taz, 22. August 2011
Universität Köln und Bayer
Geheime Partnerschaft
Die Uni Köln hält einen Vertrag mit dem Pharmakonzern unter Verschluss. Dem Landesdatenschutzbeauftragten passt das nicht. Jetzt landet der Fall vor Gericht.
So viel Geheimniskrämerei ist ungewöhnlich: Erkundigt man sich beim Pharmariesen Bayer nach der Kooperation mit der Universität Köln, schweigt die Pressesprecherin sekundenlang ins Telefon, ehe sie sagt, dass sie nichts sagt. Je konkreter die Nachfragen, desto „alberner“ findet sie sie. Sie muss sich erst mit dem Rektor absprechen, dann sagt sie: nichts.
Das industriekritische Bündnis „Coordination gegen Bayer-Gefahren“ hat darum nun Klage auf Offenlegung des 28-seitigen Abkommens zwischen Universität und Pharmakonzern eingereicht. Es könnte ein Präzedenzfall werden, was die Zusammenarbeit von Hochschulen und Wirtschaft anbetrifft. Das Gericht hat die Universität und Bayer zu einer Stellungnahme bis Mitte Oktober aufgefordert.
Im März 2008 hatte die Kölner Universität mit dem Bayer-Konzern eine „präferierte Partnerschaft“ vereinbart, wonach beide bei der Entwicklung neuer Medikamente vorrangig zusammenarbeiten. Auch ein Graduiertenkolleg für Doktoranden wurde mithilfe von Bayer eingerichtet. Der damalige Wissenschaftsminister Andreas Pinkwart (FDP) freute sich über eine Zusammenarbeit, die „beide Seiten stärkt“: Diese Kooperation sei „die weitreichendste, die eine nordrhein-westfälische Universitätsklinik bislang eingegangen ist“.
Wie weit die Zusammenarbeit konkret reicht, ist allerdings unklar. Die Universität hatte in einem Schreiben an das bayer-kritische Bündnis zwar eingeräumt, dass wissenschaftliche Erkenntnisse aus der Kooperation erst nach „wechselseitiger Unterrichtung“ publiziert werden. Bei der Entwicklung neuer Medikamente sehe der Vertrag eine „angemessene Vergütung“ der Universität vor. „Auf die eigentlich kritischen Punkte gab es allerdings auf unsere Rückfragen keine Antwort“, sagt Philipp Mimkes vom Vorstand der „Coordination gegen Bayer-Gefahren“. Völlig offen bleibe etwa, wer die Verwertungsrechte an den Arzneien habe und wie die Vergütung genau geregelt sei. Mimkes Verdacht: Ein privater Pharmakonzern könnte hier eine staatliche Hochschule als billige Entwicklungsabteilung missbrauchen.
Datenschützer kann nur appellieren
Rückendeckung bekommen hat das Bündnis vom nordrhein-westfälischen Landesbeauftragten für Datenschutz, Ulrich Lepper, der Einblick in das Abkommen nehmen konnte und die Uni ebenfalls zur Veröffentlichung auffordert. Das Informationsfreiheitsgesetz des Landes NRW, über dessen Einhaltung Lepper wacht, sieht vor, dass Dokumente öffentlicher Stellen grundsätzlich zugänglich sein müssen. Die Universität beruft sich allerdings auf eine Ausnahmereglung, wonach Forschungsvorhaben nicht offengelegt werden müssen, um die Freiheit der Wissenschaft zu wahren.
„Eine Veröffentlichung von konkreten Forschungsthemen und Projekten wäre problematisch“, sagt auch Lepper. Doch sei „in dem Vertrag nichts davon zu erkennen.“ Dieser regle vor allem Organisatorisches. „Dass die Universität hier mit der Wissenschaftsfreiheit argumentiert, überzeugt mich nicht.“
Das Problem: Lepper kann allenfalls appellieren. Mimkes von den Bayer-Kritikern nennt es „unbefriedigend“, dass die Landesregierung sich an Leppers Votum „nicht halten muss“. Dem Bündnis bleibt daher nur der Klageweg. Für den Prozess vor dem Kölner Verwaltungsgericht haben Universität und Bayer aufgerüstet, was sich laut Mimkes darin zeigt, dass sich beide von renommierten Großkanzleien vertreten lassen. Der Bayer-Konzern wurde vom Gericht beigeladen und kann deswegen zu jedem Verfahrensschritt Stellung nehmen. „Die hängen das sehr hoch“, sagt Mimkes. „Wir schätzen, dass Bayer die Universität dazu drängen wird, die Sache bis zur letzten Instanz auszufechten.“ Von Bayer selbst heißt es dazu wenig überraschend: kein Kommentar. BERND KRAMER
Die Uni Köln glaubt, der Öffentlichkeit nichts schuldig zu sein
Ohne die geringste Transparenz
Kommentar von BERND KRAMER
Die Kölner Universität schließt eine Kooperation mit dem Pharmariesen Bayer – und hält den Vertrag partout unter Verschluss. Das Erschütternde an diesem Fall ist, dass seit Jahren sämtliche Appelle an der Universität abprallen und sie es konsequent auf eine Klage hat ankommen lassen.
Diese Sturheit offenbart ein verqueres Selbstverständnis einer öffentlichen Institution, die der Öffentlichkeit nichts schuldig zu sein glaubt. Die Loyalität zu Kooperationspartnern aus der Wirtschaft wiegt offenbar höher als die gegenüber der Allgemeinheit, die die Hochschulen mit Steuergeldern finanziert. Dieses Verhalten ist grundfalsch.
Das gilt umso mehr, da die Kooperationen zwischen Wissenschaft und Wirtschaft seit Jahren zunehmen. Deutschlandweit gibt es beispielsweise weit über 600 sogenannter Stiftungsprofessuren, die von Unternehmen oder Verbänden auf Zeit finanziert werden. Vor zehn Jahren waren es erst halb so viele. Der Einfluss der Geldgeber auf Forschung und Lehre ist dabei mal größer, mal kleiner – nur wirklich unabhängig wird eine gesponserte Wissenschaft allen Bekenntnissen zum Trotz wohl nie sein.
Deswegen sollten zumindest die Rahmenbedingungen solcher Kooperationen einsehbar sein, ein Minimum an Transparenz, das sogar der wirtschaftsnahe Stifterverband empfiehlt. Man würde gerne von der Kölner Uni wissen: Was passiert mit Forschungsergebnissen, die nicht im Geschäftsinteresse Bayers liegen? Wer verdient wie viel an gemeinsam entwickelten Arzneien? Und wie groß ist die Gefahr, dass sich Universitätsmediziner zu sehr der Entwicklung marktgängiger, aber unnützer Medikamente widmen statt aussichtsreicher Grundlagenforschung? Die Geheimniskrämerei lässt Schlimmes vermuten.