Leverkusener Anzeiger, 21. Mai 2015
Auf der Bayer-Hauptversammlung geht es auch ums Bienensterben
Michael Wolff, Bayer-Aktionär aus Neustadt, will den Begriff Umweltschutz in der Satzung des Chemiekonzerns Bayer verankern. Er will auch Taten sehen: Der Leverkusener Konzern soll zwei Produkte vom Markt nehmen.
Diesmal gibt sogar eine Satzungsänderung Stoff her für einen Gegenantrag. Michael Wolff, Bayer-Aktionär aus Neustadt, will auf der Hauptversammlung am nächsten Mittwoch in der Kölner Messe eine Änderung der Änderung durchsetzen.
Der Vorstand hat die Neufassung der Satzung auf die Tagesordnung gesetzt, weil die Ausgliederung der Kunststoff-Sparte Material Science dokumentiert werden muss. Bisher beschreibt sich Bayer so: „Gegenstand des Unternehmens ist Erzeugung, Vertrieb, sonstige industrielle Betätigung oder Erbringung von Dienstleistungen auf den Gebieten Gesundheit, Landwirtschaft, Polymere und Chemie.“ Künftig sollen die Begriffe Polymere und Chemie relativiert werden durch einen zweiten Satz: „Die Gesellschaft kann diese Tätigkeiten auch auf den Gebieten Polymere und Chemie erbringen.“
Neue Forschungen
Was Aktionär Wolff daran nicht gefällt? Ihm fehlt der Begriff Umweltschutz. Der werde immer wichtiger und müsse daher in der Bayer-Satzung verankert werden. Damit das kein Lippenbekenntnis bleibt, will Wolff auch Taten sehen. Der Konzern soll zwei Produkte vom Markt nehmen: „Calypso schädlingsfrei“ und das „Lizetan Zierpflanzenspray“. Beide enthalten Thiacloprid; das Nervengift gehört zu den Neonikotinoiden. Sie sind in Verruf geraten, weil sie Bienen gefährden sollen. In Brüssel ist man sogar davon überzeugt: Die EU-Kommission hat einige Neonikotinoide verboten, wogegen Bayer Klage erhoben hat. Auch die sollte der Konzern fallen lassen, fordert Wolff.
Thiacloprid ist zwar erlaubt, weil man es bisher für ungiftiger hielt: um den Faktor 1000, verglichen mit den verbotenen Neonikotinoiden. Deshalb bedruckt Bayer – wohlwissend um die Debatte – Calypso und Lizetan mit dem Hinweis „nicht bienengefährlich“. Und zugelassen sind die beiden Mittel natürlich nach wie vor.
Doch zeigen neue Forschungen des Berliner Neurobiologen Randolf Menzel, dass auch Thiacloprid offenbar gefährlich für Bienen ist. Das Gift wirke zwar nicht tödlich, beeinträchtige aber den Orientierungssinn der Insekten, ihre Verständigung durch Tanzen und vermindere ihre Aktivität beim Pollen sammeln, hat Menzel vor gut einem Jahr herausgefunden. Darauf hatte sich der Bund Umwelt und Naturschutz Deutschland (BUND) berufen, als er Bayer im Dezember vorwarf, die Bezeichnung „nicht bienengefährlich“ sei eine Irreführung der Verbraucher.
Der Konzern wehrte sich mit aller Macht und wollte eine einstweilige Verfügung durchsetzen, die dem BUND die Behauptung fürderhin untersagt. Bei Zuwiderhandlung hätte dem BUND eine Strafzahlung von 250 000 Euro gedroht – oder den Verantwortlichen bis zu zwei Jahre Haft.
Im Februar ging die Sache vor das Landgericht Düsseldorf, am 11. März erfuhren Bayers Juristen, dass sie auf die Nase gefallen waren. Der BUND darf weiterhin sagen, dass Bayer mit dem Aufdruck auf den Calypso- und Lizetan-Verpackungen die Verbraucher in die Irre führt. Die Imker sind ohnehin davon überzeugt, dass Bayers Produkte den Bienen schaden. Und werden das auf der Hauptversammlung deutlich machen.
Mikroplastik gefährdet Lebewesen
Ein Aktionärstreffen ohne Imker-Proteste ist genauso undenkbar wie eines ohne Vorwürfe der „Coordination gegen Bayer-Gefahren“. Die arbeitet sich unter anderem mal wieder an den politischen Äußerungen von Carl Duisberg ab. Neu im Repertoire ist dagegen der Hinweis auf die schädlichen Spätfolgen der Kunststoff-Produktion: Im Meer werde der Stoff zu Mikroplastik zerrieben und gefährde so sämtliche Lebewesen. Auch die Abspaltung von Material Science gefällt den organisierten Bayer-Kritikern nicht. Sie fürchten, dass demnächst ein Sparkurs eingeschlagen wird, der auch die Sicherheit der Anlagen treffen könnte.
Das Thema Sicherheit treibt auch den Hildener Walther Enßlin um. Ihm allerdings geht es um die CO-Pipeline zwischen Dormagen und Leverkusen. Dass Bayer das Giftgas seit mehr als einem Jahrzehnt durch rund 50 Jahre alte Rohre jagt, sei „ein unzumutbares Risiko“. Von Thomas Käding