Informationsdienst Gentechnik, 5. Januar 2016
Giftcocktails auf Sojabohnen
Kommende Woche stimmen die EU-Mitgliedstaaten über den Import weiterer Gentechnik-Pflanzen ab. Dabei geht es auch um zwei Sojavarianten, die je gegen zwei Herbizide resistent sind. Doch dieser Gift-Doppelpack kann das Risiko für Verbraucher und Tiere, die mit dem Soja gefüttert werden, vergrößern, meint ein Freiburger Toxikologe. Die Behörden untersuchten das aber nicht.
Die Sojapflanzen stammen von den Agrarkonzernen Monsanto und Bayer Cropscience. Ihre Gemeinsamkeit: beide sind gegen Unkrautvernichter mit dem umstrittenen Wirkstoff Glyphosat immun. Die Monsanto-Soja (MON87708 x MON89788) ist dank der im Labor eingebauten DNA zudem gegen Dicamba, einen weiteren Herbizidwirkstoff, resistent. Bayers Bohnen (FG72) können neben Glyphosat auch mit Isoxaflutol besprüht werden.
Der Toxikologe Wolfgang Reuter hält das für bedenklich. Denn die Giftmischungen könnten als Rückstände an den Sojabohnen haften bleiben – und so im Futtertrog von Tieren oder auch auf den Tellern von Verbrauchern landen. Kombinierte Effekte können laut Reuter auftreten, wenn Chemikalien dasselbe Organ schädigen, beispielsweise die Leber, oder sie denselben Wirkmechanismus haben. Sie können sich auch gegenseitig beeinflussen und so neue Effekte hervorrufen, die zuvor unbekannt waren.
Im Auftrag des Vereins Testbiotech aus München hat Reuter wissenschaftliche Untersuchungen zu den Herbiziden sowie Behördenpapiere ausgewertet. Gestern wurde das Gutachten veröffentlicht. Das Ergebnis: Dicamba und Isoxaflutol weisen Ähnlichkeiten zu Glyphosat auf, die ein gegenseitiges Hochschaukeln der Giftigkeit befürchten lassen. So gebe es sowohl für Dicamba als auch Glyphosat wissenschaftliche Hinweise auf eine erbgutschädigende Wirkung, auf Totgeburten bei Versuchstieren und auf eine Beeinflussung des Thymus. Dieses Organ ist wichtig für das Immunsystem.
Auch in den Studien zu Glyphosat und Isoxaflutol wurde Reuter fündig: beide Herbizide griffen die Leber von Versuchstieren an und führten zu Tumoren des Organs. Insgesamt gebe es zu Isoxaflutol aber nur wenige veröffentlichte Studien, die zudem überwiegend von der Industrie selbst durchgeführt worden seien.
Auf solchen Industrie-Untersuchungen beruhen häufig auch die Einschätzungen von Behörden wie der EFSA, die in der EU für die Risikobewertung von Pestiziden und gentechnisch veränderten Pflanzen zuständig ist. Kritiker monieren, dass kombinierte Effekte mehrerer Wirkstoffe dabei bislang keine Rolle spielen. „Die EU-Kommission hat uns mehrfach schriftlich versichert, dass die Herbizide, die bei den Sojabohnen eingesetzt werden, auf alle relevanten Risiken geprüft wurden“, kommentierte Testbiotech-Geschäftsführer Christoph Then, der Reuter beauftragt hatte. „Wir sind daher nicht nur über das Ergebnis des toxikologischen Gutachtens besorgt, sondern auch schockiert von der Art und Weise, wie die EU-Kommission mit diesen Gesundheitsrisiken umgeht.“
„Es sieht so aus, als ob die Stellungnahmen der EU-Kommission der gezielten Desinformation dienen sollten“, so Then. Er forderte, den Gentechnik-Sojapflanzen von Monsanto und Bayer, die gegen zwei Herbizidwirkstoffe resistent sind, die Genehmigung zu verweigern. „Sowohl Verbraucher als auch Nutztiere können der Kombination dieser giftigen Rückstände ausgesetzt sein, weil man annehmen muss, dass diese auch in der Ernte vorhanden sind“, schrieb Testbiotech in einer Pressemitteilung.
