliemann, ECCHR
Sehr geehrte Damen und Herren Aktionäre, Sehr geehrte Mitglieder des Vorstands und Aufsichtsrats,
Ich bin Christian Schliemann, Legal Advisor des European Center for Constitutional and Human Rights in Berlin und habe in den letzten zwei Jahren intensiv mit ausländischen Partnerorganisationen zu pestizidbedingten Gesundheits- und Umweltschäden in Indien und anderen Ländern gearbeitet. Auch Bayer trägt mit seinen Produkten zu diesen Gesundheits- und Umweltschäden bei. Meine Kollegin Mani Prakash wird noch näher über die Situation in Indien berichten und diesbezüglich Fragen an sie richten. Ich werde mich auf eine eher deutsche Perspektive beschränken.
Wie sie alle wissen, ist die BayerCropScience AG innerhalb Bayers für das Geschäft mit Pflanzenschutzmitteln zuständig. In ihrer Product Stewardship Policy verpflichtet sich Bayer die Herstellung und den Vertrieb von Pestiziden gemäß dem Internationalen Verhaltenskodex für Pestizidmanagement zu führen. Im Oktober 2015 hat meine Organisation mit weiteren europäischen und asiatischen Partnern bei der Welternährungsorganisation einen Monitoring Bericht eigereicht , der derzeit vom dortigen Expertengremium geprüft wird. Nach den Ergebnissen des Berichts liegen Anhaltspunkte dafür vor, dass Bayer in Indien sowohl Bestimmungen des Verhaltenskodexes zum Pestizidmanagement als auch die indische Gesetzgebung verletzt.
Der Bericht beruht auf einer Befragung von Bauern und Händlern zur Verwendung von unter Anderem vier Pestiziden die vor Ort von Bayer vertrieben werden: Larvin, Nativo, Confidor und Regent. Zwei dieser Pestizide habe ich heute hier dabei, wenn sie später einen Blick drauf werfen möchten. Die Produkte werden zwischen moderat und hochgefährlich eingestuft. Larvin mit dem Wirkstoff Thiodicarb ist zum Beispiel nicht mehr in der EU zugelassen wegen verschiedener Gesundheitsrisiken unter Anderem für Kleinkinder.
Der Monitoring Bericht zur Welternährungsorganisation hebt im Ergebnis hervor, dass Anzeichen dafür vorliegen, dass die Etikettierung der Pestizide die Bestimmungen des Internationalen Verhaltenskodex verletzt. Zum Beispiel ist die Beschriftung auf der Confidor-Flasche offensichtlich zu klein. Mehrere befragte Bauern konnten den Text daher überhaupt nicht lesen. Auch fehlen beim Kauf der Pestizide regelmäßig die Gebrauchsanleitungen so dass die Bauern keine Möglichkeit haben sich zu informieren. Schließlich lassen die Aussagen der Bauern zu fehlender angemessener Schutzkleidung und unzureichenden Trainings für Anwender und Verkäufer ebenfalls auf eine Verletzung des Kodexes schließen. Ich kann ihnen persönlich versichern, dass EIN Besuch in der Gegend genügt, um diese alltäglichen Gefahren in der Anwendungspraxis zu beobachten. Nachdem ich hier in der Präsentation ihre drei Videos angesehen habe, wollte ich noch darauf hinweisen, dass meine Organisation bei der FAO ebenfalls ein Video eingereicht hat mit Interviews von Bauern. Dort wird ein ganz anderes Bild gezeichnet, als jenes was wir gerade hier gesehen haben.
Ich hätte daher folgende Fragen:
(1) Wußten Mitglieder des Vorstands-und Aufsichtrates bereits vor dem Beschwerdebericht bei der Welternährungsorganisation von den Anwendungsbedingungen in Indien?
(2) Wie und durch welches Vorstandsmitglied oder Gremium erfährt die Bayer AG von unakzeptablen Anwendungsbedingungen für die Konsumenten in anderen Ländern wie beispielsweise Indien?
(3) Welche Maßnahmen wurden getroffen um die möglichen Verletzungen des Internationalen Kodexes und der indischen Gesetzgebung zu beheben und in Zukunft zu vermeiden?
(4) Welches Gremium oder welche Person innerhalb der Bayer AG war für diese Maßnahmen verantwortlich?
