Kölner Stadt-Revue, Juli 2011
Bayer schweigt weiter
Die Uni Köln und der Pharmakonzern wollen ihren Kooperationsvertrag nicht offen legen. Die Coordination gegen Bayer-Gefahren will das nun gerichtlich erwirken
Es ist kein Geheimnis, dass die meisten deutschen Universitäten unterfinanziert sind. Ebenso mantraartig, wie die prekäre finanzielle Situation der Hochschulen im bildungspolitischen Diskurs wiederkehrt, wird die scheinbare Lösung des Problems wiederholt: die Einwerbung von Drittmitteln. An Stellen, an denen öffentliche Gelder nicht mehr ausreichen, soll Unterstützung aus der Privatwirtschaft die gröbsten Löcher stopfen. Da auch diese begrenzt ist, befinden sich die Hochschulen in einem harten Wettbewerb um die Fördermittel.
Groß war daher die Freude des damaligen NRW-Innovationsministers Andreas Pinkwart (FDP), als er vor knapp drei Jahren die »weitest reichende« Kooperation zwischen einer nord-rhein-westfälischen Uniklinik und einem »globalen Pharmaunternehmen« verkündete. Im März 2008 unterzeichneten Bayer HealthCare, eine Tochter des Bayer-Konzerns, und die Uni Köln ein »Preferred Partnership Agreement«. Das heißt: Gemeinsam wollen sie an neuen Präparaten gegen Krebs, neurologische Leiden und Herz-Kreislauf-Erkrankungen forschen.
Das Problem: Der Einfluss Bayers auf die Universitätsstudien ist dabei völlig unklar. »Wir wissen nicht, ob für das Unternehmen unliebsame Ergebnisse veröffentlicht werden oder in der Schublade verschwinden und welche Mitspracherechte Bayer bei der Auswahl der Forschungsziele zugestanden werden«, sagt Philipp Mimkes, Vorstandsmitglied der Coordination gegen Bayer-Gefahren (CBG). Die CBG versucht daher gemeinsam mit anderen Organisationen zu erwirken, dass der Kooperationsvertrag zwischen der Hochschule und dem Konzern offen gelegt werden muss. Doch sowohl Bayer als auch die Uni verweigern unter Verweis auf das Betriebsgeheimnis jegliche Aussage. Im Mai hat die CBG daher eine Klage auf Offenlegung beim Verwaltungsgericht Köln eingereicht.
Unterstützung erhält Mimkes vom Allgemeinen Studierendenausschuss (AStA) der Uni Köln. Jonas Thiele, erster Vorsitzender der Studierendenvertretung, geht es um eine breite Diskussion der Einwerbung von Drittmitteln. »Natürlich muss die Uniklinik ihre Labore finanziert bekommen. Doch die Problematik dieser Finanzierung wird offiziell überhaupt gar nicht thematisiert.« Das Uni-Label verleihe den Bayer-Studien zusätzliche Autorität. Als öffentliche Institution müsse sich die Hochschule aber ihre Autonomie von der Wirtschaft bewahren, findet auch Thomas Heise, Ökologiereferent des AStA. »Als Steuerzahler oder Steuerzahlerin muss man sich fragen, was es für einen Nutzen hat, wenn ein einzelnes Unternehmen Gewinn daraus zieht, eine exklusive Kooperation einzugehen.«
Dass diese Befürchtungen nicht ganz unberechtigt sind, wurde Ende Mai in Berlin deutlich. Dort mussten Deutsche Bank, Humboldt-Universität und Technische Universität einen Vertrag offen legen. Mit dem exklusiven »Sponsoren- und Kooperationsvertrag« sicherte sich die Bank neben Lehraufträgen für Mitarbeiter auch Mitsprache in der Lehrkonzeption und ein Vetorecht bei der Veröffentlichung von Forschungsergebnissen.
Diese bedenkliche Vertragsgestaltung gibt der CBG zusätzliche Argumente an die Hand. Wichtiger noch ist aber das Gutachten des NRW-Datenschutzbeauftragten. Ausgehend vom allgemeinen Anspruch auf freien Zugang zu den bei öffentlichen Stellen verfügbaren Informationen, verbrieft im Informationsfreiheitsgesetz (IFG), kommt er zu dem Schluss: Eine Einsichtnahme in den Vertrag muss gewährleistet werden.
Über Mittel, diesen Anspruch durchzusetzen, verfügt der Datenschutzbeauftragte allerdings nicht. »Die Landesregierung hat die Offenlegung quasi selbst beschlossen. Doch obwohl es sich hier um einen Landesbetrieb handelt, sieht sie sich nicht in der Lage, den Vertrag zu veröffentlichen, sondern hat uns an den Rechtsweg verwiesen«, fasst Philipp Mimkes zusammen. Die Chancen der Klage sieht er realistisch: »Natürlich wird sich Bayer sehr teure Anwälte leisten um das zu kontern. Erfahrungsgemäß ist es immer schwer, auf juristischem Wege gegen einen so großen Konzern anzukommen.«
Weder Bayer HealthCare noch die Uniklinik waren zu einer Stellungnahme bereit. Die Unileitung bestreitet den gesetzlichen Anspruch auf Einsichtnahme und würde »darin einen Eingriff in unsere grundgesetzlich verbürgten Rechte sehen«. Die Freiheit von Forschung und Lehre sei schrankenlos gewährt und dürfe nicht durch das IFG eingeschränkt werden. Inwieweit sich die Kölner Hochschulleitung bei ihrer Auslegung der »Freiheit von Forschung und Lehre« am Berliner Beispiel orientiert, bleibt vorerst ihr Geheimnis. Zur Klärung dieser sehr grundsätzlichen Frage ist nun das Gericht berufen. Lukas Böckmann