USA: BAYER nimmt „Baby-Aspirin“ vom Markt
Seit den 70er Jahren ist bekannt, dass Aspirin das seltene Reye-Syndrom auslösen kann. Die Krankheit schädigt Leber und Gehirn und verläuft zu 40% tödlich. Am häufigsten tritt das Reye-Syndrom im Alter zwischen vier und neun Jahren auf. In den USA musste BAYER nun sogenanntes „Baby-Aspirin“ vom Markt nehmen. In Lateinamerika hingegen vermarktet der Konzern bis heute Aspirin-Präparate speziell für Kinder.
In Deutschland wurde Aspirin Junior, ein niedrig dosiertes ASS-Präparat, schon in den achtziger Jahren in Aspirin 100 umbenannt. Im Beipackzettel des Präparats wird ausdrücklich gewarnt: „Aspirin soll bei Kindern und Jugendlichen mit fieberhaften Erkrankungen nur auf ärztliche Anweisung und nur dann angewendet werden, wenn andere Maßnahmen nicht wirken.“ Auch im Ausland wird in den Produktinformationen auf das Reye-Syndrom hingewiesen, in den USA sogar direkt auf der Packung.
In Lateinamerika hingegen, wo Aspirin ein Image als Allheilmittel genießt, werden Kinder bis heute einem vermeidbaren Gesundheitsrisiko ausgesetzt. Präparate von BAYER mit dem Aufdruck Aspirina para Niños („Aspirin für Kinder“) und Aspirina infantil, die eine gefahrlose Anwendung für Kinder suggerieren, sind Umsatzrenner.
Auch auf der südamerikanischen website von BAYER ConsumerCare wird Werbung für Aspirina para Niños gemacht. Für Kinder wird dort eine hohe Tagesdosis von 60 mg pro Kilo Körpergewicht empfohlen. Als Indikation sind u.a. Kopf- und Muskelschmerzen, Erkältungen und Grippe angegeben. Warnungen vor dem Reye-Syndrom: Fehlanzeige – diese findet man erst im schriftlichen Beipackzettel. Viele Eltern lesen jedoch nur die Kurz-Information auf der website, zudem werden Aspirin-Tabletten in Lateinamerika häufig einzeln und ohne Beipackzettel verkauft.
Der Kinderarzt Dr. Gottfried Arnold kommentiert: „Eine undifferenzierte Empfehlung für 60 mg/kg ist eindeutig überzogen. Zudem findet sich im spanischen Beipackzettel die Indikation „Grippe“, während weiter unten im Text Influenza A und B (also Grippe mit Influenza-Viren) als kontra-indiziert aufgeführt werden. Dies erscheint als eine bewusste Irreführung“. Seine Kollegin Dr. Erika Abczynski ergänzt: „Zum Glück gibt es Kinder-Aspirin bei uns schon lange nicht mehr. Es gibt andere Fieber- und Schmerzmittel für Kinder, die sehr gut wirken. Ich selbst verordne Acetylsalicylsäure schon seit über 20 Jahren nicht mehr.“
USA: Irreführung beendet
Die amerikanische National Reye‚s Syndrome Foundation (NRSF), die seit Jahrzehnten vor den Risiken von ASS für Kinder warnt, hat nun einen wichtigen Erfolg errungen: Nach einem Treffen mit der Medikamenten-Aufsicht Food and Drug Administration (FDA) forderte die Behörde das Unternehmen auf, den Verkauf von sogenanntem „Baby-Aspirin“ zu unterbinden.
BAYER wollte sich zunächst damit herausreden, dass sich der Begriff „Baby“ nicht auf die Anwendung für Kinder oder gar Säuglinge, sondern auf die verringerte Wirkstoffmenge von 100 mg beziehe. Ob die FDA daraufhin eine entsprechende Anordnung oder gar Strafen angedroht hat, muss offen bleiben. In jedem Fall reagierte das Unternehmen innerhalb weniger Wochen und kündigte an, keine Schmerzmittel mehr mit dem Aufdruck „Baby-Aspirin“ zu verkaufen. Nach Angabe der NRSF ist das Präparat mittlerweile tatsächlich aus den Regalen verschwunden.
John Freudenberger, Präsident der NRSF, kommentierte in einem Editorial: „Die National Reye‘s Syndrome Foundation hat 37 Jahre lang versucht, das Thema „Baby Aspirin“ mit BAYER zu diskutieren. Jedes Mal, wenn wir die Firma ansprachen, wurden wir hingehalten und abgewiesen. ( ) Erst unser Gespräch mit der FDA führte dazu, dass sich die Behörde des Themas annahm. Die FDA stimmte mit uns überein, dass die Bezeichnung „Baby-Aspirin“ dazu führen kann, dass die Verbraucher denken, das Produkt wäre auch für Kinder und Säuglinge sicher.“
Die Coordination gegen BAYER-Gefahren (CBG) hat wiederholt in der BAYER-Hauptversammlung gefordert, den doppelten Standard in Bezug auf Kinder-Aspirin zu beenden. Weltweit müssen alle ASS-Präparate mit dem Aufdruck „für Kinder“ oder „Baby“ umbenannt werden. Die empfohlene Tagesdosis bei Kindern von 60 mg pro Kilo Körpergewicht muss nach Auffassung der CBG ersatzlos gestrichen werden. Von Philipp Mimkes