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Deutschlandfunk

Ein interessantes Feature zu „Public Private Partnerships“ in der Medizin, durch die in den Krankenhäusern immer mehr Gewinnorientierung Einzug hält (mit CBG-Interview)

28. April 2013, Deutschlandfunk

Gesundheit, ein Gewinn

Medizinische Projekte als Renditeobjekt

Erste Krebszentren locken private Investoren bereits mit dem Versprechen, man könne mit der Krankheit gut verdienen, denn Krebs bringe Ertragssicherheit durch wachsende Patientenzahlen. Kritiker fürchten, durch solche „Public-Private-Partnerships“ allerdings einen grundlegenden Umbruch im Medizinbetrieb.

das vollständige Skript

Auszug: Interview CBG

Die Forschung in der Medizin wird mittlerweile fast ausschließlich über so genannte Drittmittel finanziert, also über Geldgeber von außen. Noch im Jahre 2002 war die durchschnittliche Höhe dieser Gelder 230.000 Euro pro Medizinprofessor. 2010 waren es schon über 530.000 Euro. Wenn es um die Entwicklung neuer Medikamente geht, stammt das Geld häufig aus der Pharmaindustrie. Und die verknüpft mit ihrer Finanzierung von Universitätsforschung naturgemäß Erwartungen. Solche Pharmaforschung läuft mitunter ebenfalls als public-private-partnership. Wie zwischen der Universität Köln und dem Pharmariesen Bayer.

„Da bin ich der Initiator gewesen vor zehn Jahren, und jetzt ist daraus eine wunderbare Zusammenarbeit geworden, dass Ideen, die die Kliniker haben, oder auch bei uns die theoretisch arbeitenden Forscher, gemeinsam besprochen werden mit der Firma Bayer. Die Firma Bayer hat dann aber auch eigene Forschungsanträge, jetzt im Augenblick auf dem neurologischen Gebiet, und da haben wir solche Verträge gemacht, dass die Firma Bayer sich zuerst an uns wendet, wenn sie so ein Forschungsmodell hat und dass wir das prüfen und dass wir gemeinsam so ein Projekt durchführen.“

Professor Erland Erdmann, Kardiologe und mittlerweile von seinem Posten als Direktor des Herzzentrums der Uni Köln emeritiert, hält den Vertrag mit Bayer für ein Vorzeigemodell in Sachen Forschungsfinanzierung. „Wir sind stolz darauf, dass wir diese partnership nach Köln geholt haben und daraus auch für den Fortschritt der Medizin an diesem Standort Köln Vorteile ziehen.“

Die Kooperation mit Bayer bezieht sich vor allem auf die Krebs- und die Herzforschung – Bereiche, die viele Patienten betreffen und daher für Bayer ökonomisch interessant sind. Doch nicht alle sind vorbehaltlos begeistert von dieser Zusammenarbeit. Eine kleine Nichtregierungsorganisation, vor über 30 Jahren als Bürgerinitiative gegründet, wurde auf den Vertrag aufmerksam.

„Wir haben aus dem Medien einfach von der Unterzeichnung des Vertrages erfahren zwischen der Universität und Bayer. Und das haben wir nur zum Anlass genommen, um eine ganz kurze Anfrage an die Universität zu richten, wo wir nur gefragt haben: Wie wird die Forschungsfreiheit gesichert, wer sucht die Forschungsgebiete aus? Wie wird die Publikationsfreiheit sichergestellt? Gibt es eine negative Publikationsfreiheit, also: Was passiert mit Ergebnissen, die nicht so den Wünschen entsprechen? Was ist mit den Patienten, wer profitiert davon? Also alles naheliegende Fragen haben wir an die Universität gestellt. Und da haben wir einen Zweizeiler zurückbekommen: Alles Betriebsgeheimnis, keine Antwort.“

Philipp Mimkes ist Physiker und Vorstandsmitglied der Coordination gegen Bayer-Gefahren, kurz CBG, ein pharmakritischer Verein, der es sich anfangs darum kümmerte, Störfälle bei Bayer aufzudecken. Mittlerweile hat sich die CBG einen Namen gemacht, weil sie hartnäckig als eine Art Bayer-Watch fungiert. Diese CBG also wollte Details zum Vertrag zwischen Bayer und der Uni-Köln wissen. Erland Erdmann und seine Kollegen reagierten erst einmal abwehrend.

