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Endosulfan

CBG Redaktion

Presse Information vom 8. September 2010
Coordination gegen BAYER-Gefahren

Brasilien: BAYER-Pestizid kontaminiert Soja

„Endosulfan sofort vom Markt nehmen“ / Entschädigung für Landwirte gefordert

Im Süden von Brasilien wird die Soja-Ernte von Biobauern durch das hochgefährliche Pestizid Endosulfan kontaminiert. Zu den Verkäufern des Giftstoffs gehört auch die deutsche Firma Bayer CropScience. Auf öffentlichen Druck hin kündigte Bayer zwar an, den Verkauf von Endosulfan bis zum Jahresende einzustellen – bis dahin sollen aber offenbar alle Restchargen abgesetzt werden.

Philipp Mimkes von der Coordination gegen BAYER-Gefahren: „Wir fordern das Unternehmen BAYER auf, den Verkauf von Endosulfan unverzüglich einzustellen. Zudem muss BAYER die Biobauern in Capanema entschädigen. Ein gefahrloser Umgang mit Giftstoffen wie Endosulfan ist schlichtweg unmöglich – daher muss der Hersteller für alle Folgen haften.“

In den letzten Jahren hat die Belastung mit Pestiziden rund um den Ort Capanema drastisch zugenommen. Schuld daran sind nicht die Biobauern, die ohne Agrochemikalien arbeiten, sondern der starke Einsatz von Endosulfan in benachbarten Plantagen. Große Mengen des Giftstoffs verdunsten und schlagen sich auf angrenzende Felder nieder. Wegen der strengen Bio-Standards ist die Ernte nun unverkäuflich. Die Landwirte stehen vor dem Ruin.

Die Kleinbauern aus Capanema fordern daher in einer Petition an die brasilianische Regierung ein sofortiges Verbot der Giftstoffe Endosulfan, Paraquat und Methamidophos. Im vergangenen Jahr hat Brasilien über 2000 Tonnen Endosulfan importiert. Allein in der Gemeinde Capanema wurden mehr als fünf Tonnen ausgebracht – doppelt so viel wie in den Vorjahren. „Brasilien wird zur Mülldeponie. Alle problematischen Pestizide, welche andernorts nicht mehr verkauft werden können, werden hierher gebracht“, kritisiert Rosany Bochner, Toxikologin am brasilianischen Institut Fiocruz.

Die Schweizer fairtrade-Firma gebana analysierte das biologisch produzierte Soja aus Capanema und fand rund 0.05 ppm Endosulfan pro Kilogramm. Das ist zwar deutlich unter dem gesetzlichen Grenzwert von 0.5 ppm, aber für Bioprodukte dennoch zu viel. Den Bauern, die ihre Felder mit Sorgfalt biologisch bewirtschaften, wird dadurch die Existenzgrundlage entzogen. Die gebana initiierte daher die Kampagne „chega!“ – übersetzt „Es reicht!“.

Endosulfan ist in sechzig Ländern verboten, in Deutschland seit fast zwanzig Jahren. BAYER exportiert das Pestizid jedoch weiterhin ins Ausland. Auch in Indien, China und Israel wird Endosulfan weiter produziert. Die Chemikalie greift Nervensystem, Blutkreislauf und Nieren an, immer wieder kommt es zu tödlichen Vergiftungen. 99% der Unfälle betreffen Landarbeiter und Landarbeiterinnen in der „Dritten Welt“, da diese weder über die nötige Schutzkleidung verfügen, noch die Warnhinweise auf dem Produkt verstehen. Sollte die Chemikalie im kommenden Jahr auf die Liste der Stockholm Konvention aufgenommen werden, käme dies einem weltweiten Verbot gleich.

Unter http://www.chega.org kann die Petition unterzeichnet werden. Außerdem findet man hier ausführliche Informationen zum Sojaanbau und die Gelegenheit zur Spende an die Kampagne „chega!“

update vom 05 Nov. 2010

CHEGA! hat 5800 Unterzeichnende! „Die betroffenen Biobauern können kaum glauben, dass sich Menschen weltweit mit ihnen solidarisieren“, erzählt Adrian Wiedmer. Er ist Geschäftsführer der Fairtrade Organisation gebana und arbeitet seit Jahren mit den Biobauern in Capanema zusammen. Im Oktober war er vor Ort um die weiteren Massnahmen im Zusammenhang mit dem Endosulfan-Problem sowie die Bio-Zertifizierung und die Vorfinanzierung der nächsten Ernte zu koordinieren.

