Drücke „Enter”, um zum Inhalt zu springen.

[Xarelto] Gerinnungshemmer Xarelto:

CBG Redaktion

Erfahrungsbericht von Dr. Sigrid Süßmeyer (Internistin)

Sehr geehrte Damen und Herren,

dies stellt eine Zusammenfassung meiner persönlichen Erfahrungen mit NOAKs seit 2011 bis heute dar und der Umgang damit, wie ich ihn subjektiv in dieser Zeit erfahren habe. Ich spreche hier ausschließlich über die Indikationen Vorhofflimmern, Beinvenenthrombose, Lungenembolie und Schlaganfall, nicht zur Prophylaxe von Thrombosen nach Gelenkersatz.

„Lobend“ erwähnen darf ich, daß von 14 Xarelto-Patienten 5 bisher noch nicht geblutet haben.

Ich fasse von 2011 bis 2014 zusammen: 9 von 14 Patienten Blutung, überwiegend gastrointestinal, auch Makrohämaturie. 1 von 14 Exitus. 4 von 14 lebensbedrohlicher Hb-Abfall meist mit Krankenhauseinweisung und EK-Gabe.

Die Blutungen betrafen überwiegend sehr alte Patienten mit multiplen Begleiterkrankungen. Die Blutungsquellen waren zum Teil Karzinome und Magenulcera, wie sie bei älteren Patienten vermehrt vorkommen, aber auch diffuse Blutungen ohne Nachweis o.g. Befunde. Letzteres legt nahe, dass hier echte Überdosierungen vorliegen, die bislang noch nicht in der Breite messbar sind.

Überwiegend „fragile“ polymorbide alte Patienten. Die Fa. Bayer machte ab 2012 besonders für diese Patientengruppe Werbung, die in der Zulassungsstudie jedoch explizit ausgeschlossen worden war. Diese Patientengruppe ist sehr lukrativ, da eine lebenslange Therapie die Regel ist und Vorhofflimmern mit dem Älterwerden häufiger auftritt (bis zu 10% aller Altersgenossen). Jetzt 2014 wird neuerdings der vorsichtige Umgang bei Geriatriepatienten angemahnt. Wieder ziehen die bekannten Referenten mit nun leisen Tönen durch das Land um den Flurschaden gering zu halten.

Die erste Zulassungsstudie (Rocket) wurde in den USA kritisiert wegen der unglaubhaft (und möglicherweise absichtlich) ineffektiven Warfarintherapie der Kontrollgruppe mit überwiegend nicht therapeutischen INR-Werten, das deutsche Ärzteblatt hat diesen Kritikpunkt übernommen. Die deutsche Marcumar-Therapie ist nicht zu vergleichen mit der der Studie zugrunde liegenden Warfarin-Therapie. Der größere Teil der Probanden ist in asiatischen Ländern, vor allem Indien angeworben worden. Mitteleuropäische medizinische Standards werden hier nicht in der vergleichenden Studie extra ausgewertet. Die Zulassung für das akute Koronarsyndrom wurde vom FDA 3x verweigert wegen der gehäuften Blutungskomplikationen und 2 unterschlagenen Todesfällen (!) und zu kurzem Beobachtungszeitraum.

Unabhängig von den Empfehlungen der deutschen und europäischen Leitlinienautoren und Fachgesellschaften, deren Interessenskonflikte hinlänglich bekannt sind (Deutsches Ärzteblatt, 2011), gibt es begründete Zweifel an der Verlässlichkeit der Medikamente.

In 5 Jahren wird es kein Marcumar mehr geben, waren die Worte von Herr Prof. Spannagl auf dem bayerischen Internistenkongress 2009 in München, diese Aussage wird von den hiesigen Chefärzte perserveriert als Beweis für die gelungene Manipulation der Ärzteschaft. Ich sehe mich in der Verantwortung, damit diese gefährliche Fehlentwicklung gestoppt wird und damit sich ein derart gefährliches Medikament nicht mehr rapide über das Land ausbreiten darf.

Seit über 20 Jahren behandele ich mit Marcumar ohne diese Flut von Komplikationen. Bei ca. 90 Marcumar-Patienten traten in 4 Jahren 4 Komplikationen auf: 1 Exitus nach jatrogener Überdosierung in ReHa-Klinik durch Hirnblutung (85J), 1 Hirnblutung durch jatrogene Überdosierung im Akut-Krankenhaus (78J), 1 intracerebraler Blutung und SAB mit Notfalltrepanation nach Sturz auf den Hinterkopf (90J,Thrombophilie mit LE u BVT) weiter mit Clexane 20tgl. 1 Makrohämaturie (89J,VHF) ohne Hb-Abfall bei normaler Zystoskopie, Marcumar weiter.

Ich rate zu Kreatinin-GFR, Hämocult und Hb-Monitoring (ggf Urinstix) noch in der Klinik und beim niedergelassen Arzt in wenigstens vierteljährlichem Abstand.

Früher (vor ca. 15 Jahren) waren Aufklärungsbögen – 3-seitig – vor Beginn der Antikoagulantientherapie verbreitet mit Aufklärung über GI-Blutungszeichen z.B. Teerstuhl, damit sich der Patient in diesem Fall umgehend bei Arzt oder Notaufnahme meldet. Das wäre für Heparin, Marcumar und NOAKs sinnvoll wieder einzuführen.

