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Duogynon

CBG Redaktion

8. Oktober 2010, Salzburger Nachrichten

Ein Medikament unter Verdacht

Der Schwangerschaftstest Duogynon soll in den 70er Jahren zu Missbildungen bei Babys geführt haben. Die Betroffenen, darunter auch Österreicher, wollen nun die Wahrheit ans Licht bringen.

(SN-alf). Es war Mitte der 70er-Jahre. Eine Salzburgerin bekommt von ihrer Frauenärztin den Schwangerschaftstest Duogynon verschrieben. Duogynon ist ein Hormonpräparat, das die Regelblutung auslöst. Blieb sie nach Einnahme des Medikaments aus, wussten die Frauen, dass sie ein Kind erwarteten. Als der Sohn der Salzburgerin zur Welt kommt, befindet sich die Harnblase außerhalb seines Körpers.

Verschiedenste Missbildungen
Es waren englische Ärzte, die als erste auf einen möglichen Zusammenhang zwischen den Missbildungen bei Babys und dem Hormonpräparat Duogynon hinwiesen. Zahlreiche Untersuchungen wurden gemacht, das Ergebnis war nicht eindeutig. 1980 wurde das Medikament in Deutschland vom Markt genommen, zuvor war der Einsatz an Schwangeren verboten worden. Duogynon wurde auch bei ausbleibender Monatsblutung eingesetzt.
Mehrere Hundert Eltern von betroffenen Kindern, die Wasserkopf, Missbildung der Extremitäten, Lippen-Kiefer-Gaumenspalten, Herzfehler oder Fehlbildungen der Genitalien, offene Rücken oder offene Harnröhren hatten, klagten damals den Produzenten, das deutsche Pharmaunternehmen Schering. Ohne Erfolg. Nach der damaligen Gesetzeslage hätten sie den eindeutigen Nachweis erbringen müssen, dass das Präparat an der Missbildung ihrer Kinder schuld sei. Dies war jedoch nicht eindeutig möglich.

Erste Klagen
Nun sind es nicht die Eltern sondern die Kinder selbst, die gegen die Firma Bayer, die Schering übernommen hat, vorgehen. So erhielt die betroffene Salzburger Familie vor Kurzem einen Anruf von Andre Sommer. Der studierte Betriebswirt, der als Grundschullehrer in seiner Heimat Pfronten im Allgäu arbeitet, war selbst mit einer schweren Missbildung zur Welt gekommen. Seine Harnblase lag offen am Bauch, die Genitalien waren verstümmelt. Seit seiner Geburt musste er ein gutes Dutzend Mal operiert werden. Die Ärzte bauten seine Harnblase nach, vor Kurzem wurde er Vater eines Buben. Sommer will den Fall Duogynon neu aufrollen. Daher kontaktiert er potenzielle Opfer, damit sie ihn unterstützen.
Sommer hat inzwischen eine Klage gegen die Firma Bayer eingebracht. Darin fordert er Einsicht in die Unterlagen, die das Unternehmen über das Medikament Duogynon hat. Seine Chancen, dass er den Fall aufklären kann, stehen besser als bei seinen Eltern. In Deutschland hat sich das Arzneimittelgesetz geändert. Darin enthalten ist ein Auskunftsparagraph. Pharmafirmen müssen alle Unterlagen zu einem Medikament offen legen. Allerdings: Die Firma Bayer ist überzeugt, dass es keinen Zusammenhang zwischen den Missbildungen und dem Medikament gibt. Außerdem hält sie die Angelegenheit für verjährt.

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