Jan Pehrke (CBG): Arbeitsbedingungen bei BAYER
Sehr geehrte Damen und Herren!
Mein Name ist Jan Pehrke. Ich bin Journalist, gehöre dem Vorstand der COORDINATION GEGEN BAYER-GEFAHREN an und möchte heute zur Lage der Beschäftigten bei BAYER sprechen.
In dem vorliegenden Geschäftsbericht widmet BAYER auch der Belegschaft ein Kapitel. Es heißt darin, ich zitiere:
„Der wirtschaftliche Erfolg von BAYER beruht ganz wesentlich auf dem Wissen, Können, Engagement und der Zufriedenheit unserer Mitarbeiter.“
Von einer Zufriedenheit der Mitarbeiter kann aber nicht die Rede sein. Am Standort Grenzach etwa, wo BAYER 220 der 670 Arbeitsplätze vernichtet, fasste der Betriebsratsvorsitzende die Reaktion der Belegschaft so zusammen:
„Die Kollegen sind spürbar entsetzt, fassungslos und enttäuscht.“
Die Beschäftigten hatten viele Zugeständnisse gemacht, als BAYER den Betrieb im Jahr 2004 von ROCHE übernommen hatte. Beispielsweise nahmen sie Abstriche bei den Betriebsrenten-Ansprüchen hin. Und jetzt stellt sich heraus: Das war alles umsonst. In diesem Zusammenhang macht die Belegschaft auch dem Führungspersonal große Vorwürfe. Sie wirft den Managern vor, sich nach und nach aus dem Staub gemacht zu haben und die Arbeiter und Angestellten mit ihren Sorgen und Nöten allein gelassen zu haben.
Über die genauen Modalitäten des Arbeitsplatz-Abbaus laufen derzeit Verhandlungen zwischen Betriebsrat und Firmenleitung. Im Vorfeld der Gespräche hatte der Betriebsrat angekündigt, eine Standortsicherungsvereinbarung einzufordern. Dazu jetzt meine erste Frage:
Ist BAYER bereit, für Grenzach eine Standortsicherungsvereinbarung abzuschließen?
BAYER hat sich immer einiges auf solche Standortsicherungsvereinbarungen zugute gehalten. Da stellt sich mir die Frage, warum es in Grenzach nicht längst eine solche Vereinigung gibt. Und Grenzach ist kein Einzelfall: Für BAYER VITAL, BAYER Bitterfeld und unzählige andere deutsche Gesellschaften existiert ein solcher Vertrag ebenfalls nicht. Auch ist für diese Beschäftigten der Gesamtbetriebsrat nicht zuständig. Man kann also von einer 2-Klassen-Gesellschaft bei den BAYER-Beschäftigten sprechen. Dazu jetzt zwei weitere Fragen:
1. Kann der Vorstand mir alle deutschen Gesellschaften nennen, für die es keine Standortsicherungsvereinbarung gibt und mir die Gründe dafür nennen?
2. Für wie viele der rund 37.000 Beschäftigten an den deutschen Standorten ist der Gesamtbetriebsrat nicht zuständig?
Kommen schon nicht alle deutschen Beschäftigten in den Genuss der Standortsicherungsvereinbarung, so gehen diejenigen an den Standorten außerhalb Deutschlands ganz leer aus. Und das hat Konsequenzen. Zuletzt wurde das während der Trennung von BAYER MATERIAL SCIENCE deutlich. Da konnten sich die deutschen BMS-Beschäftigten auf die „Gesamtbetriebsvereinbarung zu Beschäftigungssicherung“ stützen, die für sie eine eine Arbeitsplatz-Garantie bis zum Jahr 2020 umfasste – also auch noch für die COVESTRO-Zeit galt. Für die BMS-Beschäftigten außerhalb Deutschlands gab es eine solche Gesamtbetriebsvereinbarung hingegen nicht. Diese Belegschaftsangehörigen sahen sich deshalb einer ungewissen Zukunft ausgesetzt. Die Beschäftigten von BAYER Antwerpen wollten sich das aber nicht bieten lassen, sie kämpften lange für eine Gleichbehandlung – und hatten schließlich auch Erfolg. Die Beschäftigten in den anderen europäischen oder außereuropäischen Ländern, die diesen Kampf nicht aufgenommen haben, müssen auf eine Arbeitsplatz-Garantie verzichten. Hieran anschließend möchte ich fragen:
Warum hat BAYER als global operierendes Unternehmen hier keine globale Lösung für alle ehemaligen Beschäftigten von BAYER MATERIAL SCIENCE gefunden?
