Die Salzburger Nachrichten greifen heute unsere langjährige Kampagne zu Bienensterben auf:
Salzburger Nachrichten, 17. März 2012
Bienensterben: Kein Verbot von Pestiziden
Melissa-Studie. In Nachbarländern sind Maisbeizmittel verboten. In Österreich sollen nur „regional gehäuft“ Bienenschäden auftreten.
Fritz Pessl Wien (SN). Was ist die Ursache für massives Bienensterben in intensiv genutzten Ackerbaugebieten (Mais, Raps) in Österreich? Das Beizmittel Clothianidin, ein Pestizid, das speziell bei der Maisaussaat gegen Schädlinge zum Einsatz kommt, sei für die Misere hauptverantwortlich, behaupten Imker und die Grünen seit vielen Jahren.
Bestätigt werden sie von der Studie „Melissa 2009–2012“, die am Freitag von der Österreichischen Agentur für Gesundheit und Ernährungssicherheit (AGES), einer Behörde des Landwirtschaftsministeriums, präsentiert wurde. „Regional sind gehäuft Bienenschäden aufgetreten, die mit der Verwendung von insektizidgebeiztem Mais- und Ölkürbissaatgut in Zusammenhang zu bringen waren“, sagt Autor Leopold Girsch. Ihm zufolge ist künftig der Risikobewertung von Pflanzenschutzmitteln im Zulassungsverfahren stärker Rechnung zu tragen, um negative Auswirkungen auf Bienen vermeiden zu können.
Grund für ein Zulassungsverbot sieht Girsch aber nicht, denn es seien nur einzelne Gebiete, wie die Südsteiermark, stark betroffen. „Die Anwendung ist unter Auflagen beherrschbar“, so Girsch. Von rund 367.000 Bienenvölkern seien im Vorjahr bei 1396 Völkern (0,38 Prozent) Schädigungen durch insektizidgebeiztes Saatgut nachgewiesen worden, habe die Untersuchung ergeben.
Wolfgang Pirklhuber, Landwirtschaftssprecher der Grünen, zieht aus der Studie völlig andere Schlüsse: Für ihn ist nunmehr der Nachweis erbracht, dass Pestizide die Insekten schädigen. Er fordert daher Landwirtschaftsminister Nikolaus Berlakovich (ÖVP) auf, diese endlich zu verbieten. „Während Deutschland, Frankreich, Slowenien und Italien auf das massive Bienensterben längst mit Verboten reagierte, hat Berlakovich Jahr um Jahr beschwichtigt und sich auf die Auswertung der Studie herausgeredet.“ Bayer finanzierte Studie mit Philipp Mimkes, Geschäftsführer des Vereins Coordination gegen Bayer-Gefahren (CGB) in Düsseldorf, betont, dass in zahlreichen wissenschaftlichen Untersuchungen in Europa zweifelsfrei Clothianidin und das Vorgängerprodukt Imidacloprid als Verursacher des Bienensterbens ausgemacht worden seien. „Ausgerechnet Österreich hat sich bis zuletzt einem Verbot widersetzt und führt eine Art Inseldasein“, sagt Mimkes. Die Melissa-Studie hält er für eine Abwehrstrategie, um ein Verbot möglichst hinauszuzögern.
CBG sieht sich als internationales Selbsthilfenetzwerk, das speziell den Pharmakonzern Bayer kritisch begleitet. Laut Mimkes gehörten die beiden Bayer-Pestizide nach wie vor weltweit zu den am weitesten verbreiteten Beizmitteln. Bayer exportiere sie in 120 Länder und erziele damit rund 800 Mill. Euro Umsatz jährlich.
Da fallen 35.000 Euro Finanzierungsbeteiligung durch die Bayer Austria GmbH an der Melissa-Studie (Gesamtkosten 700.000 Euro) kaum ins Gewicht. Mimkes dazu: „Wir beobachten in allen Ländern, dass es eine enge Verquickung von Aufsichtsbehörden und Bayer gibt.“ Zudem forciere die Agrarlobby nach wie vor den lukrativen Maisanbau.