Rede vor der Bayer Aktionärsversammlung am 27.04.2012
Rechtsanwalt Martin Jensch
Sehr geehrter Herr Dr. Schneider,
sehr geehrter Herr Dr. Deckers,
sehr geehrte Mitglieder des Vorstands und des Aufsichtsrates,
meine sehr geehrten Damen und Herren,
Thema meines Redebeitrags ist der Wirkstoff Drospirenon, der in den oralen Verhütungsmitteln der Produktfamilie Yasmin/Yasminelle enthalten ist und bei Anwenderinnen zu massiven Schäden geführt hat. Wir haben in den anderen Redebeiträgen hierüber bereits einiges gehört und Sie Herr Dr. Dekkers haben auf die Ausführungen in Ihrer Rede verwiesen. Es sind aber für mich die wesentlichen Fragen offen geblieben.
Ich darf mich kurz vorstellen, mein Name ist Martin Jensch. Ich bin Rechtsanwalt und vertrete mehrere durch den Wirkstoff Drospirenon geschädigte Frauen. Ich spreche heute zu Ihnen sowohl für Frau Weigele und Frau Rohrer, die beide in den letzten zwei Jahren hier gesprochen haben, als auch im Hinblick auf die gesundheitlichen Schicksale drospirenongeschädigter Frauen, die sich in der Selbsthilfegruppe Drospirenon-Geschädigter (SDG) zusammengefunden haben. Meine Mandantinnen, Frau Weigele und Frau Rohrer, haben Ihnen bereits eindrucksvoll die massiven Gesundheitsbeeinträchtigungen, die sie aufgrund der Einnahme von Yasmin bzw. Yasminelle erlitten haben, geschildert. Beide erlitten schwerste Lungenembolien und müssen mit lebenslangen Folgen, wie z.B. Gasaustauschstörungen, die zu erheblichen Leistungsverminderungen führen, und dauerhafte Einnahme von Markumar, mit einhergehender faktischer Unmöglichkeit schwanger zu werden, leben.
Die berechtigten Fragen meiner Mandantinnen haben Sie bisher immer mit dem Verweis auf schicksalhafte gesundheitliche Verläufe, die nicht im Zusammenhang mit dem von Ihnen in den Verkehr gebrachten Wirkstoff Drospirenon stehen, versucht zu beantworten. Jegliche Verantwortlichkeit wurde bisher abgelehnt.
Zwischenzeitlich haben Sie vor einigen Wochen in den USA bei sämtlichen Drospirenon-haltigen Kontrazeptiva, die von Ihnen oder Ihren Töchterfirmen vertrieben werden, Warnhinweise hinsichtlich eines signifikant erhöhten Thromboserisikos der Präparate im Vergleich zu herkömmlichen Kontrazeptiva aufgenommen.
Berichten zufolge erfolgte die Aufnahme der Warnhinweise aufgrund einer Vereinbarung mit der FDA.
Ist dies zutreffend?
Es stellen sich weitere Fragen:
Wurde diese Vereinbarung zur Vermeidung rechtlicher Schritte seitens der US-amerikanischen Behörden im Hinblick auf die Drospirenon-haltigen Kontrazeptiva getroffen?
Wie viele Gerichtsverfahren sind derzeit weltweit gegen die Bayer AG und ihre Tochterfirmen wegen Schadensersatz/ Schmerzensgeld aufgrund von Drospirenon-haltigen Kontrazeptiva anhängig?
Wie viele Verfahren sind weltweit und wie viele sind in Deutschland auf Grund der schädlichen Wirkungen von Drospirenon anhängig?
Die aktuelle Datenlage bestätigt die schädliche Wirkung von Drospirenon.
Erkennt Bayer die Ergebnisse der Studien von L. Parkin, von S. Jick und K. Hernandez, von van Hylckama Vlieg und von O. Lidegaard, die allesamt zu einem 1,7- bis 3,3-fach erhöhten Thromboserisiko von Drospirenon kommen, an?
In welcher Höhe haben Sie Rückstellungen für die Drospirenon-Geschädigten in Deutschland insgesamt vorgesehen?
Warum erkennen Sie in den USA die signifikant erhöhte Thromboseverursachung durch Drospirenon an und in Deutschland nicht? Der Wirkstoff ist bekanntlich der gleiche.
Warum entschädigen Sie, nach Ihren eigenen Angaben in 651 Klagefällen in den USA Geschädigte, jedoch in Deutschland nach bisherigen Erkenntnissen keinen einzigen Fall?
Haben insbesondere vor dem Hintergrund der Einführung der Warnhinweise in den USA die Bayer AG und ihre Tochterfirmen nunmehr erkannt, dass Drospirenon zu einem höheren Thromboserisiko führt? Steht Bayer hierzu?
Wird Bayer auch in Deutschland konkret über das signifikant erhöhte Thromboserisiko zusätzlich zu den bisherigen Änderungen im Beipackzettel informieren?
Wird insbesondere in Deutschland, die Bayer Vital GmbH ihre bisherige Strategie des vollständigen Inabredestellens der thromboseerhöhenden Wirkung von Drospirenon aufgeben oder den Widerspruch zu dem Verhalten des Konzerns, z. B. in den USA weiter die ablehnende Haltung aufrechterhalten?
Herr Dr. Dekkers, Sie haben vorhin in Ihrer Rede gesagt, dass der Slogan von Bayer: „Sciense for a better Life“ auch Ihr ganz persönliches Motto ist und Sie diesen sehr ernst nehmen.
Sie werden verstehen, dass meine Mandantinnen bereits sehr froh gewesen wären und es meinen Mandantinnen gereicht hätte, wenn durch die Einnahme Ihrer Präparate ihr Leben nicht, wie geschehen, erheblich verschlechtert worden wäre.
Ich appelliere daher an Sie, übernehmen Sie nicht nur in den USA Verantwortung, sondern auch in Deutschland und sorgen Sie für eine angemessene Entschädigung der deutschen Drospirenon-Opfer!
Ich möchte Sie um eine genaue Beantwortung der Fragen bitten und bedanke mich für Ihre Aufmerksamkeit.
Rechtsanwalt M. Jensch
Fachanwalt für Familienrecht