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[Grüne Monheim] Einwendung TDI

CBG Redaktion

09.07.2011

Einwendung der Monheimer GRÜNEN gegen die geplante TDI-Produktionsanlage in Dormagen

Monheim, 5. Juli 2011

An die Bezirksregierung Köln
Dezernat 53
50606 Köln

Einwendung: Antrag der Firma BAYER MaterialScience AG gemäß § 4 BImSchG zur Errichtung einer Produktionsanlage von Toluylendiisocyanat (TDI) im CHEMPARK Dormagen

Sehr geehrte Damen und Herren,

die Firma BAYER MaterialScience AG (BMS) plant im CHEMPARK Dormagen die Errich­tung und den Betrieb einer Anlage zur Herstellung von Toluylendiisocyanat (TDI) mit einer Kapazität von 300.000 Tonnen (t) pro Jahr. Eine bestehende Anlage mit 100.000 t Jahresleis­tung wird stillgelegt. Laut Genehmigungsantrag befinden sich in der geplanten Anlage grö­ßere Mengen gefährlicher Stoffe, die in der Störfall-Verordnung genannt sind, darunter 60 t Phosgen (größtes Einzelinventar 30 t), 2900 t TDI (855 t) und 1170 t ortho-Dichlorbenzol (ODB). Die in der Anlage jährlich insgesamt umgesetzten Mengen an Ammo­niak, Chlor, Kohlenmonoxid und Phosgen liegen im 100 bis 365 Kilotonnenbereich! Die ge­plante ca. 150 Mio. Euro-Investition in den Standort Dormagen ist mit Blick auf die Siche­rung der Arbeitsplätze zu begrüßen, doch die Nähe der geplanten Anlage zum Siedlungsbe­reich fordert den Einsatz höchstmöglicher Sicherheitsstandards einschließlich aller Vorsor­gemaßnahmen, die auch die Beherrschung größtmöglicher Unfälle einschließt.

Aus folgenden Gründen bitten wir Sie, das Vorhaben aufgrund des jetzt vorliegenden Antrags noch nicht zu genehmigen:

1. Worst Case-Szenario wird nicht behandelt – Sicherheitssysteme dafür ausreichend?

Auch wenn die Firma BAYER hier über umfangreiche Erfahrungen verfügt, gehört die Handhabung des sehr giftigen Phosgens zu den gefährlichsten großtechnischen Prozes­sen, weshalb es für uns nicht hinnehmbar ist, dass hinsichtlich zu erwartender Störfälle die im Genehmigungsantrag geschilderten Szenarien sich praktisch auf den Normalbe­trieb mit kleineren Leckagen beschränken, größere Unfälle jedoch nicht behandelt wer­den. Größere Störfälle bei BAYER im In- und Ausland und zuletzt bei INEOS in Dorma­gen belegen aber sehr deutlich, dass auch die geplanten Maßnahmen zur Beherrschung von Großbränden in einem Genehmigungsantrag zu betrachten sind. In Anbetracht der großen Mengen sehr gefährlicher Stoffe und Zubereitungen wie Phosgen und TDI mit 30 bzw. 855 Tonnen als größtem Einzelinventar, als freie oder gelöste Substanz, erwarten wir eine nachvollziehbare Beschreibung der geplanten Katastrophenabwehrmaßnahmen und eine Analyse des maximal zu erwartenden Schadens für die Umwelt im Fall von z. B. einem Großbrand. Es ist auch darzulegen, wie die Feuerwehren der umliegenden Gemeinden zu ertüchtigen sind. Ebenso ist darzulegen, mit welchen technischen Mitteln die Ausbreitung von Phosgen in den Luftraum bei großen Störfällen unterbunden wird.

2. Unzureichende Störfallbetrachtung!

Die von BSI geplante Einhausung der Phosgen führenden Anlagenteile und deren konti­nuierliche Überwachung und Raumluftentgiftung bewerten wir positiv, weil sie die im „Normalbetrieb“ zu erwartenden Emissionen in die Luft reduziert. Selbst im Störfall sol­len von der Anlage freigesetzte, gefährliche Stoffe an der nächstgelegenen Werksgrenze in 283m Distanz kaum mehr nachweisbar sein. Schon angesichts der großen gehandhab­ten Mengen gefährlicher Stoffe erscheinen uns die in den Ausbreitungsberechnungen eingesetzten Stoffmengen erheblich zu gering. Darüber hinaus empfiehlt die Kommission für Anlagensicherheit (KAS) beim Bundesministerium für Umwelt, Naturschutz und Re­aktorsicherheit für Phosgen, Chlor und Chlorwasserstoff grundsätzlich einen Mindestab­stand von ca. 1,5 km zu Siedlungen. Sogar Teile von Monheim liegen innerhalb dieser Entfernung, und zwar in der Hauptwindrichtung! Warum dieser höhere Sicherheitsstan­dard hier nicht zur Anwendung kommt, wird im Genehmigungsantrag nicht ausgeführt. Aufgrund der Distanzempfehlungen der KAS sind außerhalb des Werksgeländes zumin­dest Detektoren für Phosgen in unterschiedlichen Abständen zu installieren, in das Werkswarnsystem einzubinden und auf die Leitwarten der umgebenden Wehren bzw. zu­ständigen Aufsichtsbehörden aufzuschalten.