Adrian Wiedmer berichtet über erste positive Entwicklungen: So hat Bayer wie angekündigt im August alle Restbestände von Endosulfan aus den Lagern in Capanema zurückgezogen. Ausserdem konnten die ersten zehn Container mit Soja nach Europa importiert werden. Diese Ware wird als Bio anerkannt, kann allerdings nur als Futtersoja verkauft werden, was mit grossen Verlusten verbunden ist.

In Südbrasilien steht die nächste Soja-Aussaat an. Obwohl Bayer ihr Produkt vom Markt genommen hat, werden andere Hersteller Endosulfan weiterhin verkaufen. Um die lokalen Anbieter unter Druck zu setzen, werden wir sie in einem Schreiben auf die Gefahren von Endosulfan und die gesetzlichen Bestimmungen für dessen Verkauf aufmerksam machen.

weitere Informationen:
· Aktionen gegen Bayer-Pestizid Endosulfan erfolgreich
· Umweltverbände fordern Verkaufs-Stopp von Endosulfan
· Klasse I-Pestizide von BAYER

Bio-Bauern wehren sich gegen Pestizid-Kontamination

Die Biobauern von Capanema haben die Nase voll. Sie kämpfen für ihr Recht biologisch produzieren zu dürfen und gegen die Verunreinigung ihrer Produktion mit Pestiziden. Campanema ist ein Dorf im Süden Brasiliens, ganz in der Nähe der berühmten Wasserfälle von Iguaçu und dem dortigen Nationalpark gelegen. Von seinen rund 20’000 Einwohnern leben rund die Hälfte von der Landwirtschaft. Sie bewirtschaften Höfe von durchschnittlich 10-20 Hektaren Grösse. Als italienische und deutsche Auswanderer sind sie vor etwa hundert Jahren nach Brasilien gekommen. Auf der Suche nach dem besseren Leben.

Capanema hat eine bewegte Geschichte. In den 50er Jahren verbreitete eine aggressive Holzfirma Angst und Schrecken in der Region, um die Bauern zu vertreiben. Das Land hatte die Regierung sowohl den Bauern als auch der Firma zugeteilt. Aber die Bauern wehrten sich. Sehr arm und kaum bewaffnet, schafften sie es, die Firma und ihre Desperados zu verjagen. Die Region um Capanema ist deshalb eine der wenigen Regionen in Brasilien, in der Kleinbauernwirtschaft überlebt hat.

Mit der Intensivierung der Landwirtschaft in den 80er Jahren kam es wegen der Anwendung von Pestiziden zu schlimmen Unfällen. Unerfahren und unvorsichtig im Umgang mit den Spritzmitteln, starben Bauern und Kinder durch den Kontakt mit den giftigen Substanzen. Eine Gruppe dieser Bauern entschied sich, fortan darauf zu verzichten und nach Alternativen zu suchen. Biologische Soja war eine der Alternativen, auch wenn man damals noch nicht wusste, dass dieser Anbau „biologisch“ heisst und dass es dafür ein besonderes Kundeninteresse gibt. In den 90er Jahren haben diese Bauern Schritt für Schritt ihren Markt aufgebaut, seit 1999 in Zusammenarbeit mit der Fairtrade-Pionierfirma gebana.

Die konventionell arbeitenden Bauern in der Umgebung verwendeten allerdings weiterhin Pestizide aller Art und liessen sich auf die Gentechnik ein. Mit intensiver Werbung und vielen Versprechen bringt die Agroindustrie gentechnisch verändertes Saatgut (GVO) und immer neue Spritzmittel an die Bauern.

Die Biobauern führen derweil eine schwierige Existenz. Sie werden ausgelacht, weil sie ihre Felder von Hand bearbeiten und ohne die Hilfe von Pestiziden mit Schädlingen zu kämpfen haben. Im Vergleich zu den konventionellen Bauern arbeiten sie nicht nur härter, sondern müssen erst noch immense Anstrengungen unternehmen, um ihre Soja von der GVO Soja der Nachbarn und vom Einfluss der Spritzmittel freizuhalten. Und die Kosten dafür tragen sie alleine. Es liegt an ihnen, Schutzhecken gegen Pestizid-Verunreinigungen um ihre ohnehin schon kleinen Anbauflächen herum zu erstellen. Mit einem Teil ihrer Ernte müssen sie die geliehenen Mähdrescher „reinigen“ und diesen Teil als konventionell verkaufen, um den anderen Teil der Ernte von GVO-Kontaminationen fern zu halten. Weiteres Geld und Mühsal fliesst in separate Warenflüsse, Probennahme und chemische Analysen.

