15. Februar 2012
310 Ärzte fordern Stopp der CO Pipeline
Mehr als 300 Ärzte aller Fachrichtungen fordern von der NRW Landesregierung ein Ende der CO-Pipeline, die die BAYER-Werke Dormagen und Krefeld verbinden soll. Wir dokumentieren den Offenen Brief, der von dem Kinder- u. Jugendarzt Dr. Gottfried Arnold initiiert wurde. Ausführliche Informationen finden sich auf unserer Kampagnenseite.
An die Ministerpräsidentin von NRW,
an den Umweltminister von NRW,
an den Landtag von NRW,
an die Bezirksregierung Düsseldorf,
an die CO-Pipeline-Betreiber-Firma BAYER
Sehr geehrte Damen und Herren,
wir wenden uns gemeinsam als Ärzte im Bereich der CO-Pipeline der Fa. Bayer an Sie, weil wir die Auffassung vertreten, dass im Falle eines CO-Pipeline-Unfalls viele Tote und Verletzte mit Langzeitschäden zu beklagen sein werden und daher das CO Pipeline-Projekt nicht in Betrieb genommen werden darf.
Zur Verdeutlichung dieser Annahme beschreiben wir einige medizinische Fakten:
1. Wie für Radioaktivität gibt es kein menschliches Sinnesorgan, das CO wahrnehmen und damit eine Schutzreaktion in Gang setzen kann. Daher ist die Diagnose schwierig und es hat schon mancher Helfer beim Versuch, einen Bewusstlosen zu retten, selbst eine CO-Vergiftung erlitten.
2. Die Behandlung einer schweren CO-Vergiftung erfordert eine Sauerstoff-Überdrucktherapie, die in ganz NRW im 24-Std.-Dienst nur an der Uni Düsseldorf für 2 bettlägerige Patienten gleichzeitig möglich ist (1).
3. Bei einem Gesunden können bereits nach 3-minütiger Hypoxie (Sauerstoffmangel) irreversible Gehirnschäden auftreten. Noch empfindlicher reagieren chronisch Herz- u. Lungenkranke, Anämiker, Schwangere und kleine Kinder. Ebenso kann auch ein Herzinfarkt durch eine CO-Vergiftung ausgelöst werden, was dessen Erkennung und Versorgung noch erschwert. Je später die effektive Behandlung beginnt, je länger der Sauerstoffmangel besteht, desto größer sind die Folgeschäden. Diese können auch noch nach mehr als einem Jahr nach erfolgreicher Anfangsbehandlung einer CO-Vergiftung auftreten und sind bei schweren CO-Vergiftungen in mindestens der Hälfte der Fälle irreversibel (2,3). Dazu gehören u.a. Parkinson-Erkrankung, Persönlichkeitsveränderungen, dauerhafte und z.T. progrediente Hirnschäden (3-5).
4. Die Rettungsmöglichkeiten bei einem Massenunfall (7,8) sind völlig unzureichend:
a) die Feuerwehren dürfen ihr Personal mit umluftunabhängigen Atemschutzanzügen nur 10 Minuten in eine CO-Wolke hineinschicken, danach muß der Rückweg angetreten werden;
b) die örtlichen Feuerwehren der Städte z.B. im Kreis Mettmann verfügen etwa über 1 Notarzt- und 2 Krankenwagen, womit also nicht mehr als 3 Patienten mit Sauerstoff versorgt werden können. Längere Wartezeiten bis zum Eintreffen unterstützender Feuerwehren beim Massenanfall von Verletzten gehen mit einer Zunahme von bleibenden Hirnschäden und Todesfällen einher;
c) bei einer Intervall-Behandlung von 2 – 3 Std. mit hyperbarem Sauerstoff (HBO) in der einzigen Sauerstoff-Überdruckkammer in NRW mit 24-Std.- Dienst (s.o.) können also maximal nur 16 – 24 bettlägerige Patienten mit schwerer CO-Vergiftung behandelt werden;
d) in dem im TÜV-Gutachten (6) vorgelegten Scenario eines Massenunfalls bei Rohrbruch wohnen laut Angaben der Stadt Hilden (8) in der AEGL -2- Zone 930 Personen (potentiell CO-Vergiftete), in der AEGL-3-Zone 140 Menschen (potentiell Tote).
Aufgrund dieses menschenverachtenden Gefahrenpotentials appellieren wir nachdrücklich an die Firma Bayer, das CO-Pipeline-Projekt aufzugeben.
Dr. med. Gottfried Arnold
Kinderarzt im Ruhestand
(1) Internetauftritt der Überdruckkammer des Universitätsklinikums Düsseldorf.
Verfügbar unter: www.uniklinik-duesseldorf.de->Institute->Hyperbare
Sauerstoff-therapie (HBO).
(2) www.medizin.uni-halle.de/kai/media/ELearning/Kohlenmonoxid.pdf
(3) Gillespie ND et al., Severe parkinsonism secondary to carbon monoxide
poisoning. J R Soc Med 1999; 92(10): 529-530
(4) Gallerani M et al., Parkinsonian syndrome after acute carbon monoxide
poisoning. Am J Emerg Med 2000; 18(7): 833-834
(5) Min SK, A brain syndrome associated with delayed neuropsychiatric sequelae
following acute CO intoxication. Acta Psychiatr Scand 1986; 73(1): 80
(6) TÜV Nord (2005): Betrachtung der Auswirkung von Lecks und einem Vollbruch
in der Kohlenmonoxidleitung von Köln-Worringen nach Krefeld-Uerdingen
der Bayer Industry Services GmbH&Co.OHG, Gutachten, Essen
(7) von Mühlendahl,KE et al., Risikowahrnehmung und -kommunikation bei
Planung und Bau einer CO-Pipeline am Niederrhein. Umweltmed Forsch
Prax 16 (1) 21-27 (2011)
(8) persönliche Mitteilung Stadtverwaltung Hilden am 13.4.2011