3. Hochwasserschutz ausreichend?

Unter 13.5.2.3.2 wird unter Bezug auf Hochwasserereignisse seit 1926 ausgeführt, dass „besondere Maßnahmen zum Schutz gegen Hochwasserschutz entfallen“, eine „Gefähr­dung durch Ansteigen des Grundwasserspiegels bei Hochwasser bisher nicht gegeben“ sei. Klimaveränderungen in den zurückliegenden Jahrzehnten und Prognosen für die kommenden Jahrzehnte lassen aber nicht ausschließen, dass innerhalb der avisierten Laufzeit der geplanten Anlage von rund 40 Jahren sehr wohl Hochwasserereignisse von signifikantem Einfluss für die Anlage und die darin eingebundenen Sicherheitssysteme eintreten können. Dies betrifft auch Kanäle, Auffangbecken für Löschwasser und bei Le­ckagen austretende Flüssigkeiten. Wir bitten die Genehmigungsbehörde daher zu prüfen, ob die Ausführungen im Antrag zum Hochwasserschutz ausreichend bzw. sachlich zutreffend sind.

4. Mülltransporte – Reststoffbehandlung – Dioxinrisiko

Bei plangemäßem Betrieb der Anlage werden verschiedene Rückstände erwartet, darun­ter 10900 Tonnen TDI-Rückstand, die in der Klärschlammverbrennungsanlage der Infraserv GmbH & Co. Höchst KG, Frankfurt oder in der Entsorgungsanlage zur Energiegewin­nung der Innovatherm Lünen oder im Kraftwerk der Currenta GmbH & Co. OHG in Krefeld (Uerdingen) thermisch verwertet werden sollen.

Die Zusammensetzung dieser der TDI-Rückstände von anscheinend teerartiger Kon­sistenz wird im Genehmigungsantrag nicht näher ausgeführt. Es erscheint uns somit nicht ausgeschlossen, dass diese Rückstände Chlor ent­haltende Substanzen beinhalten, die bei der Verbrennung zur Bildung von Dioxinen füh­ren könnten. Wir bitten die Genehmi­gungsbehörde, dies zu überprüfen und auf eine sicherere Verbrennung in speziellen Öfen zu bestehen, die ohnehin vor Ort nahe zur geplanten TDI-Anlage existieren (Sondermüllverbrennungsan­lage). Sollte eine Verbrennung der Stoffe außerhalb des CHEMPARK Dormagen dennoch genehmigt werden, so ist ein schienengebundener Transport zu bevorzugen, da für 10900 Tonnen Reststoffe mit mindestens jährlich 500 LKW-Hin- und Rückfahrten und zugehörigen Immissionen (Lärm, Feinstaub, Reifenabrieb) und Infrastrukturbelastungen zu rechnen ist.

5. Langfristige Anlagensicherheit

Als Laufzeit der geplanten Anlage werden 30 bis 40 Jahre angenommen. Mit Blick auf das von BAYER gewählte Produktionsverfahren mit dem gefährlichen Phosgen als we­sentlichem Hauptedukt ist dieser Zeitraum sehr lang. Verfahren, die ohne Phosgen aus­kommen, seien, wie uns seitens der Firma BAYER mitgeteilt wurde, derzeit nicht wirt­schaftlich, weil mit der Bildung vieler Nebenprodukte verbunden. Die Gefährlichkeit des Produktionsprozesses verlangt aus unserer Sicht, die Anlage in Abständen von fünf bis zehn Jahren nicht nur hinsichtlich der Gewährleistung des höchsten Standes der Technik zu überprüfen und ggf. eine Nachrüstung zu verlangen, sondern auch das gewählte Verfah­ren selbst periodisch zu hinterfragen und ggf. durch ein bis dahin entwickeltes, Phosgen-freies Verfahren zu ersetzen. Insbesondere für den Fall der wirtschaftlichen Übernahme durch einen neuen Eigentümer ist dieses Vorgehen festzuschreiben.

Diese Einwendung der Monheimer GRÜNEN (Ortsverband und Ratsfraktion) wird zeitgleich bei der Monheimer Stadtverwaltung eingereicht.

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