Rückstände der Pestizide finden sich im Punjab dann auch laut wissenschaftlichen Studien im Grundwasser, im Boden sowie in Blutproben von Bauern und Bäuerinnen. Schließlich ist die Zunahme von Gesundheitsschäden unter der ländlichen Bevölkerung sowie zunehmende Umweltverschmutzung sowohl in Berichten der Regierung als auch in weiteren Analysen ausführlich dokumentiert. Trotzdem wird in kleinen Städten wie Bathinda und Faridkot von Bayer Vertriebsmanagern eine aggressive Vermarktungspolitik betrieben. Dies steht im Widerspruch zu Art. 5 des Verhaltenskodexes der FAO. Dieser verlangt, dass Unternehmen Verantwortung übernehmen müssen für die Folgen ihrer Produkte, vor allem wenn staatliche Kontrollen und Regulierung im Gaststaat nicht ausreichend durchgeführt werden. Ist eine sichere Anwendung nicht zu gewährleisten sieht der Kodex vor, dass Unternehmen ihre Produkte in letzter Konsequenz vom Markt nehmen.
Hierzu eine weitere Frage:
1. Wer und auf welcher Grundlage entscheidet die Bayer AG darüber ob ein Produkt von einem ausländischen Markt genommen werden muss, da eine Anwendung nicht ohne Gesundheitsschäden gewährleistet werden kann?
2. Ist dies in Indien jemals erfolgt oder beabsichtigt für die Zukunft?
Dieses für den Bericht untersuchte Produkt, das Fungizid Nativo, wurde in Deutschland hergestellt, nach Indien exportiert und dort noch im Jahr 2015 verkauft. In der EU darf dieses Produkt nur mit der Warnung verkauft werden, dass die aktive Substanz das Kind im Mutterleib möglicherweise schädigen kann. Auf dem Etikett und auch in der Gebrauchsanleitung des indischen Bayer Produkts fehlt dieser Hinweis. Falsch etikettierte Pestizide sind in Indien strafbar nach Sektion 3 des indischen Pflanzenschutzgesetzes. Das ist der Fall, wenn auf Etiketten solche Warnungen fehlen, die notwendig sind um Risiken für Menschen zu vermeiden. Ein Hinweis auf vermutliche Reproduktionstoxizität stellt eine notwendige Warnung dar. Eine diesbezügliche Anzeige bei der zuständigen indischen Behörde ist daher derzeit anhängig.
Aber nicht nur in Indien, sondern auch in Deutschland liegt möglicherweise eine Rechtsverletzung vor. Das Deutsche Pflanzenschutzgesetz verlangt, dass bei der Ausfuhr von Pestiziden Warnhinweise die für den Schutz der menschlichen Gesundheit notwendig sind auf den Behältnissen aufgebracht sind. Fehlten Warnhinweise bei der Ausfuhr könnte dies als Ordnungswidrigkeit nach § 25 i.V.m. §69 zu qualifizieren sein.
In diesem Zusammenhang ergeben sich folgende Fragen:
1. Wie stellt der Vorstand oder ein anderes Gremium oder Angestellter der Bayer AG sicher, dass die Export-Vorschriften des deutschen PflSChG eingehalten werden?
2. Wie viel Nativo wurde im Geschäftsjahr 2015 nach Indien exportiert?
3. Wie wird sichergestellt, dass die erforderlichen Warnhinweise auf den in Indien vermarkteten Produkten aufgebracht sind?
Die Ergebnisse der FAO Beschwerde zeigen, dass Bayers Geschäftstätigkeit in Indien mit klaren Doppelstandards operiert und Konsumenten praktisch ungeschützt sind gegenüber Gefahren, die Bayer in Deutschland niemals zulassen würde.
Ich finde die Gesundheits- und Umweltschäden sollten eigentlich reichen um die oben geschilderte Praxis zu ändern. Da hier aber häufig finanzielle Interessen den Ausschlag für eine Politikänderung geben, noch ein weiteres Argument. Die geschilderten Fakten deuten stark auf potenzielle Gesetzesverletzungen hin. Es ist daher im Interesse der anwesenden Aktionäre zu erfahren wie die Bayer AG mit diesen Hinweisen umzugehen gedenkt, damit sich die geschilderten Umstände nicht in der Sektion rechtliche Risiken und produktbezogene Auseinandersetzungen im nächsten Jahresbericht wieder finden.
Auch hierzu zwei letzte Fragen:
1. Umfasst die Versicherung der Bayer AG Verletzungen des deutschen oder indischen Pflanzenschutzgesetzes durch die Firma wenn hieraus Schadensersatzansprüche oder Geldbußen resultieren?
2. Bis zu welcher Höhe werden solche Schäden gedeckt?
Im Ergebnis widerspreche ich zu Punkt 2 und 3 der Tagesordnung den Vorschlägen des Vorstands und des Aufsichtsrats. Daher fordere ich die anderen Aktionäre auf weder den Vorstand noch den Aufsichtsrat zu entlasten.
Mit Dank