Drücke „Enter”, um zum Inhalt zu springen.

Neues Deutschland

3. April 2013, Neues Deutschland

Angst vor dem Chemieriesen

In Brunsbüttel will die Bayer AG ihr Werk erweitern – Kritiker warnen vor Gefahren für die Anwohner

Schleswig-Holsteins größtes zusammenhängendes Industriegebiet befindet sich in Brunsbüttel an der Elbe. Hauptsächlich hat sich chemische Industrie angesiedelt, die Bayer AG will ihr Werk dort jetzt erweitern. Besorgte Anwohner und Umweltschützer haben Sicherheitsbedenken, kritisieren aber vor allem auch den hohen Wasserverbrauch des Unternehmens.

Das offizielle Planungsverfahren ist nach der Antragstellung durch Bayer im vergangenen Herbst angelaufen, zur Genehmigungsphase durch das zuständige Landesamt für Landwirtschaft, Umwelt und ländliche Räume gehörte inzwischen auch ein zweitägiger mündlicher Erörterungstermin. Vorausgegangen war die Auslegung der Antragsunterlagen zur Werkserweiterung, woraufhin 76 Einwender Stellungnahmen abgegeben hatten. Unter den Bedenkenträgern befindet sich unter anderem auch die Naturschutzorganisation BUND.

In der zum Ausbau anstehenden Anlage werden Vorprodukte für Dämmstoffe hergestellt. Dabei kommen große Mengen von Phosgen zur Anwendung. Dieser Stoff wurde im Ersten Weltkrieg als »Grünkreuz«-Kampfmittel eingesetzt, das Giftgas forderte Zehntausende von Opfern. Im Umweltverträglichkeitsgutachten des TÜV Süd, das der Chemiekonzern vorlegte, werden zwar keinerlei Bedenken gegen das Vorhaben formuliert. Dennoch hat die Genehmigungsbehörde ein weiteres Umweltgutachten angefordert.

Die Bayer-Verantwortlichen halten die Diskussion für hysteriebefrachtet, denn seit 30 Jahren arbeite man bereits unfallfrei mit dem heiklen Stoff. Kritiker stören sich jedoch vor allem daran, dass für den Werksbereich, in dem mit Phosgen gearbeitet wird, lediglich eine Stahlummantelung als Schutzhülle vorgesehen ist und keine Betonwand. Sie kritisieren, dass ein Hochwasser- oder Erdbebenszenario nicht angedacht wurde. Die erforderliche Wasserversorgung bildet einen weiteren Kritikpunkt. Bayer bezieht den Großteil seines benötigten Wassers aus dem knapp zwanzig Kilometer entfernten Wasserwerk in Wacken. Die enorme Wasserentnahme dort führt bereits seit mehr als 30 Jahren zu Grundwasserabsenkungen und infolgedessen zu Gebäudeschäden, worüber bereits mehrfach prozessiert wurde. Für die Produktion in der vergrößerten Anlage, so heißt es, werden jährlich mindestens 270 000 Kubikmeter Wasser gebraucht. Das entspricht einer Menge, die ausreichen würde, jährlich 12 500 Menschen mit Trinkwasser zu versorgen, hat die in Düsseldorf ansässige Coordination gegen Bayer-Gefahren ausgerechnet. Das ist ein seit 1978 in Vereinsform existierender Zusammenschluss von Bayer-Kritikern.

Und eine weitere Veränderung infolge der geplanten Werkserweiterung ist absehbar: Laut Umweltverträglichkeitspapier wird es zu einem wachsenden Lkw-Verkehr kommen. Bayer hofft, im nächsten Jahr mit dem Erweiterungsbau beginnen zu können, und rechnet für das Jahr 2016 mit der Fertigstellung. Von Dieter Hanisch, Brunsbüttel

alle Infos zur Kampagne