Erdmann: „Ich möchte natürlich niemandem zu nahe treten, in unserem Land hat jeder das Recht, eine andere Meinung zu haben, also auch, dass eine public-private-partnership vielleicht nicht so gut ist.“

Mimkes: „Wir sind nicht prinzipiell gegen eine Forschungskooperation. Aber die Bedingungen müssen transparent sein und die Öffentlichkeit muss eine Möglichkeit haben, über diese Bedingungen mit zu diskutieren. Aktuell haben wir diese Möglichkeit ja nicht, weil die Kooperationsdetails nicht transparent sind.“

Und darum geht es: Der Vertrag ist geheim. Was Bayer darf, ob die Firma die Forschung an der Uni beeinflussen kann – niemand weiß es derzeit. Tatsache ist aber: Es gibt zahlreiche Beispiele dafür, dass Firmen massiv Einfluss nehmen. Mimkes:

„Das ist aber eine Logik, der sich Universitäten und andere wissenschaftliche Einrichtungen nicht unterwerfen sollten. Die Universitäten sollten der Wissenschaft, der Wahrheitssuche dienen, und da sind auch negative Ergebnisse – also auch wenn ein Präparat nicht wirkt, sind das ja auch Erkenntnisse, die dem wissenschaftlichen Fortschritt dienen und die veröffentlicht werden sollten.“

Phillip Mimkes reichte daher stellvertretend für die CBG Klage beim Verwaltungsgericht Köln ein mit dem Ziel, Einsicht in den Kooperationsvertrag zu bekommen. Unterstützt wurde er dabei vom Landesdatenschutzbeauftragten in NRW. Kardiologe Erland Erdmann ist dagegen strikt gegen eine Veröffentlichung des Vertrags:

„Darüber habe ich auch lange nachgedacht, ob man das tun sollte. Aber das geht ja weiter. Wenn heute jemand fordert: veröffentlicht dies – dann wird er morgen das nächste und übermorgen das nächste verlangen und in einem halben Jahr schaut er dann in meine Laborbücher rein. Und da habe ich mir damals gesagt: Nein, das machen wir nicht, sondern das ist wie in allen Dingen, es gibt dafür Gremien in der Universität.“

Erdmann sieht also nicht durch die Industriefinanzierung, sondern durch eine mögliche Transparenz der Vertragsdetails seine Forschungsfreiheit bedroht. In erster Instanz sah es das Gericht ähnlich. Die Klage der CBG wurde daher im Urteil vom 6. Dezember 2012 abgewiesen. Die CBG ist in Berufung gegangen. Doch Erland Erdmann hat ohnehin ein reines Gewissen:

„Ich würde niemals mir vorschreiben lassen, was ich veröffentlichen darf und was nicht.“

Dennoch – zahlreiche Untersuchungen belegen: Andere industriefinanzierte Wissenschaftler lassen in großem Umfang Studien auf Druck von Geldgebern unveröffentlicht. Diese Geldgeber bestimmen auch die Richtung, in die geforscht wird. Denn es gibt eher Forschungsförderung für einen weiteren Cholesterinsenker als für ein Medikament gegen eine afrikanische Tropenkrankheit. Diesen Trend kritisiert jetzt auch Transparency International. Die Anti-Korruptionsorganisation will im Internet veröffentlichen, welche Universitäten public-private-partnership-Verträge mit der Industrie abgeschlossen haben. Dass diese Verträge mitunter geheim sind, finden dabei auch Wissenschaftler fragwürdig:

„Das darf nicht geheim bleiben. Ich bin völlig für Transparenz. Der Vertrag muss so gestaltet sein, dass die Doktorierenden, auf denen die Last des Labors liegt, wenn ich das mal so sagen darf, die müssen die Garantie haben, dass sie ihre Ergebnisse publizieren dürfen.“

Professor Gerd Folkers ist Pharmazie-Professor an der renommierten ETH Zürich. Wenn Firmen verlangten, dass die Kooperationsdetails geheim bleiben sollen, dann dürften öffentlich finanziert Forschungsstätten solche Verträge nicht mehr eingehen, so seine Überzeugung. Gerd Folkers sieht aber auch aus einem anderen Grund die zunehmende Abhängigkeit der medizinischen Forschung von Industriegeldern kritisch. Denn industriefinanzierte Forschung soll möglichst schnell vermarktbare Ergebnisse liefern. Seine vielleicht auf den ersten Blick überraschende These: Gerade deshalb sei sie ineffektiv.

„Die Definition von Forschung ist ja, dass sie auf das Unerwartete abzielt. Und insofern hat die Forschung natürlich Probleme damit, wenn jemand projektorientiert mit einer bestimmten Zielvorgabe kommt. Innerhalb eines festgeschriebenen Projektes haben Sie bestimmte Pfadabhängigkeiten, das heißt: Sie müssen, um das Ziel zu erreichen, ganz bestimmte Wege gehen. Sie können sich aus Effizienzgründen – und die Effizienzkriterien sind in der Forschung extrem hoch geworden – praktisch keine Umwege mehr erlauben. Im Sinne einer Forschung, die Überraschendes, Neues bringen soll, die andere Ansätze bringen soll, wäre es natürlich entscheidend, wenn Sie Umwege machen können.“

Tatsächlich wurden einige der umsatzstärksten Medikamente überhaupt, ob Aspirin oder Viagra, völlig zufällig entdeckt. Offensichtlich ist auch: Die Industrie hat zur Zeit größte Schwierigkeiten, wirklich neue Medikamente auf den Markt zu bringen. Möglicher Grund, sagt Gerd Folkers: Gerade die Marktorientierung. Ein Forscher kann es sich kaum leisten, auch mal zwei oder drei Laborjahre vergeblich zu experimentieren. Also tummeln sie sich auf ausgetretenen Pfaden. Durchbrüche, Sensationelles oder ganz einfach nur ein Medikament, das ganz anders funktioniert als die abertausend Variationen immer gleicher Wirkstoffe – das ist so schwer zu erreichen. Folkers:

„Es gibt da diesen netten Spruch: Wer Umwege macht und nicht direkt auf sein Ziel losgeht, kennt in der Regel die Umgebung besser. Und das ist für Forschung eigentlich eine essenzielle Grundlage.“

„Und wir müssen uns daran erinnern, wenn man sich das historisch anschaut, ein Großteil des wissenschaftlichen Fortschritts neuer Präparate ist ja an öffentlich finanzierten Forschungsstätten entdeckt worden. Und das ist in Gefahr, wenn das rein ökonomischen Interessen unterworfen ist“, sagt Philipp Mimkes. Und der Medizinethiker und Arzt Urban Wiesing hat zusammen mit Kollegen ein Manifest verfasst, das etwas eigentlich Selbstverständliches fordert: eine „menschliche Medizin“. Es liefe etwas schief, wenn Patienten nicht mehr darauf vertrauen können, dass Ärzte, Klinikchefs oder Forschungseinrichtungen in erster Linie das Patientenwohl im Blick haben.

„Wir müssen uns dessen besinnen, was die Medizin eigentlich soll. Sie ist keine Disziplin, die vorrangig dazu da ist, vorhandenes Kapital zu mehren. Sondern hat eine genuine Aufgabe, kranken Menschen zu helfen. Und wenn sie diese Aufgabe aus den Augen verliert, dann ist sie eben nicht mehr die Medizin.“
Von Thomas Liesen