Blutungen und Todesfälle werden von Niedergelassenen und operativen Fächern aus verschiedenen Gründen nicht vollzählig gemeldet. Zu fordern wäre eine bundesweite Meldepflicht für Blutungen unter Antikoagulantien an zentraler Stelle. Insbesondere weil die Erfassung der Todesfälle und Komplikationen – zerfasert auf drei Anlaufstellen (Hersteller, AkdÄ, BfmAr) – zu keiner statistisch aussagekräftigen Aufarbeitung der Daten kommen kann.

Ich habe selbst erst nach Meldung mehrerer Komplikationen gemerkt, dass hier verschiedene (sehr anonyme!) Anlaufstellen mit Meldebögen zur Verfügung stehen. Lediglich die AkdÄ antwortet auf die Meldebögen schriftlich und sogar ein persönlicher Anruf zur Klärung von Fragen und Erfahrungsaustausch 2013 haben zum Vertrauen zu dieser Institution meinerseits geführt, so dass ich nur noch dorthin melden werde. Der zuständige Kollege von der AkdÄ war im übrigen der Erste und Einzige, der mir erklärte, dass die spezielle Wirungsweise der NOAKs die diffusen Haut- und Schleimhautblutungen erklärt, die unter Marcumar so nicht auftreten.Traurigerweise haben alle Pharmavertreter hierauf nicht hingewiesen. Ich hoffe, dass dieses so wichtige Institut mit öffentlichen Mitteln ausreichend ausgestattet wird. Die Übermacht der Pharmafirmen besteht ja vor allem durch ihr enormes Budget für Marketing. Die Fa. Bayer hat nach dem Artikel im Spiegel Nr. 37 9/2013 dann doch noch reagiert und einen Regionalmanager in der Praxis vorbeigeschickt, der unserem Praxispersonal eine spezielle Schulung anbot. Die Schreiben der Fa. häuften sich danach, doch bitte alle Fälle noch einmal zu melden, was ich aus Zeitgründen nicht machte. Meine Blutungsfälle sind jeweils einmal korrekt gemeldet. Die AkdÄ versicherte mir, dass Mehrfachmeldungen nicht sinnvoll seien. Irgendwie würden alle Fälle im BfArM zusammenlaufen. Das „Irgendwie“ sollte Gegenstand von politischen Entscheidungen werden. Auch das Bundesgesundheitsministerium sollte seinen Fokus auf diese das ganze Medizinsystem umwälzende Entwicklung lenken, allein schon wegen der gigantischen volkswirtschaftlichen Kosten.

Die Nierenwerte und das Alter und Gewicht der Patienten werden für Dosiskorrekturen beim Konkurrenzmedikament Eliquis verwendet. Das reicht aus meiner Sicht nicht aus. Die Kreatinin-Clearance – im Übrigen egal nach welcher Formel – ist bei immobilen Patienten kein valider Wert zur Einschätzung der Nierenfunktion. Die gleichzeitige Einnahme von Diuretika, insbesondere Schleifendiuretika verstärken die Ungenauigkeit.

Die einzige Lösung wäre die Einführung eines Monitoring wie für Pradaxa entwickelt, also eine echte Gerinnungskontrolle. Erstaunlicherweise wurde von der Fa. Boehringer-Ingelheim der Test zurückgehalten, weil er zum eigenen Schaden beweist, dass unter einer Dosis der Gerinnungsstatus viel zu stark variiert und dieses auch noch nachweislich zu Blutungen führt (a-t 3/2014).

Allenfalls die jüngeren (<70J), nicht polymorbiden, nierengesunden Patienten
erscheinen mir geeignet für eine Therapie mit NOAKs, wenn sie auf Risikosport und z.B. Motorradfahren verzichten und auf die Einnahme der überall verfügbaren Schmerzmittel aus der Gruppe der Nichtsteroidalen Antirheumatica (=NSAR).

Die Unvereinbarkeit der NOAKs mit Ibuprofen, Diclofenac, ASS wird zu wenig angemahnt bei Apothekern, Patienten und den Ärzten. Der schlimmste Fall von 1/2014 war ein 40 jähriger Mann, der eine sehr schwere Magenblutung mit Schocksymptomen hatte. Er hatte das Medikament seiner Mutter genommen. Der Missbrauch dieser Tabletten ist wegen der wenigen Arzt-Patienten-Kontakte (bei Marcumar in der Regel alle 3-4 Wochen) deshalb wahrscheinlicher, weil die regelmäßige Aufklärung über das Medikament fehlt.

Mit freundlichen Grüßen,

Dr. Sigrid Süßmeyer

Forderungen:

Echte Gerinnungstests
Monitoring Krea, Blutbild, Hämoccult

Aufklärungsbögen

Meldepflicht an einer zentralen Stelle

Bindung der Krankenhäuser an die Verordnungs-

Richtlinien der AkdÄ, die für niedergelassene Ärzte gelten

Entwicklung Pharmaindustrie-unabhängiger Leitlinien

Finanzierung Pharmaindustrie-unabhängiger Studien NOAK versus Phenprocoumon

Xarelto-Kampagne der Coordination gegen BAYER-Gefahren