Auch bei der Bezahlung gibt es große Differenzen. BAYER nimmt nicht nur wie selbstverständlich alle Vorteile wahr, die Billiglohnländer bieten, der Konzern macht auch innerhalb Europas feine Unterschiede. In Deutschland einigte er sich an der Seite der anderen Chemie-Arbeitgeber in den Verhandlungen mit der IG BERGBAU, CHEMIE, ENERGIE auf eine Entgelt-Erhöhung von 2,8 Prozent.
In Frankreich hingegen gibt keine solchen Verhandlungen für den gesamten Chemie-Bereich. Dort verhandeln die Gewerkschaften mit den einzelnen Unternehmen. Bei BAYER CROPSCIENCE sprang dabei nur ein Prozent mehr Lohn heraus. Zur Rechtfertigung führte BAYER an, eine größere Anhebung würde die Wettbewerbsfähigkeit einschränken und überdies zu wenig Geld für Investitionen in dem Land übrig lassen. Und überdies verwies er auch noch unverschämter Weise darauf, dass die Beschäftigten mit ein Prozent mehr angesichts einer Inflationsrate von 0,1 Prozent doch gut bedient seien.
Hierzu jetzt zwei Fragen:
1. Warum gefährdet eine Lohn-Steigerung, die über ein Prozent hinaus geht, in Frankreich die Wettbewerbsfähigkeit, in Deutschland aber nicht?
2. Wie legitimiert BAYER diese Ungleichbehandlung?
Den größten Unterschied, was sie Lage der Beschäftigen angeht, betrifft allerdings die Frage der Tarifverträge. Nur für etwas mehr als die Hälfte aller Belegschaftsmitglieder weltweit hat BAYER mit Gewerkschaften Tarifvereinbarungen abgeschlossen. Besonders düster sieht es in den USA aus. Dort gelten laut Geschäftsbericht nur für fünf Prozent der Beschäftigen Tarifverträge oder ähnliche Bestimmungen – Tendenz fallend. Im Jahr 2010 hatten noch 14 Prozent der US-amerikanischen BAYER-Beschäftigten Tarifverträge. Hierzu eine Frage:
Wie erklärt sich der Konzern diesen Rückgang?
BAYER hat 2009 in seinem Nachhaltigkeitsbericht erklärt, dass – ich zitiere –
die „Beschäftigten an allen Unternehmensstandorten die Möglichkeit haben, Arbeitnehmer-Vertretungen zu bilden“.
Da fragt man sich, warum sie sich dann freiwillig dieser Möglichkeit berauben sollten, obwohl es ihnen nur Nachteile bringt? Und das tun sie dann tatsächlich auch nicht, BAYER hilft stattdessen tatkräftig nach. Wenn in einem Betrieb die Gründung einer Gewerkschaftsgruppe ansteht, versucht der Konzern das mit allen Mitteln zu hintertreiben. Er trommelt die Belegschaft zusammen und warnt sie, eine solche Gründung gefährde das Werk und damit auch ihre Jobs. Am Standort Emeryville hat der Konzern Gewerkschaftler vor der Belegschaft sogar als Schmarotzer diffamiert, die es nur auf die Mitgliedsbeiträge der Beschäftigten abgesehen hätten. Auch müssen Gewerkschaftler bei Entlassungen immer als erste dran glauben wie etwa 2010 am Standort Berkeley. Zudem hat BAYER immer wieder bevorzugt Werke dichtgemacht, in denen Gewerkschaftler besonders aktiv waren. Hierzu jetzt meine abschließenden Fragen:
1. Wird BAYER diese Praxis beibehalten oder sich künftig an die eigenen Grundsätze halten?
und schließlich allgemeiner:
2. Wird der BAYER-Konzern die Praxis der Ungleichbehandlung der Belegschaft beibehalten und daraus weiter seine Vorteile ziehen oder wird er ihnen künftig überall – in Deutschland, Europa, Amerika und Asien – die gleichen Rechte einräumen?
Vielen Dank für ihre Aufmerksamkeit!