junge Welt, 14. Dezember 2012
»Weil es dem Ruf des Konzerns schaden könnte«
Kooperationsvertrag zwischen Hochschule und Pharmaunternehmen Bayer darf vorerst geheim bleiben. Ein Gespräch mit Jan Pehrke
Jan Pehrke ist Journalist und Vorstandsmitglied der »Coordination gegen Bayer Gefahren« (CBG) der auch Chemiker, Ärzte und Rechtsanwälte angehören
Das Verwaltungsgericht Köln hat in der vergangenen Woche entschieden, daß der Vertrag über die Forschungskooperation zwischen der Bayer Pharma AG und der Universität Köln geheim bleiben darf. Einer Ihrer Kollegen aus dem Vorstand der »Coordination gegen Bayer Gefahren« geht dagegen in Berufung. Was ist zu befürchten, wenn alles geheim bleibt?
Die Bayer AG zielt – wie andere Pharma-Unternehmen – zunehmend darauf ab, ihren Forschungsprozeß an staatliche Institutionen abzugeben – einzig letzte Schritte will Bayer noch selber machen. Insgesamt 900 Forschungsallianzen mit Universitäten und anderen Bildungseinrichtungen hat der Konzern abgeschlossen. Mit der Uni Köln hat er die umfangreichste Zusammenarbeit, die je eine Hochschule eingegangen ist. Das sagt die Universitätsleitung selber.
Können Sie konkrete Beispiele für mögliche Folgen nennen?
Der Vertrag ist geheim. Deshalb wissen wir nicht, was darin festgehalten ist; wir können es nur vermuten. Forscher der Uni könnten vertraglich verpflichtet werden, negative Forschungsergebnisse über Medikamente nicht zu veröffentlichen, weil es dem Ruf des Konzerns schaden könnte. Wir befürchten auch, daß in dessen wirtschaftlichem Interesse Forscher angehalten werden könnten, möglichst lukrative Medikamente zuerforschen. Etwa sogenannte »Me too«-Präparaten: Nach dem Motto »ich auch« werfen Pharmaunternehmen Medikamente auf den Markt, die sich kaum von anderen unterscheiden, nur um ein neues Patent anzumelden. Völlig unnütz!
Wie verlieren Universitäten sonst ihre Unabhängigkeit?
Bei einer Hochschulveranstaltung setzten sich Vertreter der Bayer AG dafür ein, von den Universitäten schon früh die Rechte an allen Entwicklungen zu erhalten. Nicht einmal eine sogenannte Bestseller-Klausel wollten sie den Hochschulen zugestehen, also eine Gewinn-Beteiligung bei äußerst lukrativen in Kooperation erstellten Produkten. Die medizinische Fakultät der Uni Köln hat ein Zentrum für klinische Studien – weshalb sie besonders anfällig für Manipulationen ist. Wenn Pharmaunternehmen Studien sponsern, fallen deren Ergebnisse meist positiver aus als bei Medikamententests unabhängiger Forschungsinstitute.
Alles nachteilig. Weshalb macht die Uni Köln dabei mit?
Sie befindet sich in finanzieller Abhängigkeit. Mitarbeiterstellen sind durch die Investitionen des Konzerns gesichert.
Wie stehen Ihre Chancen, im Berufungsverfahren zu gewinnen?
Der Richter des Verwaltungsgerichts Köln hat sich einfach nur darauf zurückgezogen, daß es beim Informationsfreiheitsgesetz für Wissenschaft und Forschung eine Ausnahme geben müsse. Noch nicht einmal er selber hatte den Vertrag zwischen der Bayer AG und der Uni Köln gekannt, um sein Urteil auf dieser Basis zu fällen. Das ist juristische Spitzfindigkeit: Er hat ihn nicht gelesen, weil der Vertrag sonst Bestandteil des Prozesses geworden wäre und auch unserem Anwalt zur Kenntnis hätte gegeben werden müssen. Als einziger Unbeteiligter kennt der Datenschutzbeauftragte von Nordrhein-Westfalen den Vertrag. Er plädiert dafür, uns Einsicht zu gewähren, weil er schließlich einzig organisatorische Regelungen enthalte – und keine Details von Forschungsergebnissen.
Die Universitätsleitung argumentiert zwar konträr zu Ihnen, bezieht sich aber ebenso auf die Forschungsfreiheit. Mit welchen Argumenten?
Betriebsgeheimnisse könnten verraten werden, was die Forschung einschränken könne, so die Meinung des Konzerns und der Universitätsleitung. Man argumentiert, freier zu sein, wenn man im Geheimen vor sich hin mauscheln kann. Und: Die zuständige Ministerin könne doch kontrollieren, ob alles mit rechten Dingen zugeht. Uns geht es aber gerade darum, daß Akteure öffentlicher Institutionen und Organisationen Einblick nehmen können.
Was ist von der Kommission an der Uni Köln zu erwarten, die sich nun damit auseinandersetzen soll, wie Drittmittel möglichst transparent eingeworben und verwendet werden können?
Wir haben Druck ausgeübt. Resultat: Man richtet eine Selbstkontrolle ein; ein taktisches Mittel, um Kontrolle von außen zu vermeiden! Eine kritische Haltung ist wohl nur von den an der Kommission beteiligten Studenten zu erwarten. Selbst der Deutsche Hochschulverband warnt mittlerweile vor immer größerer Abhängigkeit der Universitäten von der Wirtschaft. Interview: Gitta Düperthal