Corinna Hölzel, BUND
Sehr geehrte Aktionäre, sehr geehrter Bayer-Vorstand,
mein Name ist Corinna Hölzel, ich arbeite beim BUND und bin seit 10 Jahren Hobbyimkerin.
während ich hier stehe und zu Ihnen spreche, finden gleichzeitig auch in den USA, in Canada und in Großbritannien Proteste vor Bayer-Niederlassungen statt. Aktivistinnen und Aktivisten unserer Partnerorganisation Friends of the Earth demonstrieren vor dem Bayer Gebäude in Wahington DC, vor einer kanadischen Niederlassung in Montreal und vor dem britischen Bayer-Firmensitz in Newbury gegen bienengefährliche Pestizide.
Das hat einen guten Grund: Bayer stellt sogenannte Neonikotinoide her, die z.B. im Raps- und Obstanbau aber auch im Hobbygarten gegen Schädlinge eingesetzt werden. Neonikotinoide sind hochwirksame Nervengifte, die nicht nur Planzenschädlinge, sondern auch nützliche Insekten wie Honigbienen, Wildbienen und sogar Vögel und Säugetiere schädigen und töten. Bayer beruft sich zwar immer wieder auf die behördliche Eingruppierung mit dem Prädikat „nicht bienengefährlich“. Doch diese Einstufung ist längst nicht mehr zeitgemäß. Zahlreiche wissenschaftliche Studien haben eine Gefährdung von bestäubenden Insekten durch Neonikotinoide bewiesen. Die Gifte stören das Orientierungsvermögen und das Gedächtnis von Bienen. Und sie schwächen deren Immunsystem. Dadurch werden Honigbienen anfällig für Krankheiten und die gefürchtete Varroamilbe.
Eine Studie hat erst kürzlich gezeigt: In NRW ist in den letzten 15 Jahren die Biomasse der Fluginsekten um 80 Prozent geschrumpft. Die Neonikotinoide haben einen großen Anteil an diesem dramatischen Verlust.
Meine Frage: Wie reagiert Bayer auf Artenschwund und Rückgang von Insektenpopulationen, die als Kollateralschäden der Bayer-Produkte zu bewerten sind?
Wegen ihrer Gefährlichkeit hat die EU 3 Neonikotionoide teilweise schon verboten. Bayer will dies mit einer Klage vor dem Europäischen Gerichtshof wieder rückgängig machen. Ein weiteres Neonikotinoid ist Thiacloprid, auch von Bayer. Auch hier hat Bayer in den letzten Monaten intensive Lobbyarbeit betrieben, um Thiacloprid weiter in großen Mengen absetzen zu können. Leider geht das nicht nur auf Kosten der Bienen und der Umwelt, sondern es gefährdet auch die Gesundheit der Menschen. Bayer hat sich dafür stark gemacht, dass der Grenzwert – also die maximale Menge an Gift, die ein Lebensmittel noch enthalten darf – für Thiacloprid in Bienenhonig wieder angehoben wird. Das Argument dafür war: Thiacloprid ist ein wichtiger Baustein für die Schädlingsbekämpfung in vielen Anbaukulturen. Im Klartext heißt das: Thiacloprid wird viel und oft eingesetzt, also muss der Grenzwert dementsprechend angehoben werden.
Die EU-Kommission hat das Mitte April dann auch beschlossen. Bienenhonig darf dank Bayer 0,2 Milligramm Thiacloprid pro Kilogramm Honig enthalten. Das ist unverantwortlich! Wir alle wissen, dass besonders Kinder Honig lieben. Der höhere Grenzwert führt jetzt dazu, dass ein Kind bereits durch den Honigverzehr ein Drittel der akzeptablen Tagesdosis an Thiacloprid aufnimmt. Und nicht nur Honig ist Thiacloprid-verseucht. Auch Obst – was ebenfalls gern von Kindern gegessen wird – enthält Rückstände dieses Giftes. Thiacloprid kann vermutlich Krebs erregen und die Fortpflanzung schädigen. Honig ist ein Naturprodukt und sollte frei von allen Rückständen sein. Stattdessen sind ca. ein Drittel aller Honige mit Thiacloprid belastet.
Ich frage Sie: Ist Bayer tatsächlich der Meinung, dass sich ein Grenzwert für Lebensmittel am Absatz eines Pestizids und nicht an der Gefahr für die menschliche Gesundheit orientieren soll?
Findet es Bayer verantwortlich, angesichts der Tatsache, dass ein Kind durch Honig bereits ein Drittel der akzeptablen Tagesdosis aufnimmt, zu behaupten, dass dieser Honig „bedenkenlos verkauft werden kann“ und „keine Gefahr von Thiacloprid-Rückständen in Honig ausgeht“?
Und ganz offenbar ist Thiacloprid doch nicht so ungefährlich, wie Bayer gern behauptet.
Die Europäische Chemikalienagentur hat den Stoff im Frühjahr 2015 neu bewertet und als wahrscheinlich krebserregend (Kat. 2) sowie fruchtbarkeitsschädlich (Kat. 1B) eingestuft. Bayer musste darauf reagieren und ließ – angeblich aus strategischen Gründen – im August 2015 8 von 19 Thiaclopridhaltigen Produkte für den Hobbygarten widerrufen. Der Handel durfte noch bis Februar dieses Jahres die Produkte aus der Reihe Calypso, Lizetan und Etisso abverkaufen. Allerdings sind auch heute noch die nicht mehr zugelassenen Produkte im Handel. Auf mehreren Plattformen im Internet sind die widerrufenen Mittel weiterhin problemlos zu bestellen.
Der Verkauf an Hobbygärtner ist besonders kritisch, da man bei den Verbrauchern kein Fachwissen über die Gefährlichkeit und die Anwendung voraussetzen kann und unsachgemäße Anwendung oft vorkommen kann. Kinder können leicht mit den Mitteln in Kontakt kommen. Außerdem ist der Einsatz im Privatgarten nicht notwendig, da Schädlinge auch umweltfreundlich verdrängt werden können.
Ich frage Sie: Wann wird Bayer alle Thiaclopridhaltigen Produkte für den Hobbygarten widerrufen lassen?
Was unternimmt Bayer, um den Verkauf der nicht mehr zugelassenen Produkte zu stoppen?
Wann wird Bayer aus der Produktion der bienengefährlichen und gesundheitsschädlichen Neonikotinoide endgültig aussteigen?
Der BUND fordert Bayer auf, seine Klage gegen das Teilverbot von Neonikotinoiden fallen zu lassen und die Produktion dieser Mittel zu beenden. Nur so können wir das Bienensterben stoppen, Artenvielfalt erhalten und Honig wieder ein Naturprodukt sein lassen.
Ich danke Ihnen für Ihre Aufmerksamkeit.