Die Abstimmung kommende Woche ist bereits die zweite über die gentechnisch veränderten Sojapflanzen. Im November hatten die Vertreter der EU-Mitgliedstaaten schon einmal abgestimmt, dabei kam es allerdings nicht zur nötigen qualifizierten Mehrheit für eine verbindliche Entscheidung. Gibt es auch beim zweiten Durchgang ein Patt, kann die EU-Kommission dem Import der Gentechnik-Soja grünes Licht geben.
9. Oktober 2015, Testbiotech
Soja von MONSANTO und BAYER gegen mehrere Spritzmittel resistent
Trotz Verdacht auf krebserregende Glyphosat-Rückstände: EU-Kommission will weitere Gentechnik-Soja zulassen
Die EU-Kommission sieht laut einem aktuellen Schreiben keinen Bedarf für eine detaillierte Untersuchung von gentechnisch veränderten Pflanzen, die einen Mix von wahrscheinlich krebserregenden Rückständen enthalten. Die Gentechnik-Soja MON 87708 × MON 89788 der Firma Monsanto ist gegen die Unkrautvernichtungs¬mittel Glyphosat und Dicamba resistent. Die Rückstände beider Spritzmittel stehen im Verdacht, krebserregend zu sein.
Im Juli 2015 hatte Testbiotech eine Online-Aktion gegen die Importzulassung gestartet, vor kurzem hat die EU-Kommission schriftlich auf die Aktion reagiert. Aus der Antwort muss geschlossen werden, dass die Gentechnik-Soja zugelassen werden soll, ohne zuvor die spezifischen Wechselwirkungen von Rückständen der Unkrautvernichtungsmittel zu untersuchen.
Das Herbizid Glyphosat wurde jüngst von einer internationalen Arbeitsgruppe der Weltgesundheitsorganisation WHO als „wahrscheinlich krebserregend“ eingestuft. Dicamba wird in den Pflanzen u. a. zu Stoffen wie Formaldehyd abgebaut, das bereits seit Jahren als krebserregend gilt. Der Import der gentechnisch veränderten Sojabohnen würde die Nahrungskette mit einer speziellen Kombination dieser möglicherweise krebserregendeN Rückstände belasten. Eine genaue Untersuchung der gesundheitlichen Auswirkungen der Kombination dieser giftigen Rückstände erscheint daher unverzichtbar. In Kombination könnten die Rückstände wesentlich giftiger sein, als es die Bewertung der einzelnen Stoffe erwarten lässt.
Jüngst hat die Europäische Lebensmittelbehörde EFSA auch für die Gentechnik-Soja FG72 der Firma Bayer grünes Licht gegeben, die die gleiche Problematik aufwirft: Diese Soja wurde gegen Glyphosat und Isoxaflutol resistent gemacht. Auch Rückstände von Isoxaflutolen sind als wahrscheinlich krebserregend für Menschen klassifiziert. Auch in diesem Falle hat die EFSA die Wechselwirkungen der Rückstände der Unkrautvernichtungsmittel nicht überprüft.
„Es ist Aufgabe der EU-Kommission, für eine Risikoprüfung zu sorgen, die den Anforderungen der EU-Gesetze genügt. Diese basieren auf dem Vorsorgeprinzip und fordern hohe wissenschaftliche Standards. Die Risikobewertung muss daher auch die gesundheitlichen Auswirkungen von speziellen Mischungen von Spritzmittelrückständen einbeziehen“, sagt Christoph Then für Testbiotech.
weitere Infos:
=> GenSoja von BAYER
=> Bewertung der GenSoja-Sorte FG72 von BAYER