Rede von Dr. Dirk Zimmermann, Greenpeace
Sehr geehrter Herr Dr. Dekkers, geehrte Mitglieder von Konzernleitung und Aufsichtsrat, liebe Damen und Herren Aktionäre von Bayer,
mein Name ist Dirk Zimmermann und eigentlich hatte ich Ihnen heute im Namen von Greenpeace zum Gewinn des „Public Eye Awards 2014“ gratulieren wollen, für den unter anderem Bayer als Anbieter maßgeblich am Bienensterben beteiligter Pestizide zur Wahl stand. Die starke Konkurrenz durch Gazprom verwies Bayer auf den zweiten Platz, von „zweitem Sieger“ oder „Vizekusen“ zu sprechen verbietet sich wohl. Zweifellos hätten Sie den Schmähpreis mindestens genauso verdient gehabt – genau wie Gazprom setzen Sie unersetzliche Ökosysteme fahrlässig aufs Spiel. Es ist außerordentlich bedauerlich, dass Sie auch in den vergangenen Monaten alles daran gesetzt haben, erneut nominiert zu werden. Ich möchte Sie jetzt und hier darum bitten, keinen falschen sportlichen Ehrgeiz zu entwickeln, und stattdessen endlich Ihr Motto „Science for a better life“ auch auf das Leben und Überleben von Bienen und einer zukunftsfähigen, nachhaltigen Landwirtschaft zu beziehen.
Im vergangenen Jahr hat die Europäische Kommission 4 Bienen-gefährliche Pestizide mit Teilverboten belegt, mit Clothianidin und Imidacloprid sind 2 Wirkstoffe von Bayer betroffen. Es war dies ein dringend notwendiger und dennoch nur winzig kleiner Schritt in die richtige Richtung. Clothianidin hat erst vor wenigen Wochen seine Giftigkeit bedauerlicherweise spektakulär unter Beweis gestellt und zahlreiche Bienenvölker in direkter Nachbarschaft zum Bayer-Werk getötet. Die subtilen, nicht direkt tödlichen Wirkungen der auch von Ihnen vertriebenen Gifte sind aber mit Sicherheit mindestens genauso gefährlich, und entscheidend mit für das Bienensterben verantwortlich. Neben wissenschaftlichen Erkenntnissen, die ein Verbot akut nahelegen, sind es aber auch die erheblichen Wissenslücken, die einen Einsatzverzicht erforderlich machen. Wissenslücken, die neben den genauen Wirkungen einzelner Chemikalien vor allem auch die von Pestizid-Cocktails betreffen, ebenso wie die konkreten Wege, über die Bienen und andere Insekten mit Giften in Berührung kommen.
Wir, Greenpeace, haben Untersuchungen durchgeführt, um zumindest einen vagen Eindruck vom Ausmaß der möglichen Gefährdung von Bienen durch Pestizide zu bekommen – und der Eindruck ist gruselig. Vor 2 Wochen haben wir die Veröffentlichung von Testergebnissen zum Anlass genommen um vor Ihrer Firmenzentrale in Leverkusen zu protestieren. Auf einem Banner haben wir die von Ihnen geschädigten Bienen selbst ihre Forderung „Stop Killing us“ vorbringen lassen. Und das aus gutem Grund: Wir haben festgestellt dass Pollen, der Bienen und ihrer Brut direkt als Nahrung dient, zum Teil mit bedenklichen Pestizid-Cocktails belastet war. Gleiches gilt für in Baumärkten und Gartencentern erhältliche Pflanzen: wir haben quer durch Europa bis zu 17 verschiedene Agrargifte in einer einzelnen Pflanze gefunden. In allen Fällen waren Bayer-Pestizide prominent vertreten. Die entsprechenden Reports sind online verfügbar. Ich empfehle sie Ihnen allen zur Lektüre.
Die verhängten Teilverbote für bienengefährliche Pestizide gingen maßgeblich auf Empfehlungen der Europäischen Behörde für Lebensmittelsicherheit EFSA zurück. Die EFSA ist alles andere als bekannt dafür, politisch motiviert zu handeln, sie wird im Gegenteil immer wieder für ihre Nähe zur Industrie kritisiert. In diesem Fall war die Sachlage aber zu eindeutig. Unlängst hat sich die EFSA erneut in die Debatte eingeschaltet und sich zu der Gefährdung von Bienen durch kombinierte Stressfaktoren geäußert – soweit dies denn möglich war. Erneut machen Datenlücken eine Bewertung der Gefährlichkeit von zum Beispiel Pestizid-Cocktails so gut wie unmöglich. Die wenigen existierenden Befunde sind aber erschreckend, mit Sicherheit heben sich Gifte in ihrer Wirkung nicht gegenseitig auf – sondern verstärken sich vielmehr. Umso bedenklicher sind die Ergebnisse unserer Untersuchungen – und umso wichtiger ist es, Wirkstoffe, für die schon die Einzelbetrachtung indiskutable Gefährdungen für Bienen zeigt, aus der Praxis dauerhaft und umfassend zu verbannen.
2 Jahre Teilverbot mit viel zu vielen Ausnahmen, für erwiesenermaßen bienengefährliche Agrargifte, sind ein Anfang, aber dennoch nur ein schlechter Witz. Dafür, dass Bayer nun gegen diese Verbote klagt, fehlt mir jeglicher Humor – und es fällt schwer die richtigen Worte zu finden. Arroganz? Ignoranz? Borniertheit? Überheblichkeit?
Wenn Ihnen tatsächlich etwas an Wissenschaft, Bienen und Vielfalt liegt, wie diverse Werbebotschaften von Ihnen glauben machen wollen, dann kann das nur eines heißen: ziehen Sie die Klage gegen die Europäische Kommission zurück und nehmen sie Ihre gefährlichsten Bienenkiller vom Markt – ich kann mir nicht vorstellen dass irgendjemand von Ihnen den Eintrag „Bienensterben“ in der Skandalchronik von Bayer verantworten möchte.
Vielen Dank für Ihre Aufmerksamkeit