Leider sind die Kunden der biologischen Soja oft nicht besonders daran interessiert, wie und wo ihre Soja angebaut wird. Sie denken nicht mehr an die Umwelt und an die sozialen Aspekte der Produktion. Im Vordergrund steht die „Reinheit“ des Konsumgutes. Deswegen ist die eindimensionale chemische Analyse der Produkte ins Zentrum gerückt und der nachhaltige Anbau zweitrangig geworden. Wie alle Kleinbauern weltweit besitzen auch die Kleinbauern in Capanema in diesem Spiel die schlechteren Karten. Ihre kleinen Felder sind den Einflüssen der Nachbarbauern stark ausgesetzt. Zusätzlich sind die vom Staat vernachlässigten peripheren und armen Regionen ein idealer Ort, um in Europa schon lange verbotene Spritzmittel loszuwerden und einen lukrativen Ausverkauf zu betreiben.

Eines dieser Gifte ist Endosulfan, welches zu den umstrittensten Pestiziden gehört. Es baut sich in der Umwelt nur sehr langsam ab und ist bereits in der Anwendung potentiell tödlich. Seit 1991 in Deutschland verboten, verkauft unter anderen Bayer CropScience in der Region Capanema Endosulfan bis heute unter mehreren Marken. Der Verkauf wird offenbar sogar forciert und hat sich von 2008 auf 2009 mindestens verdoppelt. Geht es darum, vor einem weltweiten Verbot nochmals richtig abzusahnen? Oder sollen die Lager bei den Kleinbauern von Capanema entsorgt werden? Sicher ist, dass die Biobauern in ihrer diesjährigen Soja soviel Endosulfan haben, dass sie wohl nicht mehr als Bio verkauft werden kann. Die gebana analysiert die biologische Soja auf die verschiedensten Pestizidrückstände und hat in ihnen Werte von rund 0,05 ppm Endosulfan gefunden. Das ist zwar immer noch zehnmal unter dem gesetzlichen Grenzwert von 0,5 ppm, aber für Bioprodukte zu viel. Mit dem Beizug von Experten und aufwändigen Analysen und Abklärungen mit der Kontrollstelle konnte nachgewiesen werden, dass die Bauern keine Schuld trifft. Das Endosulfan stammt von den Feldern der konventionellen Bauern. Trotzdem ist die Soja unverkäuflich! Die Behörden haben die Importe vorläufig blockiert und die wichtigsten Kunden haben die diesjährige Ernte zurückgewiesen.

Den Bauern wird die Existenzgrundlage entzogen. Sie haben mit Sorgfalt ihre Felder biologisch bewirtschaftet und haben dennoch Spuren eines Pestizids in der Soja, welches von einer deutschen Firma verkauft wird, obwohl dieses Pestizid in Deutschland seit bald zwanzig Jahren verboten ist. Die Bauern von Capanema finden das nicht korrekt. Sie wehren sich. Sie haben schon gegen die Holzfirma revoltiert und sie sehen nicht ein, warum nun Gift „legal“ bei ihnen entsorgt werden soll, ihre Bio-Soja damit verunreinigt wird und die Kunden schliesslich diese Soja nicht mehr kaufen wollen. Die gebana unterstützt sie dabei mit der Kampagne „chega!“.

In ihrem Überlebenskampf bitten die Bauern und die gebana nun die KundInnen um Unterstützung. Zunächst geht es darum, die Ungerechtigkeit bekannt zu machen und eine von möglichst vielen Menschen unterschriebene Petition an die brasilianischen Behörden und Botschaften zu schicken. Die Foderung: das sofortige Verbot von Endosulfan. Der Zeitpunkt dafür ist günstig, ANVISA – die Zulassungsbehörde in Brasilien – revidiert im Moment die Zulassung von Endosulfan und diverser anderer in den meisten Ländern schon lange geächteter Pestizide. Eine mächtige Lobby aus industrieller Landwirtschaft und den Herstellern der Pestizide versucht, diesen Prozess mit allen Mitteln zu torpedieren. ANVISA wurde bereits kontaktiert und hat signalisiert, kurz vor einem Entscheid zu stehen. Es ist deshalb der richtige Zeitpunkt, um Einfluss zu nehmen.